FC Bayern:Ancelotti droht das Guardiola-Schicksal

Der neue Bayern-Trainer sollte jenen Frühjahrsfluch überwinden, der Guardiola stets zum Verhängnis wurde. Die Hoffnung klebt an einer alten Bauernregel.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Es ist einfach unfair, allein dem Monat April die Schuld zu geben, wie es jetzt so viele versuchen. Zumindest der Monat Mai muss mit in Sippenhaft genommen werden. Denn im Mai fliegen die Bälle auch nicht besser. Jedenfalls nicht in München, was durch die Elfmeterplage des FC Bayern in der Champions League schmerzhaft bewiesen wurde. Am 3. Mai 2016 war es, als Thomas Müller im Halbfinale gegen Atlético Madrid vom Punkt wegweisend verschoss. Und Arturo Vidal wird nun jenen 12. April 2017 nie vergessen, an dem er so hart gegen den Ball trat, dass dieser heute noch auf dem Luftweg unterwegs in seine Heimatstadt Santiago de Chile sein dürfte. Gut, Vidals Elfmeter war unberechtigt, aber die Erinnerung an ihn wird sich, falls beim Rückspiel in Madrid nicht noch Wunderliches passiert, einbrennen ins ewige Gedächtnis des Vereins.

Welcher Fluch liegt nur über dem Frühjahr? In dem nun einem weiteren Trainer von Weltruf auf der Etappe München mehr als nur ein Zacken aus der Krone zu brechen droht. Carlo Ancelotti galt ja lange als eine Art Kontrastmittel, das dem Klub injiziert worden war. Der endlich jene spanische Mauer überwinden sollte, an der sein Vorgänger, Pep Guardiola, stets abgeprallt war, am FC Barcelona, an Real und Atlético. Von Ancelotti hieß es, er lasse es im Herbst gerne mal schleifen, um Energie zu bündeln für den Endspurt. Weil er eine Rezeptur habe gegen all die Tücken im Koppelmonat April/Mai.

Warum wurde Xabi Alonso ausgewechselt?

Zudem hieß es von Ancelotti, 57, er kenne nicht nur alle Geheimnisse von Real Madrid, er sei auch auf alle Wallungen vorbereitet, da würden ihm seine ländlichen Wurzeln helfen. Ancelotti ist als Landwirtssohn aufgewachsen in Reggiolo, in der Nähe der Stadt Modena, in seiner Kindheit lernte er nicht nur, wie man Kühe melkt, sondern wohl auch einen Satz kennen, der als alte Bauernregel gilt: "April, April - der macht, was er will."

Warum nur hat er jetzt Xabi Alonso ausgewechselt? Nachher sind immer alle schlauer, das ist das Berufsrisiko des Trainers, und jeder Wechsel bedeutet in den Schlüsselspielen ein Risiko - doch sollte das Hinspiel-1:2 in Madrid nicht mehr zu korrigieren sein, dürfte der frühe Knockout des FC Bayern auf ein schicksalhaftes Dreierlei reduziert werden: auf Lewandowskis malade Schulter, die ein Mitwirken im Hinspiel verhinderte, auf Vidals Elfmeter - und auf diesen Wechsel.

Zumal er dem sportiven Basiswissen zuwider lief, wonach man bei einem Platzverweis gegen die eigene Elf die Defensive stärkt. Besonders dann, wenn gegenüber unter anderem Cristiano Ronaldo steht. Es war die 61. Minute, Spielstand 1:1, in der sich Javi Martínez, der Innenverteidiger, fahrlässig aus dem Spiel foulte. Anstatt einen Stürmer zu opfern, Müller oder Ribéry, griff Ancelotti in die Statik ein und zog aus der Mittelfeld-Mitte Alonso ab, der den Laden halbwegs geordnet hatte. Eine Trainer-Spekulation, die nicht aufging: Alonsos Nebenleute, Vidal und Thiago, fühlten sich offenbar allein gelassen und verfielen in Melancholie. Eine der schwächsten Halbzeiten der FCB-Historie endete mit einer Torschussbilanz von 2:16, und Real reiste in dem Ärger zurück nach Madrid, die Dinge nicht bereits abschließend geklärt zu haben.

Der April ist ein Zwischenmonat, gerade in einer wetterfühligen Metropole wie München, wo keiner genau weiß: Geht's im April noch zum Skifahren? Oder schon an den See? Im April werden in München sogar die großen Trainer kleiner, jede Entscheidung wird plötzlich hinterfragt. Und jetzt klebt die Hoffnung an Lewandowskis Schulter und einer weiteren Bauernregel: "Wohl hundertmal schlägt's Wetter um, das ist des Aprils Privilegium."

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