FC Bayern:Bayern-Fans gegen die Vorschriften-Spirale

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Mit dieser "Choreo" beim Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid sorgten die Bayern-Anhänger vor fast genau drei Jahren für einen Traum in Rot und Weiß. (Foto: Ulmer/imago)
  • Vor dem Spiel gegen Madrid wurde den Fans des FC Bayern kurzfristig eine Choreograhie untersagt.
  • Grund waren BRandschutzvorschriften, nicht, wie nach dem Anschlag auf den BVB-Bus behauptet wurde, Terrorgefahr.
  • Trotzdem fühlen sie sich die Fans benachteiligt. Andere Fan-Gruppen hätten es bei Choreographien leichter mit der Genehmigung.

Von Christoph Leischwitz

Es war schon beeindruckend, was die Fans des FC Bayern München da organisiert hatten, fast auf den Tag genau vor drei Jahren. So wie heuer spielte der Fußball-Rekordmeister in der Champions League auch schon gegen Real Madrid, wenngleich damals eine Runde weiter, im Halbfinale. Fast alle Zuschauer hatten eine kleine Plastikfolie auf ihrem Sitz vorgefunden, die sie kurz vor dem Anpfiff gleichzeitig hochhalten sollten. Es entstand ein Bild, das um die Welt ging, mit einem überdimensionalen Pokal der Champions League, dem Emblem des FC Bayern und einem Aufruf "Immer weiter".

Was allerdings die Choreografien selbst angeht - so werden vorbereitete Tribünenbilder aller Art von Stadiongängern genannt - geht es offenbar nicht immer weiter. Vor zwei Wochen spielten die Bayern wieder gegen Madrid (und schieden letztlich erneut aus). Dabei wurde aber das Hochziehen einer aufwendig produzierten Blockfahne wenige Stunden vor dem Spiel untersagt. Begründung: Die riesige Stoffbahn verstieß gegen Brandschutzvorgaben. Sie lag dann während des Spiels zusammengerollt hinter dem Block.

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Für die Organisatoren war das Verbot eine Riesenenttäuschung. Die Ausarbeitung sei zum einen sehr teuer gewesen, sagt Wolfgang Martin, Vorstand des FC-Bayern-Fan-Dachverbands Club Nr. 12. Die Kosten lagen im mittleren vierstelligen Bereich, die Fans hatten das Geld aus der eigenen Tasche bezahlt. 30 bis 40 Leute seien im Vorfeld "etliche Abende" damit beschäftigt gewesen. Außerdem benötigt es rund 30 Helfer, eine "Choreo" dieser Größe am Nachmittag vor dem Spiel ins Stadion zu bringen. Was die Fans aber am meisten wurmt, ist die schlechte Außendarstellung des Klubs. Ganz abgesehen davon, dass sich eine nicht genehmigte Aktion auch auf die Stimmung in der Südkurve auswirken kann - was wiederum den Spielverlauf zu einem gewissen Grad beeinflussen würde.

Schnell machten nach dem Spiel Gerüchte die Runde, die "Choreo" sei aufgrund einer möglichen Terrorgefahr verboten worden - einen Tag zuvor fand der Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund statt. Doch der Club Nr. 12 dementierte dies recht schnell. Der Grund sei gewesen, so Martin, dass die zusammengenähte Blockfahne über Fluchtwege hinweg aufgezogen worden wäre, dass sie also schlicht zu groß gewesen sei, um zugelassen zu werden. "Wir hätten die Blockfahne in mehrere Teile zerstückeln müssen, das Bild hätte dann keine Wirkung mehr gehabt", sagt Martin zu einem Kompromissvorschlag, der noch im Stadion gemacht wurde. Was auf dem Bild zu sehen ist, will er vorerst noch nicht verraten - womöglich können Teile der Choreografie irgendwann noch zum Einsatz kommen.

Manche Vorgaben halten die Fans selbst für sinnvoll. Etwa, dass große Fahnen mit einem Brandschutzmittel eingesprüht werden oder aus speziellem Material bestehen müssen, was natürlich auch bei der Blockfahne vor dem Madrid-Spiel der Fall war. Aber: "Wir haben massive Probleme mit den Vorgaben in München", sagt Martin. Denn hier würden die Vorgaben besonders streng ausgelegt, überdies drehe sich "die Vorschriften-Spirale immer schneller", hieß es bereits in der öffentlichen Erklärung.

Das Kreisverwaltungsreferat weist diese Anschuldigungen zurück. Dort heißt es, dass es einen bundesweit einheitlichen Standard zur Beurteilung von Stadion-Choreografien gebe. Und dass sich "Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung und deren praktische Umsetzung" seit 2005 nicht mehr geändert hätten.

Wer auf Video-Plattformen nach Choreografien in der Bundesliga sucht, kann unschwer erkennen, dass in Deutschlands Stadien offensichtlich nicht einheitlich geurteilt wird. Dem Club Nr. 12 geht es dabei um mangelnde Chancengleichheit - auch deshalb, weil eine erfolgreiche Choreografie auch von rivalisierenden und befreundeten Fanlagern registriert wird. Sie gilt als Gradmesser dafür, wie gut oder schlecht es um die Fankultur in der jeweiligen Stadt bestellt ist. Und in anderen Städten ist es offensichtlich leichter, pompöse Aktionen durchzusetzen. "Wir haben dazu eine große Foto-Datenbank", sagt Martin, und nennt als Beispiel Stadien wie Leipzig oder Köln, in denen über mehrere Blöcke ausgebreitete Fahnen schon mehrmals zum Einsatz gekommen seien. Berühmtestes Beispiel ist aber eine Choreografie aus Dresden. Bei einem Dynamo-Heimspiel im Jahr 2015 wurde eine gigantische Blockfahne aufgezogen, die sich über alle vier Tribünen erstreckte, ohne Unterbrechungen. Es bestehe "eine sehr große Diskrepanz" in der Auslegung der Verordnungen, findet Martin deshalb, und führt das auch auf die Bedeutung des Vereins zurück: "Der FC Bayern ist eben immer besonders im Fokus." Dabei werde die Blockfahne aus Spezialstoff maximal 90 Sekunden lang über den Köpfen gehalten, nicht länger.

"Es wird schwerer, die Ideen, die wir haben, umzusetzen", sagt Martin mit Blick auf kommende Aktionen. Es werde weitere Gespräche geben, doch jetzt laufe alles darauf hinaus, dass man in Zukunft vermehrt mit den ein mal ein Meter großen Plastikfolien arbeiten könne, die auch 2014 zum Einsatz kamen - während sich in anderen Städten die Fankultur weiter entfalten könne.

Ob für das DFB-Pokalspiel an diesem Mittwochabend gegen Borussia Dortmund eine Choreografie geplant ist, wird übrigens nicht verraten. Was eine Choreografie betrifft, wird im Vorfeld grundsätzlich so gut wie möglich geheim gehalten. Womöglich steckt hier ein zusätzliches Problem: Das KVR sagt nämlich, man sei vor dem Madrid-Spiel im Stadion mit einer Choreografie "konfrontiert" worden, die nicht den mündlichen Abstimmungen entsprochen habe.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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