FC Bayern besiegt Olympique Marseille:"Seht ihr, Dortmund, so wird das gemacht"

Dort, wo Ligakonkurrent Borussia Dortmund im Herbst strauchelte, gewinnt der FC Bayern 2:0 gegen Olympique Marseille. Damit stehen die Münchner fast im Halbfinale der Champions League. Für eine Mini-Posse sorgt indes Bastian Schweinsteiger - wegen seiner gelben Karte kurz vor Schluss.

Carsten Eberts, Marseille

Sogar Bixente Lizarazu war gekommen. Aus der Nähe von Biarritz, wo der frühere Außenverteidiger des FC Bayern mittlerweile wohnt, ist es schließlich nicht so weit nach Marseille. Beim mitternächtlichen Bankett des FC Bayern im "Pullman Resort" an der Küstenstraße plauderte Lizarazu mit den früheren Kollegen, scherzte mit Bastian Schweinsteiger, aß ein wenig Risotto. Dann erzählte er noch, dass er zum Rückspiel ebenfalls in München sein werde. Um ein wenig zu arbeiten. Und ein paar alte Freunde zu treffen.

Die Stimmung war gelöst, es gab bayerisches Bier und mediterranes Essen, das überraschte freilich nicht: 2:0 (1:0) hatten die Bayern ihr Viertelfinal-Auswärtsspiel bei Olympique Marseille gewonnen, durch Tore von Mario Gomez und Arjen Robben - auf spielerisch nicht gerade überzeugende, jedoch letztlich ungefährdete Weise.

Die Bayern-Verantwortlichen versetzte dieser Umstand erwartungsgemäß in Hochstimmung. Von einem "Traumergebnis" sprach Sportdirektor Christian Nerlinger. "Wir haben das Tor ins Halbfinale weit aufgestoßen", erklärte auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in feinem Fußballersprech. Die vorherrschende Meinung: Beim Rückspiel am kommenden Dienstag in München muss schon enorm viel schief gehen, sollten die Bayern das Champions-League-Halbfinale (höchstwahrscheinlich gegen Real Madrid) doch noch verpassen.

Ausdrücklich sagen wollte das natürlich niemand, denn wer beim FC Bayern spielt, ist natürlich Gentleman und Medienprofi zugleich. Und so versuchten die Angestellten den Eindruck zu vermeiden, das Rückspiel könnte eine ungefährdete Angelegenheit werden. Oder gar eine untergeordnete Rolle spielen, bei all den Herausforderungen, die den Bayern bis Mitte Mai noch bevorstehen. "Wir wissen, dass Marseille in Dortmund drei Tore geschossen hat", sagte Bastian Schweinsteiger. "Man muss den Gegner immer respektieren", befand auch Arjen Robben.

Also lieber Vorsicht walten lassen? Die mitgereisten Bayern-Fans sahen das anders und gaben bereits zehn Minuten vor Spielschluss ihre Zurückhaltung auf. Sie sangen: "Sehr ihr, Dortmund, so wird das gemacht", ein kleiner Seitenhieb auf den deutschen Konkurrenten, der im Herbst 0:3 und 2:3 gegen die Südfranzosen verloren hatte. Und sie ließen sich sogar zu einem "Who the fuck is Barcelona, hey, hey" hinreißen, was durchaus mit humoristischer Note versetzt war.

Die Partie am Mittwochabend in Marseille war eines der schwächeren Viertelfinalspiele, die die Champions League seit ihrer Einführung in der Saison 1992/93 zu sehen bekam. Im wegen des Umbaus teilweise gesperrten "Stade Vélodrome" hatte Olympique-Trainer Didier Deschamps seine fußballerisch limitierte Mannschaft einzig auf den Kampf eingeschworen, den die Bayern zunächst erwiderten und sich eine Vielzahl gelber Karten abholten (unter anderem Lahm, Kroos und Schweinsteiger).

Kleine Posse um Schweinsteiger

Als die Bayern die kurze Drangphase dank einer sehenswerten Parade von Torwart Manuel Neuer (nach einem Kopfball von Verteidiger Rod Fanni) und trotz der Fehlerchen von Abwehrmann Jérôme Boateng überstanden hatten, konnte eigentlich nicht mehr viel passieren. "Körperlich war Marseille sehr stark", erklärte stellvertretend Thomas Müller, "aber wir wussten ja, dass wir mit der Zeit spielerisch zu Chancen kommen würden." Die beste Gelegenheit der ersten Halbzeit nutzte Chefstürmer Mario Gomez nach feinem Pass von Robben zum 1:0 (44.) Minute, das zweite Tor besorgte Robben nach Zuspiel von Müller später selbst (69.). Da war das Spiel gelaufen.

Champions League - Olympique Marseille - FC Bayern München 0:2

"Who the fuck is Barcelona?": Die mitgereisten Bayern-Fans gaben kurz vor Spielschluss ihre Zurückhaltung auf.

(Foto: dpa)

Just in der Minute, als das 2:0 fiel, wurde bei den Bayern auch Bastian Schweinsteiger eingewechselt, was für den Rekordmeister natürlich eine ausdrücklich gute Nachricht war. Der in dieser Spielzeit so häufig verletzte Mittelfeldchef hatte zuletzt abermals pausieren müssen, die 20 Spielminuten in Marseille absolvierte Schweinsteiger diesmal "völlig ohne Schmerzen". Die Saison geht in ihre entscheidende Phase, da ist ein fitter Schweinsteiger wichtiger denn je.

Eine kleine Posse entspann sich um Schweinsteiger dennoch, viel mehr um die gelbe Karte, die er sich in der 82. Minute abholte. Er war zuvor Marseilles Mathieu Valbuena angegangen, nicht heftig, jedoch im mittigsten Mittelfeld, was Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo dazu verleitete, Schweinsteiger prompt den gelben Karton vorzuhalten. Schweinsteiger lamentierte kurz, weil es sein erstes Foul war. Später ging er auch mit sich selbst in die Kritik, weil er "diesen Ball auch hätte ablaufen können". Und diese gelbe Karte deshalb ziemlich unnötig war.

Eine windige Idee hielt sich in den Katakomben des "Stade Vélodrome" dennoch hartnäckig: Dass Schweinsteiger sich diese gelbe Karte auf höchst clevere Weise absichtlich abgeholt hatte. Damit er nur im eher unwichtigen Rückspiel gegen Marseille gesperrt fehlt - jedoch unbelastet in die wahrscheinlichen Knaller-Partien gegen Real Madrid geht.

Schweinsteiger musste kurz schmunzeln, als ihm diese Theorie erklärt wurde, er habe sogar selbst schon davon gehört. Der Nationalspieler sagte jedoch: "Das kann man sich so denken, aber bin mir noch nicht so sicher, dass wir uns für das Halbfinale qualifizieren. Für mich ist es so, dass ich viele Spiele verpasst habe wegen der Verletzung." Er hätte dieses eine Spiel gegen Marseille gerne noch gemacht, so die offizielle Version, damit er gegen Real wieder ganz der Alte ist.

Und so war es eben am Mittwochabend in Marseille: Wirklich vom Halbfinale reden wollte niemand, das verboten Anstand, Respekt und die gute Fußballerschule. Dabei dachten nach diesem sehr guten Ergebnis alle längst an das mögliche Halbfinale gegen Real Madrid - und an das, was ganz vielleicht danach kommen könnte: das Finale am 19. Mai in München.

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