FC Bayern:Bayerns neuer Stratege kann fast alles

Lesezeit: 3 min

  • Der FC Bayern hat in Corentin Tolisso von Olympique Lyon eine Verstärkung für sein Mittelfeld gefunden.
  • Der 22-jährige Franzose soll bei den Münchnern das durch den Weggang von Xabi Alonso entstandene strategische Vakuum füllen.
  • Douglas Costa könnte derweil zu Juventus Turin wechseln.

Von Christopher Gerards

Es gibt diese Geschichte über Corentin Tolisso, sein Berater hat sie vor eineinhalb Monaten in einem Interview erzählt, aber aus aktuellem Anlasse wird sie jetzt nochmal rausgekramt. Frederic Guerra, der Berater, ließ sich vom Radiosender Kiss Kiss Napoli (heißt wirklich so, d. Red.) befragen, es ging unter anderem darum, warum sein Klient 2016 nicht zum SSC Neapel gewechselt ist. Etwas habe "Ängste" in Tolisso hervorgerufen, sagte Guerra und meinte: Ängste vor der Stadt Neapel. Er, Guerra, wisse zwar, wie schön diese Stadt, wie wunderbar ihre Bewohner seien; aber Tolisso kenne nun mal die Fernsehserie Gomorrha, die vom neapolitanischen Mafia-Clan handelt. Also wechselte er lieber nicht.

Ein Fußballprofi, der nicht in eine Stadt will, weil er eine Fernsehserie geschaut hat - die Geschichte klingt im Nachhinein ein bisschen zu gut, um wahr zu sein (oder zumindest so, als wäre in irgendeiner Form der HSV involviert). Und man darf schon annehmen, dass Tolisso noch ein bisschen mehr dazu veranlasst hat, ein weiteres Jahr in Lyon zu bleiben. Dafür geht er jetzt in eine Stadt, in der die härtesten TV-Sendungen die Lindenstraße und der örtliche Tatort sind.

FC Bayern
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An diesem Mittwoch hat der FC Bayern die Verpflichtung des französischen Mittelfeldspielers perfekt gemacht, er bekommt einen Vertrag bis 2022. Er ist damit nach Niklas Süle, Sebastian Rudy (beide Hoffenheim) und Serge Gnabry (Bremen) der vierte Zugang der Münchner - und der bislang mit Abstand teuerste: Laut Olympique Lyon soll er 41,5 Millionen Euro kosten, die Ablöse könnte durch Bonuszahlungen auf 50 Millionen Euro steigen. Solche Zahlen werfen vor allem eine Frage auf: Wer ist eigentlich Corentin Tolisso?

Seit 2007 spielte Tolisso in Lyon

Tolisso, 22, ist zwar auf den ersten Blick keine der "Granaten", die Uli Hoeneß dem Münchner Publikum versprochen hat, aber auf den zweiten. Er gehört nicht zu den Spielern, die dem FC Bayern neue Absatzrekorde auf dem Trikot-Markt verschaffen, was auch daran liegt, dass in seiner Personalakte bislang nur drei Klubs auftauchen: ST Amplepuisien (09/2000 - 06/2004), FC du Pays de l'Arbresle (07/2004 - 06/2007) und Olympique Lyon (seit 2007). Aber es ist auch kein Geheimnis, dass die Bayern sich einen europaweit begehrten Spieler geholt haben, der unter anderem vom FC Chelsea umworben wurde.

Obwohl er noch jung ist, hat Tolisso den Status des Talents längst überschritten. Er weiß zum Beispiel, wie sich die Champions-League-Hymne live anhört, und er weiß auch, wie es ist, in einem Europa-League-Viertelfinale zu spielen. Vor allem aber gehört Tolisso zu den Spielern, die eine natürliche Autorität ausstrahlen auf dem Platz. Wenn er den Ball führt, dann sieht das ein bisschen so aus, als hätte er früher sehr viele Videos von Bastian Schweinsteiger gesehen. Er steht aufrecht, er überblickt das Feld, und ähnlich groß ist er auch (1,81 Meter zu 1,83 Meter).

Tolisso ist ein junger Fast-Alles-Könner, er führt Spielverlagerungen genauso im Repertoire wie Steilpässe, er steht oft richtig, und seine Distanzschüsse flattern Torhütern oft derart hundsgemein entgegen, dass Tolisso in der vergangenen Saison auf acht Tore in 31 Ligaspielen kam (fünf Vorlagen). Hinzu kommt, dass er in Lyon fast jede Position gespielt hat, die seine Sportart kennt - außer Torwart.

Die Frage ist, ob ein Spieler wie er dem FC Bayern helfen kann. Die Bayern haben bereits einige gestandene und einige talentierte Profis im Mittelfeld, keine Frage. Da ist Renato Sanches, den die Bayern aber wohl abgeben würden; ein talentierter Fußballer zwar, aber oft wild und ohne größere strategische Verdienste. Da ist Joshua Kimmich, der künftig aber lieber rechts verteidigen soll. Da ist Sebastian Rudy, Zugang aus Hoffenheim, von dem man nicht genau weiß, wo er sich einsortiert. Und da ist Arturo Vidal, ebenfalls wild, zweikampfstark, aber auch kein klassischer Stratege.

Und genau das ist der entscheidende Teil von Tolissos Anforderungsprofils: Er kann und soll die Planstelle Spielaufbau/Rhythmus/Strategie besetzen, er soll das tun, was bislang Xabi Alonso tat: dem Bayern-Spiel einen Takt geben.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie Tolisso mit den Verhältnissen der Bundesliga zurechtkommt, wie er sich darauf einstellt, dass ihm immer irgendein hoch pressender Gegner auf den Füßen steht. Die Bayern wissen selbst, dass dieser Transfer ein gewisses Restrisiko beinhaltet. Renato Sanches taugt da als gutes Beispiel. Auch er kostete 41,5 Millionen Euro, und wer verstehen will, warum der gerade mal 19-jährige Spieler oft kritisiert wird - der kommt nicht an der Ablöse vorbei. 41,5 Millionen Euro plus Extras für Tolisso klingen zwar nicht übermäßig verrückt in einer Welt, in der sich ein Paul Pogba für 105 Millionen Euro transferieren lässt. Andererseits wird sich auch Tolisso an genau dieser Ablöse messen lassen müssen. Was immer er tut: Er ist der 41,5-bis-50-Millionen-Euro-Mann.

Dennoch dürften sie in München nicht mit einem allzu großen Minus aus dieser Transfer-Woche gehen. Denn offenbar beschert Douglas Costa dem Klub demnächst stattliche Einnahmen. Der Außenangreifer steht vor einem Wechsel zu Juventus Turin; der Berater des Spielers, Junior Mendoza, traf am Dienstagabend in Turin den Geschäftsführer Giuseppe Marotta, dies berichtet die Gazzetta dello Sport. Sollte der Wechsel klappen, könnten die Bayern zwischen 40 und 50 Millionen Euro Ablöse kassieren.

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