FC Bayern besiegt Hannover 96:Gefühlsexplosion plus akzentfreier Fallrückzieher

Nach zwei Unentschieden spielen Vorstand Karl-Heinz Rummenigge und Trainer Jupp Heynckes Doppelpass, die Spieler des FC Bayern reagieren mit einem 5:0 gegen ein geschwächtes Hannover 96. Was bleibt? Die Rückkehr von Stürmer Mario Gomez natürlich. Und das Gefühl, dass nur der FC Bayern den FC Bayern stoppen kann.

Thomas Hummel

Javi Martínez klemmte einen Spielball zwischen Ellbogen und Hüfte. "Ich nehme ihn nach Hause als Erinnerung an mein erstes Tor in der Bundesliga. Ich werde ihn liebevoll behandeln", sagte er auf Spanisch. Kurz darauf kam Dante aus der Kabine und erklärte auf Portugiesisch, dass das Tänzchen nach seinem Tor Ausdruck von Freude und Glück sei und ganz wichtig in der brasilianischen Kultur. Und dann stand Mario Gomez vor einem Strauß Mikrofonen, nach aktueller deutscher Jugendmode eine Wollmütze bis kurz über die Augen tragend, und erklärte, welch "Gefühlsexplosion" er nach seinem Treffer in sich spürte.

5:0 hatte der FC Bayern am Samstag gegen Hannover 96 gewonnen. In dieser Saison ist so ein deutlicher Sieg kaum aufsehenerregend, zu oft fegen die Münchner ihre Gegner gerade zu Hause aus der Arena. Dennoch waberte ein besonderes Glücksgefühl durch die Katakomben der Arena. Denn inmitten der fast gewöhnten Überlegenheit der Mannschaft verbargen sich außergewöhnliche Ereignisse einzelner Spieler. Javi Martínez und Dante erzielten ihre ersten Tore für den FC Bayern. Und Mario Gomez seinen ersten Treffer in dieser Saison. Im ersten Heimspiel nach langer Verletzungspause. 26 Sekunden nach seiner Einwechslung.

Gomez erzählte von den Momenten nach diesem Treffer in der 67. Minute. Nach dreieinhalb Monaten Verletzungspause (Operation am Sprunggelenk) hatte er zuletzt in der Champions League in Valencia seinen ersten Kurzauftritt, nun also wieder Bundesliga, wieder heimische Arena. Er lief auf den Platz, ein weiter Pass kam von Toni Kroos. Sein Gegenspieler Karim Haggui bemerkte gleich, dass Gomez in der Reha gut gearbeitet hatte, denn Haggui prallte am Stahlkörper von Gomez ab und fiel auf den Allerwertesten.

Gomez stand so alleine vor Torwart Ron-Robert Zieler und schlenzte den Ball ins lange Eck. 26 Sekunden Bundesliga, und gleich das erste Tor. "Es kam die Reha hoch, ich hab gleich an den Arzt und an die Physiotherapeuten gedacht, denen ich 15 Wochen lang auf den Sack gegangen bin", erzählte Gomez. Das Tor habe für ihn eine große Bedeutung, weil er noch nie so lange verletzt gewesen sei.

Ist er also wieder da, der alte Mario Gomez? Und wenn ja, wie sieht es mit einem Stammplatz aus? Haben doch Mario Mandzukic und Claudio Pizarro in seiner Abwesenheit ganz ordentlich geglänzt im Bayern-Sturm. Wie wär's mit einer kleinen Kampfansage? Mario Gomez schaute mit seinen weichen Augen unter seiner Wollmütze hervor, er grinste. "Wir sehen den Konkurrenzkampf nicht so verkrampft wie die Medien. Der Mario (Mandzukic) macht seine Sache super, der Claudio (Pizarro) macht seine Sache super, ich war weg und versuche jetzt auch, meine Sache gut zu machen", erklärte er. Der FC Bayern habe nun zwei Jahre nichts gewonnen und da zählten Einzel-Personen nun nicht mehr. "Wir wollen Meister werden, und wir dürfen nicht wie letztes Jahr vom Weg abkommen", sagte Gomez.

Derzeit deutet wenig bis nichts darauf hin, dass von irgendwoher jemand kommen sollte, der diese Münchner noch in den Wegesgraben befördern könnte. Durch den Punktverlust des FC Schalke hat der Tabellenführer nun neun Zähler Vorsprung auf den neuen Zweiten Borussia Dortmund. Der kommt nächsten Samstag nach München und da könnte zum ersten Mal in der Bundesliga-Geschichte der Titel schon Anfang Dezember vergeben werden.

Pressing des FC Bayern

Wer rund um diesen Klub danach fragt, wer den FC Bayern in diesem Jahr vom Weg abbringen kann, der landet nicht in Gelsenkirchen und auch nicht in Dortmund. Sondern beim FC Bayern. Vielleicht stänkert ja mal einer der vielen stolzen Stürmer auf der Ersatzbank? Oder Arjen Robben spielt ein bisschen Diva? Oder Franck Ribéry muss zu viele taktische Einheiten absolvieren? Doch: nichts von alledem. Stattdessen selbst nach dem x-ten Schützenfest in dieser Saison mahnende Worte überall: Weitermachen, konzentriert bleiben, Erfolg der Mannschaft ist wichtiger als eigene Tore, ja nicht in dieselbe Falle tappen wie im vergangenen Jahr, und so weiter. Das erzählen die Beteiligten unverdrossen, Woche um Woche, ohne müde zu werden.

Einzig eine Überzahl auf dem Platz hat die Münchner zuletzt aus der Balance gebracht. Zuerst gelang ihnen in der Schlussphase in Nürnberg kein Siegtreffer mehr, dann das fahrige Spiel in Valencia. Zweimal 1:1 - für die Münchner schon die größte anzunehmende Krise, auf die Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge mit einer Aufwach-Rede reagierte. Sportdirektor Matthias Sammer befand das Krisenmanagement für exzellent. Rummenigge habe eine psychologische Ansprache gehalten in Valencia, Trainer Jupp Heynckes intern eine inhaltliche angefügt und laut Sammer signalisiert: "Ich weiß, was zu tun ist." Das sei in Sammers Augen "ein wunderbarer Doppelpass" zwischen Rummenigge und Heynckes gewesen, auf den die Mannschaft reagiert habe.

Es folgte der einfache Sieg gegen Hannover 96. Die Niedersachsen litten bestimmt auch darunter, dass sie erst am Donnerstagabend in der Europa League gespielt hatten. Zudem befinde sich das Team gerade in einer "Leistungsdelle", wie Vorstand Martin Kind erklärte. Faktoren, die zu einem Spiel führten, wie das Torwart Zieler "so auch noch nie erlebt" hatte.

Die Bayern attackierten früh, überforderten die Hannoveraner und erzwangen frühe Ballverluste. Martínez (3.), Kroos (24.), Ribéry (37.), Dante (63.) und Gomez nutzten nur einen Teil der Münchner Chancen. Bemerkenswert war dabei, dass sogar zwei Tore aus Standardsituationen erzielt wurden. Trainer Heynckes berichtete, er am Freitag eineinhalb Stunden Standards trainieren lassen, was eigentlich unüblich sei in seinem Übungsplan. 90 Minuten Freistoß- und Eckentraining führen also tags darauf zu zwei Toren - in München klappt in dieser Saison bisweilen alles.

Auch Kunst und Kultur kommen da nicht zu kurz. Zumindest bei den Kollegen Dante und Javi Martínez. Der Brasilianer ist dabei, den von Kollege Rafinha eingeführten Tanz aus der Heimat nach Torerfolgen zu perfektionieren. Und der Spanier lernt fleißig Deutsch. Am Samstagabend sagte er fast akzentfrei das Wort "Fallrückzieher" in eine Kamera. Dann ging er samt Spielball nach Hause.

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