FC Basel besiegt Manchester United:Zu groß für die kleine Schweiz

"Es fühlt sich wie ein Traum an": Der kleine FC Basel wirft das riesengroße Manchester United aus der Champions League. Der deutsche Trainer Heiko Vogel und einige hochbegabte Nachwuchsspieler verblüffen die Fußballwelt.

Thomas Hummel

Es gibt Momente, in denen bemitleidet man diesen Kaugummi im Mund von Alex Ferguson. Wenn sich im Gesicht des bald 70-jähriges Mannes orange und rote Flecken der Erregung und des Ärgers abzeichnen und sich dies in einem wildem Kau-Stakkato entlädt. Der Kaugummi, den er für das Spiel beim FC Basel ausgesucht hatte, erlitt ein wahrlich schauerliches Schicksal.

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Mit 20 Jahren feiert Torwart Yann Sommer den größten Moment seiner bisherigen Karriere.

(Foto: AFP)

Manchester United hat beim FC Basel 1:2 verloren. Ein Unentschieden hätte genügt, um das Achtelfinale zu erreichen, doch Trainer Alex Ferguson muss mit seinen Luxus-Spielern im Frühling 2012 durch die biedere Europa League touren. Linksverteidiger Patrice Evra sprach dem Klub aus der Seele: "Es ist peinlich. Es fühlt sich wie ein Traum an."

Auch für den FC Basel, für den gesamten Schweizer Fußball, fühlte sich dieser Abend im St. Jakob Park wie ein Traum an. Das Unvorstellbare war passiert. Ein Klub aus der kleinen Super League erlegte den Rekordmeister der riesengroßen Premier League, den Teilnehmer an drei der vergangenen vier Champions-League-Endspiele. Das Ausmaß des Ereignisses schien für viele gar nicht greifbar.

Da waren die 36.000 Zuschauer, die nach dem späten Anschlusstor der Engländer durch Jones vor ihren Sitzen standen, und als die letzten Bälle in den Basler Strafraum flogen die Hände vor den Mund hielten, vor Angst und Anspannung kaum mehr Anfeuern konnten. Da waren die Spieler, die nach dem Schlusspfiff ekstatisch auf dem Platz tanzten und jubelten, später aber ihren Unglauben mit sich herumtrugen. Torschütze Marco Streller sagte: "Mir fehlen die Worte. Und das heißt bei mir etwas."

Am meisten machte die Schweizer aber die eigene Leistung sprachlos. Zwar hatte Manchester United nach dem schnellen Rückstand durch das Tor von Streller nach neun Minuten mitunter den Basler Strafraum belagert, die Gäste hatten auch hin und wieder eine Gelegenheit auf den Torerfolg. Doch der FC Basel hielt immer wirksam dagegen: mit viel Laufarbeit, taktischer Disziplin und vor allem verloren die Schweizer selbst nach glücklichen Szenen nie die Fassung, behielten die Ruhe und wenn Manchester darauf hoffte, dass einer der vielen jungen Spieler beim FC Basel schon irgendwann einen Fehler begehen würde, wurde es enttäuscht.

Nur einmal mussten die Gastgeber das Glück zu Hilfe rufen. Als der deutsche Rechtsverteidiger Markus Steinhöfer den Ball bei einem verunglückten Klärungsversuch aus fünf Metern an die Unterkante der eigenen Latte schoss.

Der Erfolg der Schweizer führt zurück auf die solide Jugendarbeit im Land. Im vergangenen Jahr erreichte die U21-Nationalmannschaft das Endspiel der Europameisterschaft, einige dieser Spieler deuteten am Mittwoch an, dass ihnen die Super League wohl in Kürze zu klein werden wird. Der 20-jährige Yann Sommer im Tor strahlte die Ruhe eines dreimaligen Champions-League-Gewinners aus. Im defensiven Mittelfeld befreite der 19-jährige Granit Xhaka seine Mannschaft aus allen kniffligen Situationen, wenn Manchester doch mal Pressing versuchte (was es sogleich wieder einstellte). Im linken Mittelfeld rannte der 20-jährigen Fabian Frei unermüdlich auf und ab und verlor kaum einen Ball.

Bester Spieler: Xherdan Shaqiri

Der Höhepunkt Schweizer Ausbildungskunst findet sich im offensiven Mittelfeld, in Xherdan Shaqiri. Der 20-Jährige, der im Kosovo geboren wurde und als Kind in die Schweiz kam, bündelte in seinen 1,69 Meter Körpergröße mehr Dynamik als die gesamte Mannschaft von United. Enorm antrittsschnell, technisch sehr stark, leitete Shaqiri praktisch alle Angriffe der Basler ein. Auch die beiden Tore. Beide Male hetzte er scheinbar abgewehrten Bällen von Manchesters Abwehr hinterher, schlug scharfe Flanken in die Mitte, die beiden Angriffs-Routiniers Streller und Alexander Frei (84.) verwerteten sicher.

Auch an Selbstvertrauen fehlt es Shaqiri nicht. Schon in Manchester beim 3:3 im Hinspiel habe man gesehen, "dass sie verwundbar sind. Und man hat heute gesehen, dass sie unsicher gewesen waren."

Der Glaube an die eigene Stärke, die fehlende Angst vor dem großen Gegner trieb die Schweizer zum größten Erfolg in ihrer Champions-League-Geschichte. Zum ersten Mal steht eine Mannschaft des Landes im Achtelfinale. "Wir wollten es unbedingt. Bis in die Haarspitzen. Vom Headcoach angefangen bis zum Zeugwart bis zum Präsidium, alle wollten unbedingt heute das Spiel gewinnen", berichtete Steinhöfer.

Den Glauben daran vermittelte ihnen der deutsche Trainer Heiko Vogel. Der frühere Jugendtrainer des FC Bayern und langjährige Assistent von Vorgänger Thorsten Fink kam nach dem Wechsel seines Chefs zum Hamburger SV interimistisch an den Basler Chefposten. Doch inzwischen ist eine langfristige Verbindung Vogels sicher. "Meine Karten sind heute definitiv nicht schlechter geworden, auch über das Jahr hinaus Trainer zu bleiben", sagte er nach dem Spiel.

Vogel verblüfft die Schweizer mit großer Fachkenntnis und überlegter Mannschaftsführung. Trotz einiger schwieriger Charaktere wie Alex Frei stand am Mittwoch eine Einheit auf dem Platz, die füreinander da war und fußballerische Nachteile mit Einigkeit aufwog. Vogels feine Ironie kommt zudem gut an, zum Lattentreffer von Steinhöfer sagte er: "An guten Tagen macht er den."

Als Gegner im Achtelfinale könnten die Basler als Gruppenzweiter auf den FC Bayern treffen. Vogel verweigerte sich der Nennung eines Wunschgegners, ganz im Gegensatz zum Münchner Torwart Jörg Butt. "Wenn wir Basel kriegen, wäre das ein Los, mit dem wir gut leben können." Wenn er sich da mal nicht täuscht.

Und Manchester United? Tröstet sich damit, dass auch der Stadtrivale Manchester City in die Europa League muss. United beklagte in Basel die Verletzung von Kapitän Nemanja Vidic, der mit einer Knieverletzung vom Platz getragen wurde und einige Wochen ausfallen könnte. Zudem bedauert United den Ausfall von Wayne Rooney. Zumindest des Wayne Rooneys, der einmal Tore nach Belieben schoss. In Basel vergab er die größte Möglichkeit, als er am Fünfmeter-Raum mit rechts am Ball vorbeischlug, die Kugel stattdessen an sein linkes Standbein prallte und von dort aus zurück ins Feld.

Vielleicht baut ihn ja eine Nachricht vom Donnerstagmittag auf: Die Europäische Fußball-Union (UEFA) reduzierte die Drei-Spiele-Sperre gegen Rooney auf zwei Partien. Damit darf er zwar dennoch nicht mehr in der Champions League antreten in dieser Saison, aber bei der EM im Sommer zumindest das letzte Gruppenspiel gegen die Ukraine bestreiten.

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