FC Bayern beim FC Arsenal:Neuers Paraden - ein Fall für die Phänomenforschung

Arsenal v Bayern Munich - UEFA Champions League Group Stage - Group F

Sensationelle Parade: Manuel Neuer hält den Kopfball von Theo Walcott.

(Foto: REUTERS)

Von Claudio Catuogno, London

Das Phänomen war am Tag des Spiels Thema in fast allen Londoner Zeitungen gewesen. Welche Chance hat man gegen es? Wie kann man es stoppen? Das Phänomen, damit war der "tödliche Lewandowski" (Guardian) gemeint, über den natürlich auch Arsenals Trainer Arsène Wenger vorher ausgiebig gesprochen hatte. An der Frage, ob man Robert Lewandowski, den Bayern-Stürmer mit der ungeheuerlichen Trefferquote, in den Griff kriegen würde - daran würde sich dieses Spiel entscheiden. Das erwartete nicht nur Wenger.

Aufpassen auf Lewandowski, das war also seine Kernbotschaft gewesen. Aber wenn so ein Spiel dann mal läuft, kommt es ja häufig anders. Während sich das Londoner Publikum am einen Ende des Münchner Spiels - ganz vorne - nach dem Phänomen umsah, das aber nicht recht in Tritt kam, tat sich Spektakuläreres auf der anderen Seite. Aus Bayern-Sicht: ganz hinten. Dort, wo Manuel Neuer damit betraut ist, keinen Ball rein zu lassen.

Schon nach sechs Minuten hatte er sich katzengleich gestreckt

Ein Phänomen ist Manuel Neuer auch, keine Frage. Das ist ja überhaupt der Markenkern dieser Elf: Welchen Mannschaftsteil man sich ansieht, überall gibt es etwas zu bestaunen; und wenn die Rädchen ineinandergreifen, fühlt man sich selbst als Engländer gut unterhalten. Wenn sie nicht ineinandergreifen, wie in diesem Spiel der Bayern beim FC Arsenal - dann schaut man sehr bald sehr genau auf Neuer.

Der Ball kam von ihm aus gesehen von der rechten Seite, eine präzise Hereingabe von Nacho Monreal, Zentimeter über die Scheitel zweier Münchner Abwehrspieler hinweg - genau auf den Kopf von Theo Walcott. Ein Fußballtor ist 7,32 Meter breit, kein Mensch kann es nur mit seinem Körper von ganz links bis ganz rechts bewachen - und wie Neuer an diesen wuchtigen, platzierten Kopfball von Walcott noch seine linke Hand gebracht hat, das wird womöglich mal ein Lehrbeispiel in einer noch relativ jungen Teildisziplin der Phänomenforschung werden: der "Neuerlogie".

Es war jedenfalls eine dieser Paraden, dank der man Details erfährt, die einem sonst verschlossen geblieben wäre. Zum Beispiel das doch durchaus spannende Detail, was Mario Götze an diesem Dienstagabend eigentlich getan hat. Mit dabei war Götze ja nicht, er hat sich kürzlich im Länderspiel gegen Irland verletzt. Er saß vielmehr, und dank Neuer weiß man das nun, irgendwo vor dem Fernseher, sein Mobiltelefon in der Hand. Unmittelbar nach der Rettungstat twitterte er: "Safe!!!!! Great @Manuel_Neuer #NeuerTheWall #ARSFCB". Und es war zu diesem Zeitpunkt, in der 33. Minute, ja sogar schon die zweite Großtat des Bayern-Keepers gewesen; bereits nach sechs Minuten hatte er sich katzengleich strecken müssen, um einen flachen Schuss von Mesut Özil um den Pfosten zu lenken.

Beim ersten Gegentor versperrten Neuer drei Schädel die Sicht

#NeuerTheWall. Das kam einem doch irgendwie bekannt vor aus der vergangenen Woche. Auch in der Nationalelf hatte sich Neuer zuletzt ja zu einer Art Lebensversicherung entwickelt. Dank seiner Paraden gegen Irland und Georgien hat sich die Mannschaft von Joachim Löw zwei indisponierte Auftritte erlauben können und darf nun trotzdem zur EM.

Dass der FC Bayern, dieser Allesgewinner aus der Bundesliga, diesen Versicherungsschutz aber ebenfalls braucht, war bisher nicht so klar. Und das Bittere ist nun: Die Elf von Pep Guardiola weiß jetzt auch wieder, was passiert, wenn sie sich zu sehr auf ihren letzten Mann verlässt. Beim 0:1 sprang Neuer an einer Hereingabe vorbei, das sah ziemlich unglücklich aus (mildernde Umstände: gleich drei Schädel versperrten ihm im letzten Moment die Sicht). Und dass er bei Mesut Özils spätem 2:0 zwar wieder überaus spektakulär parierte, aber hinter der Linie - auch das ist nun ein Fall für Neuerlogie.

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