FC-Bayern-Basketballer Hamann im Gespräch:"Dieser Verein ist eben nicht irgendeiner"

Die Hälfte der Saison ist vorbei - und die Bayern-Basketballer stehen in der Bundesliga nur auf dem zehnten Platz. Im Interview spricht Kapitän Steffen Hamann über die Gründe der Münchner Auswärtsschwäche, seine Beziehung zum Fußball, die Bürde des polarisierenden Klubnamens FC Bayern und seinen Spitznamen "Steffi".

Jonas Beckenkamp

Steffen Hamann hatte es vergangenen Samstag schwer in Bamberg. Erstmals spielte er im Trikot des großen FC Bayern bei seinem ehemaligen Klub. In Bamberg wuchs er auf, er machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann, dann begann er 1999 seine Profikarriere als Basketballer - seine Familie musste er vor der Partie der Bayern-Riesen in der "Freak City" überreden, überhaupt in die Halle zu kommen. Zu nervenaufreibend sei das, hieß es. Am Ende kam wenigstens seine Mutter und sah ein starkes Spiel ihres Sohnes. 77:89 (33:47) verloren die Münchner trotz 18 Punkten und acht Assists ihres 30-jährigen Regisseurs. Beim Saison-Halbzeit-Gespräch mit Süddeutsche.de schien der 113-fache Nationalspieler sich aber bereits von der Pleite erholt zu haben.

Brose Baskets Bamberg - FC Bayern Muenchen

Mit Drang zum Korb: Bayerns Nationalspieler Steffen Hamann.

(Foto: dapd)

Süddeutsche.de: Zuletzt in Bamberg waren wieder zahlreiche "Steffi, Steffi"-Gesänge der Fans zu hören - woher kommt eigentlich dieser Spitzname?

Steffen Hamann: Ich hatte früher für einen Basketballer relativ lange Haare. In der Viertelfinal-Serie 2003 gegen Bonn habe ich als junger Profi gut gespielt, weshalb die Bonner Fans versuchten, mich mit diesen Rufen aus dem Konzept zu bringen. Seitdem ist der Spitzname in der Bundesliga hängengeblieben. Heute wissen viele Zuschauer gar nicht mehr, warum ich so heiße - sie haben es einfach irgendwo aufgeschnappt.

Süddeutsche.de: Ausgerechnet in Bamberg, Ihrer früheren Heimat, zeigten Sie zuletzt eines Ihrer besten Auswärtsspiele - und verloren trotzdem. Verzweifelt man da langsam?

Hamann: Verzweifeln wäre zu drastisch. Wir müssten uns mehr Sorgen machen, wenn wir jedes Spiel mit 15 oder 20 Punkten verlieren würden. Meistens spielen wir über 30 Minuten ordentlich und dann passieren uns ein paar Aussetzer. Diese Schwächephasen kannst du dir nicht leisten, wenn du in fremden Hallen gut aussehen willst - wir benötigen die Ruhe, einen Vorsprung auch mal nach Hause zu bringen.

Süddeutsche.de: In Ulm verloren Sie in letzter Sekunde ...

Hamann: ... durch einen Wurf, den die Ulmer so wahrscheinlich nie wieder treffen. Das ist natürlich ärgerlich und trübt unsere Auswärtsbilanz (die Bayern gewannen nur eines von acht Spielen; Anm. d. Red.). Aber ehrlich gesagt: Ich mache mir keine großen Sorgen, dass wir das nicht in Griff kriegen.

Süddeutsche.de: Wie spüren Sie die Bürde der polarisierenden Klubmarke FC Bayern? Hemmt das bei Auswärtsspielen?

Hamann: Ich empfinde diesen Druck als sehr positiv, das motiviert mich. Egal wo wir antreten - die Hallen sind ausverkauft. Als deutscher Spieler bei den Bayern kriegt man das natürlich mit und selbst unsere Amerikaner verstehen mittlerweile, dass dieser Verein nicht irgendeiner ist. Die gegnerischen Fans sind ziemlich kreativ: Ich habe schon Maskottchen mit ausgezogenen Lederhosen gesehen und sogar Cheerleader, die den Schuhplattler machen. Aber das sollte uns nicht hemmen, sondern anspornen.

Süddeutsche.de: Einer Ihrer Kumpels ist Bastian Schweinsteiger. Können Sie inzwischen nachfühlen, wie es den Fußballern des FC Bayern mit ihrer exponierten Rolle geht?

Hamann: Klar, als deutscher Junge verfolgst du natürlich den Fußball und besonders die Bayern. Was die auswärts erleben, ist sicher nicht immer einfach. Der FC Bayern sah früher bei vermeintlich schwächeren Gegnern wie Cottbus auch oft schlecht aus, weil dort das ganze Stadion gegen sie ist. Wir spüren diese Bayern-Abneigung genauso. Aber das musst du abhaken, dann gewinnst du auch auswärts.

Süddeutsche.de: Sie stehen nach der Hälfte der Saison auf Platz zehn - damit können Sie nicht zufrieden sein, oder?

Hamann: Wenn du das Bayern-Emblem auf der Brust trägst und mit solch hohen Erwartungen in die Saison gegangen bist, sicher nicht. Doch uns fehlen nur ein paar Siege zu Platz vier. Das zeigt, wie ausgeglichen die Liga ist. Klar nervt uns unsere Auswärtsschwäche. Oft fehlte einfach das Glück. Aber wenn wir in der Rückrunde eingespielter auftreten, können wir locker unter die ersten vier kommen.

Süddeutsche.de: Ihr Trainer Dirk Bauermann bezeichnet den FCB gerne als "spannendstes Basketball-Projekt Europas". Was, wenn die Begeisterung wieder einschläft?

Hamann: Sicher ist unser erstes Jahr auch eine Art Findungsprozess. Wie viel Aufmerksamkeit der FC Bayern generiert, habe ich schon bei der EM im Sommer erfahren. Da fragten selbst die Nationalspieler aus anderen Ländern: "Was? Die Bayern spielen jetzt erste Liga? Kannst du mich da hinbringen?" Es fällt auch in Europa auf, dass hier etwas Großes entsteht. Deshalb wäre es sehr bitter, wenn wir nicht einmal die Play-offs erreichen. Ich bin aber überzeugt, dass wir es schaffen.

Süddeutsche.de: Manche kritisieren die Zusammenstellung des Kaders. Fehlt Ihnen nicht ein echter Anführer?

Hamann: Das ist unglücklich gelaufen. Erst sagte Sharrod Ford aus persönlichen Gründen ab, dann beendete Ruben Boumtje-Boumtje seine Karriere - und schließlich verletzte sich mit Je'Kel Foster unser eigentlicher "Go-to-Guy". Durch die EM und die ständigen Veränderungen im Kader hatten wir eine sehr kurze Vorbereitung, da gingen Leute wie ich auch etwas müde an den Start. Aber am Kader liegt es nicht. Wir haben eine der stärksten Mannschaften der Liga und wenn wir uns noch besser abstimmen, müssen wir über solche Themen gar nicht reden.

Süddeutsche.de: Zu Saisonbeginn lief es für Sie durchwachsen: Sie verloren ein paar Mal in wichtigen Situationen den Ball und wirkten geschlaucht.

Hamann: Ich würde nicht sagen, dass ich schlecht spielte. Als Aufbauspieler musst du deine Mitspieler kennen und wissen, wer wann und wo den Ball braucht. Die Systeme spielen sich erst nach und nach ein, das brauchte seine Zeit. Uns wird erst langsam klar, wie der andere tickt und was der Trainer will.

Süddeutsche.de: Ihr Trainer sagt, er habe Sie erst in den vergangenen vier Wochen nahe Ihrer Bestform gesehen. Stimmt das?

Hamann: Ja, ich habe zuletzt versucht, aggressiver zu agieren. Als Spielmacher war es nie mein Ziel, besonders viele Punkte zu erzielen. Ich spiele lieber für die Mannschaft, aber wenn es sein muss, helfe ich dem Team auch mit Zug zum Korb. Wichtig ist, dass wir zusammen funktionieren. Daran arbeiten wir.

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