FC Bayern besiegt Real Madrid:Manuel Neuer, schüchterner Held

Manuel Neuer hält gegen Real Madrid zwei Elfmeter - und weiß zunächst gar nicht, wie er damit umgehen soll. Dann zerrt ihn Bastian Schweinsteiger zu den Fans, Karl-Heinz Rummenigge gibt eine Liebeserklärung ab. Der Torwart scheint nun endgültig angekommen zu sein beim FC Bayern.

Jonas Beckenkamp, Madrid

Als die Spieler des FC Bayern zu Feierbiestern wurden, hielt sich einer schüchtern zurück. Soeben hatte Bastian Schweinsteiger die Münchner ins Daheim-Finale befördert - doch während die Münchner Feldspieler zur Jubelkarawane vor der Kurve ihrer Fans loskrakeelten, stand Torwart Manuel Neuer verlegen daneben.

Was sollte er auch tun? Etwa mitfeiern? Die Karawane gar anführen? Er, den Teile der hartgesottenen Ultras wegen seiner Schalker Vergangenheit mit einem Verhaltenskodex gängelten, der ihm unter anderem das Küssen des Vereinswappens und das Feiern vor der Fankurve untersagt hatten?

Neuer, der zwei Elfmeter auf herausragende Weise entschärft und auch sonst jeden Flatterball von Cristiano Ronaldo cool abgefangen hatte, ließ sich dann doch zum Gang in die Kurve überreden. Der feinfühlige Teamplayer Schweinsteiger hatte am schnellsten reagiert, er zerrte den Keeper vor die Fans. Mario Gomez schubste ihn gar in Richtung Kurve, um zu zeigen: Schließt endlich Frieden mit unserem Manuel!

Dass diese Szene besonderen Wert hatte, erschloss sich vielen erst durch genaues Zuhören bei Neuers Kollegen. "Unser Torwart war heute der Held. Er ist bei uns voll integriert, steht seinen Mann und geht vorneweg - einfach sensationell," schwärmte Kapitän Philipp Lahm, während er zu seinem Kollegen rübergrinste.

Klar, der Abend hatte noch weitere Gewinner produziert, den coolen Hund David Alaba etwa, der trotz Elfmeter-Verursachen und Gelbsperre fürs Finale in der sechsten Minute kurzerhand beschlossen hatte, das Spiel seines Lebens zu machen - oder Schweinsteiger, der eigentlich lausig gespielt hatte und trotzdem den Mut für den letzten Elfer besaß.

Aber dass Lahm und viele Kollegen Neuers gelungene Integration extra erwähnten, ist bezeichnend: In der Mannschaft mag er seinen Platz gefunden haben, sportlich wie menschlich passt es - doch zwischen ihm und manchen Anhängern scheint es immer noch nicht gefunkt zu haben. Neuer selbst war bemüht, versöhnliche Worte zu wählen. Ihm war anzumerken, dass er sich den Schulterschluss mit der Kurve wünscht - aber auch, dass er noch nicht so ganz weiß, wie das geschehen soll.

"Ich bin immer noch voller Adrenalin nach diesem Wahnsinn da draußen," räumte er in den Katakomben ein und dann wurde er beinahe überschwänglich: "Dieser Sieg freut mich besonders für unsere Fans, für das ganze Umfeld. Alle haben uns gepusht und zum Erfolg getragen." Manuel Neuer, das war überdeutlich, wollte Eintracht erreichen mit allen Zuschauern - auch den ganz kritischen.

Bescheidenes Mitglied der Mannschaft

Die Vorgeschichte ist bekannt: Selten zuvor war ein sportlich anerkannter Bayern-Akteur auf solche Ressentiments gestoßen wie der gebürtige Gelsenkirchener. Er war lange Zeit Mitglied der Schalker Fan-Vereinigung "Buerschenschaft", sein Herz dürfte zumindest teilweise auch weiterhin blau-weiße Anstriche haben.

Real Madrid - FC Bayern Muenchen

Ab in die Kurve: Mario Gomez schubst Manuel Neuer in Richtung Fans.

(Foto: dapd)

Dazu kamen kleinere Probleme, sich an die Rolle zu gewöhnen, die ein Torwart beim FC Bayern erfüllen muss: bisweilen 90 Minuten lang herumstehen, dann in zwei Momenten konzentriert zu agieren - und in den wichtigen Spielen einer Saison herausragen. Ersteres war Neuer nicht immer gelungen, gegen Gladbach leistete er sich Fehler, die seiner Mannschaft Punkte kosteten.

Neuer wurde im Lauf der Saison solider - und erfüllte nun den zweiten Teil der Forderung: Er hielt einen Elfmeter gegen Gladbach im DFB-Pokal-Halbfinale. Und nun parierte er zwei Strafstöße in Madrid.

"Für Manuel freut es mich wahnsinnig. Er präsentiert sich schon die ganze Saison großartig," sagte auch Manager Christian Nerlinger. Das größte Kompliment kam dann von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, sonst eher kein großer Schwärmer: "Ich liebe Manuel Neuer. Sogar Reals Präsident (Florentino Pérez, Anm. d. Red.) hat mir gesagt, er sei der beste Torwart der Welt."

Und der Gefeierte selbst? Blieb bescheiden wie beim schüchternen Gang vor die Fans. "Ich wusste, wenn ich keinen Elfmeter halte, ziehen wir nicht ins Finale ein. Ich war total fokussiert und habe nichts mehr um mich herum wahrgenommen."

Als er aus diesem Tunnel wieder heraustauchte, hatte er mit Ronaldo und Kaká zwei der besten Schützen der Welt zur Verzweiflung getrieben. Und den dritten Fehlversuch der Madrilenen durch Sergio Ramos? "Den hat Manuel mit seinem Blick über die Latte gelenkt," erklärte Trainer Jupp Heynckes, der alle Glückwünsche ans Team weiterleitete. "Zu verdanken haben wir das heute allen Spielern - allen mutigen Elfmeterschützen und natürlich auch dem Torhüter."

Freilich blieb Neuer auch ganz am Ende schüchtern und bescheiden: "Die ganze Mannschaft sind Helden!" Er weiß natürlich: Er gehört zu dieser Mannschaft, er gehört zur FC-Bayern-Familie. Er ist ein ganz wichtiges Mitglied.

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