FC Bayern:Ancelotti verzichtet auf eine Mondlandung am ersten Arbeitstag

FC Bayern: Der neue Bayern-Trainer Carlo Ancelotti bei seiner Ankunft in München.

Der neue Bayern-Trainer Carlo Ancelotti bei seiner Ankunft in München.

(Foto: AFP)

Der neue Bayern-Trainer gibt sich bei seiner Vorstellung bescheiden und weltoffen. Es geht auf der Pressekonferenz auch um den Rücktritt von Matthias Sammer.

Von Jonas Beckenkamp

Der Zauber der ersten Worte also, die Magie des Beginns, auf solche Effekte kann auch der große FC Bayern nicht verzichten. Wenn in diesem Unterhaltungsbetrieb ein neuer Trainer anheuert, können besondere Momente entstehen. Momente, wie jenen mit dem Fußballlehrer Josep Guardiola, der sich vor genau drei Jahren mit einem "Guten Tag und Grüß Gott, bitte verzeihen Sie mein Deutsch" vorstellte. Oder jenen mit dem renommierten Feierbiest Louis van Gaal, dessen Inauguration sich deutlich nassforscher anhörte: "Mia san mia. Wir sind wir - und ich bin ich."

Das war die Fallhöhe an diesem ersten Montag im Post-EM-Zeitalter, den der FC Bayern geschickt dazu nutzte, um sich mit Nachdruck zurückzumelden. Der deutsche Meister hat nach Wochen des Sommerbetriebes im Klubfußball ein gehöriges Stühlerücken hinter sich - und die wichtigste Personalie heißt Carlo Ancelotti. Seine ersten Worte lauteten vor einer Hundertschaft Reportern in der Münchner Arena: "Vielen Dank. Ich bin sehr glücklich und stolz, hier zu sein. Ich möchte Bayern dafür danken. Ich fühle mich sehr gut, weil ich bei einem der besten Klubs der Welt bin." Deutsch ist für Italiener ja nicht die leichteste Übung, aber dieser rundliche Mann aus Reggiolo hatte sich bestens vorbereitet: Ein Zettelchen half ihm durch dieses Babylon an deutschen Worten.

Ancelotti und Bayern, diese Beziehung begann mit einem unaufgeregten, weltgewandten Auftritt des 57-Jährigen, der auf seiner ersten Pressekonferenz neben Deutsch auch auf Italienisch, Englisch und Spanisch parlierte. Fehlt nur noch, dass sich der Mister auch Bairisch auf die Festplatte zieht. Im Vergleich zu Guardiolas Mondlandung in München verlief Ancelottis erster Arbeitstag aber unspektakulärer. Der mehrfache Champions-League-Gewinner gab einfache, auf Harmonie bedachte Antworten - er wolle schließlich "keine Revolution starten", sondern wünsche sich "eine enge Zusammenarbeit" mit dem Klub als Fundament seines Wirkens.

Nach Sammers Rücktritt ist die strategische Ausrichtung offen

Am engsten dürfte Ancelotti vorerst mit Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge kooperieren, der seine Verpflichtung federführend eingeleitet hatte. "Wir sind uns in Mailand gegenübergesessen", berichtete Rummenigge, der wegen seiner Zeit bei Inter naturalmente immer noch ein halber Italiener ist, "und da habe ich ihn gefragt, ob er unser Trainer werden möchte: Er hat ja gesagt. Das war keine lange Konversation." Reden werden sie beim FC Bayern in den kommenden Wochen aber schon müssen, denn es sind ja einige Gipfelgespräche zu führen: Nach Matthias Sammers plötzlichem Rücktritt vom Posten des Sportvorstands ist vor allem die strategische Ausrichtung des Vereins offen.

Wer mahnt in Zukunft?

Wer mahnt in Zukunft nach einem 4:1 gegen Hoffenheim vor dem Schlendrian? Wer "hält die Spannung hoch"? Wer betreut Bedürftige im Unzufriedenheitsfall? Rummenigge wusste darauf nur zu verkünden: Kaderplaner Michael Reschke wird es nicht sein. "Ihn brauchen wir in seiner bisherigen Rolle: Das ist das Scouting."

Dass Sammer sich in Folge eines im April erlittenen Schlaganfalls komplett vom Fußball zurückzieht, hat die Bayern durchaus überrascht - nicht einmal das Angebot eines Sabbaticals konnte Sammer umstimmen. "Ich habe in Gesprächen mit ihm verstanden, dass sich seine Sichtweise auf das Leben geändert hat", formulierte es Rummenigge. Dass der Klub Sammer nach dem dreifach verpassten Triple einfach vor die Tür setzte, darf also als unwahrscheinlich gelten.

Mit Ancelotti öffnet sich nunmehr eine neue Tür - und es könnten durchaus gemütlichere Tage werden an der Säbener Straße. Der Mann aus Reggiolo, den bei aller Professionalität stets die Aura eines Tortellini-Gourmands umgibt, zeigte sich um Wärme und Spielernähe bemüht: "Die Beziehung mit den Spielern ist für den Erfolg das wichtigste. Ich muss sie von meiner Idee überzeugen." Von der Getriebenheit und Detailvernarrtheit seines Vorgängers scheint dieser gemütliche Mensch weit entfernt zu sein. Den Stil Guardiolas und dessen Vorstellung vom Angriffsfußball, wolle er aber unbedingt fortsetzen, erklärte Ancelotti. Und so blieben am Ende nur noch zwei Fragen zu klären: Wie geht es mit Mario Götze weiter, den vor allem Rummenigge wohl gerne abgeben würde? Und wie steht Ancelotti zu bayerischem Brauchtum?

Über die Unterhaltung mit Götze will Ancelotti nichts verraten

Zu Götze sagte er: "So lange er offiziell Bayern-Spieler ist, behandle ich ihn auch so." Er habe mit Bayerns größtem Sorgenkicker gesprochen, die Unterredung solle aber vertraulich bleiben. Tendenz: Es ist kompliziert. Und die Sache mit dem Brauchtum erledigte sich dann von selbst: Der neue Bayern-Coach bekam von einer Trachtenkapelle beim Fototermin auf dem Rasen der Arena noch eine Krachlederne geschenkt. Die Magie dieses Kleidungsstücks darf Ancelotti dann bei seinem ersten Wiesn-Besuch genießen.

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