FC Bayern besiegt Hamburg 3:0:Ernüchternde Nachrichten aus Hamburg

Eine Fußballwoche lang durfte die Bundesliga-Konkurrenz auf eine Schwächephase des FC Bayern hoffen. Dann patzen innerhalb weniger Stunden die Verfolger Schalke, Dortmund und Frankfurt - und die Bayern stellen lässig den alten Abstand wieder her. Der Münchner Antizyklus bleibt diesmal aus.

Carsten Eberts, Hamburg

Hamburger SV - Bayern München 0:3

Hamburgs Torwart Rene Adler (rechts) und Hamburgs Heiko Westermann holen den Ball nach dem Treffer zum 0:2 aus dem Tor.

(Foto: dpa)

Toni Kroos trabte die Torauslinie entlang, er zeigte keine große Regung. Dabei hatte der Bayern-Profi gerade ein Tor geschossen, es war ein frecher Schuss, einfach über Torwart René Adler hinweg ins kurze Eck, so wie man es nur mit großem Selbstbewusstsein tut. Doch Kroos jubelte kaum. Es war ja nur das 3:0. Das Spiel gegen den Hamburger SV war spätestens in dieser 53. Minute gelaufen, und die Bayern um Toni Kroos, sie hatten der Liga eine Botschaft zu übermitteln.

Immerhin eine ganze Woche hatten die hoffnungsvollen Wünsche all jener Leute gehalten, die nach dem Startrekord des FC Bayern doch noch eine spannende Saison in der Fußball-Bundesliga herbeisehnt hatten. Die Hoffnung war, dass die Münchner nach dem 1:2 gegen Leverkusen vorübergehend aus dem Tritt geraten, sich eine Schwächephase leisten und die Konkurrenz aus Schalke, Dortmund und Frankfurt wieder herankommen lassen. Vielfach wurde das Andenken an die vergangene Spielzeit bemüht, als der Rekordmeister just im Herbst begann, einen Acht-Punkte-Rückstand auf den späteren Meister aus Dortmund zu verspielen. Würde die Spannung erneut in die Liga zurückkehren?

Das Wochenende brachte diesbezüglich eher ernüchternde Erkenntnisse. Eintracht Frankfurt patzte bereits am Freitagabend gegen Aufsteiger Fürth (1:1), Borussia Dortmund vergab am Samstagnachmittag gegen Stuttgart beste Chancen und spielte nur Unentschieden (0:0), Schalke 04 erhielt beim Kellerklub Hoffenheim in der Nachspielzeit einen Treffer und verlor (2:3). Das Unentschieden fühle sich "wie eine Niederlage" an, schimpfte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Schalkes Manager Horst Held malte gar ein martialisches Bild: "Wir haben wieder einen Gegner, der auf dem Präsentierteller gelegen ist und eigentlich tot war, am Leben gelassen. Wir sind wohl zu gut für diese Welt."

Innerhalb weniger Stunden war die Aufbruchsstimmung in der Liga dahin.

Die Bayern hingegen hatten beim erstarkten HSV, wo sie seit sechs Jahren nicht mehr gewinnen konnten, keinerlei Mühe. Eine knappe Halbzeit hielt die Gegenwehr der Hamburger, dann steigerten sich die Bayern zu ihrer wohl besten Saisonleistung. Bastian Schweinsteiger (40.), Thomas Müller (49.) und Toni Kroos (53.) schossen innerhalb von 13 Spielminuten den Sieg heraus. Der HSV sehnte anschließend eine halbe Stunde lang den Schlusspfiff herbei. "Wir haben gegen eine Mannschaft gespielt, die eine Klasse besser war", fasste HSV-Keeper Adler die Hamburger Gefühlslage zusammen.

Auf Seiten der Bayern wurde eifrig betont, was ohnehin jeder im Stadion gesehen hatte: dass der Sieg gegen Hamburg und nicht die Pleite gegen Leverkusen das wahre Gesicht der Mannschaft gezeigt hatte. "Wir wollten nach dem Leverkusen-Spiel wieder eine Topleistung bringen", erklärte Kroos nach der Partie. Kunsttorschütze Müller fügte grinsend hinzu: "Jeder, der heute auf einen Ausrutscher von uns gehofft hat, hat Pech gehabt." Sieben Punkte beträgt der Vorsprung in der Tabelle auf Schalke und Frankfurt, auf den BVB sind es wieder elf. Jeweils kommt das deutliche bessere Torverhältnis der Münchner hinzu.

Großes Lob von Heynckes

Auch Trainer Jupp Heynckes sprach seiner Mannschaft sein Lob aus - in ungewohnter Vehemenz. Als wolle er seine Mannschaft, die zuvor so stark agiert hatte, unbedingt selbst noch einmal stark reden. "Die Art und Weise, wie wir heute umgeschaltet haben, war allererste Sahne", sagte der Coach: "Ich bin sehr zufrieden, wie wir über 90 Minuten Fußball gespielt haben. Wir haben gegen einen engagierten und hochmotivierten Gegner ein ausgezeichnetes Spiel gemacht." Keine Spur also vom Münchner Antizyklus, der nach Spielen manchmal Einzug erhält. Wenn die eigene Mannschaft nach Niederlagen gelobt oder nach Siegen ermahnt wird - nein, diesmal war es anders: Die Bayern hatten überzeugend gespielt. Und das sollte jeder wissen.

Exemplarisch hob Heynckes dabei die Leistung von Mario Mandzukic heraus. Die Tore hatten diesmal andere geschossen, doch dem Trainer hatte der Auftritt seines treffsichersten Stürmers gefallen. Wie der Kroate nach hinten gearbeitet und beim Pressing mitgeholfen hatte, lobte Heynckes, all dies spreche für einen intakten Mannschaftsgeist. Er folgerte gar: "Genau so muss man im internationalen Spitzenfußball spielen. Und das machen wir."

Der Eindruck, den Heynckes damit direkt bestätigte: Die Mannschaft des FC Bayern ist vor allem in der defensiven Bewegung stärker als in der vergangenen Saison. Heynckes hat wirkungsvolle Alternativen, kann auf jede Spielsituation reagieren, defensiv wie offensiv. In Hamburg verzichtete er etwa auf das Mitwirken von Xherdan Shaqiri, Claudio Pizarro und Arjen Robben, die am Mittwoch noch die Pokalpartie gegen Kaiserslautern (4:0) geprägt hatten. Über Robben sagte Heynckes: "Den Luxus, ihn nicht zu bringen, den kann ich mir erlauben." Aus seiner Stimme sprach Stolz.

Nur einen Spieler im Kader könnte Heynckes vielleicht doch nicht gleichwertig ersetzen, zumindest in dieser Form: Franck Ribéry. Gegen Leverkusen hatte der Franzose noch gefehlt, wo den Bayern prompt nach dem Rückstand die Überraschungsmomente ausgingen. Gegen Hamburg veredelte er das Offensivspiel der Bayern wieder mit seinen Dribblings und nie auszurechnenden Aktionen, entkam so sogar der Doppelbewachung der HSV-Defensive. "Eins mit Sternchen" sagte Stefan Effenberg bei Sky über die Leistung des Franzosen.

Beunruhigend zudem für die Konkurrenz: In Hamburg bekam Ribéry mit David Alaba nach langer Verletzungspause erstmals in dieser Saison wieder seinen Lieblingspartner auf der linken Seite zurück. Beide verstehen sich fußballerisch außerordentlich gut, wechseln sich in ihren Flankenläufen beständig ab. Kaum eine ihrer Aktionen konnte von den Hamburgern am Samstagabend souverän verteidigt werden. In der Liga braucht man ein ähnlich quirliges Duo gar nicht erst zu suchen. In Europa fiele die Suche zumindest schwer.

Wer auf eine längere Schwächephase der Bayern hoffte, müsste sich theoretisch den langfristigen Ausfall von Ribéry wünschen. Doch so viel Argwohn sollte dem Meisterkampf in der Bundesliga dann wirklich nicht inne wohnen.

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