FC Barcelona vor dem Rückspiel:Kurz ausgeruht im Sparmodus

Barcelona's Neymar celebrates his goal against Real Sociedad during their Spanish first division soccer matchat Nou Camp stadium in Barcelona

Trifft auch im Sparmodus: Barcelonas Neymar.

(Foto: REUTERS)
  • Vor dem Champions-League-Rückspiel beim FC Bayern erfreut sich der FC Barcelona an der fast schon gewonnenen Meisterschaft.
  • In München jedoch, so glaubt Trainer Enrique, wird sein Team "leiden" müssen.
  • Hier geht es zur Tabelle in Spanien.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Es war ein Gegröle, wie man es aus Sportbars und Pubs kennt, manchmal auch aus dem eigenen Wohnzimmer. Die Pressekonferenz lief erst seit einigen Minuten, tief unten, im Bauch des Camp Nou, kurz nach 20 Uhr, da drang durch die dünnen Wände der Umkleidekabine ein lauter Jubel herüber - einer ohne weiteren Deutungsbedarf. Die Spieler des FC Barcelona schauten sich nach ihrem eigenen, mühseligen 2:0-Sieg über Real Sociedad San Sebastián noch ungeduscht das Heimspiel des Verfolgers Real Madrid gegen den FC Valencia an, das gleich im Anschluss stattfand - live, am Fernsehen.

Und da fiel also gerade das 0:1 und kurz darauf das 0:2, als Barças Trainer Luis Enrique den Medien seine Analysen möglichst nüchtern verabreichte. Mitreißen ließ sich der dürre Asturier nicht von der Ausgelassenheit der Seinen, das tut er nie: "Schluss ist erst", sagte Enrique mit einer Mischung aus prophetischem Impetus und Hang zur Floskel, "wenn der Schlusspfiff fällt."

Nun, seine Vorsicht war keine Koketterie. Im Gegensatz zu allen anderen großen Meisterschaften Europas, wo die Trophäen schon vergeben sind, entscheidet sich Spaniens erfrischend unentschiedene Liga mal wieder erst ganz zum Schluss. Nur fragt sich, wann genau Schluss ist.

Real glich das Spiel gegen Valencia mit herzhaftem Trotz und Toren von Pepe und Isco noch aus und liegt nun plötzlich vier Punkte hinter Barça. Zwei Spieltage sähe der Kalender noch vor. Doch ob sie auch gegeben werden, ist nicht klar: Der spanische Fußballverband hat einen Streik angekündigt für den Fall, dass in den nächsten Tagen keine genehme Lösung in der unseligen Frage um die Fernsehrechte gefunden würde. Es kann also sein, dass die spanische Meisterschaft nun schon vor dem regulären Schluss - dem allerletzten Schlusspfiff, um es mit Luis Enrique zu sagen - schon zu Ende ist. Wahrscheinlicher aber ist, dass der Verband und die Profivereinigung, deren Präsidenten sich seit vielen Jahren giftig anfeinden, eine Lösung finden werden. Und sei es nur eine provisorische Einigung fürs Wohl des "Fútbol", der sich ja wieder einige Meriten fürs Vaterland verdient, auch international.

Champions League - Halbfinale: die Rückspiele

Dienstag, 12.5., 20.45 Uhr, ZDF FC Bayern München - FC Barcelona (Hinspiel 0:3)

Mittwoch, 13.5., 20.45 Uhr Real Madrid - Juventus Turin (Hinspiel 1:2)

Finale: Samstag, 6. Juni, 20.45 Uhr, in Berlin.

Barça ist nun also schon fast Meister, gefühlt sowieso, da sind sich die Kommentatoren einig. Die Katalanen könnten es sich nun sogar leisten, am nächsten Wochenende, sofern denn gespielt wird, auswärts gegen Atlético Madrid zu verlieren, was ja durchaus mal passieren kann. Spätestens in der letzten Begegnung aber, daheim im Camp Nou gegen Deportivo La Coruña, kann das eher nicht passieren.

Aber zunächst noch einmal zurück zum Samstagabendspiel gegen die Basken von Real Sociedad, die Elften der Liga, gecoacht von David Moyes, dem ehemaligen Trainer von Manchester United. Es war, als wäre Barcelona noch immer angeheitert gewesen von den vielen Emotionen und Elogen, die sich nach dem 3:0 über den FC Bayern in der Champions League über sie ergossen hatten. Ganze Sturzbäche davon.

Fünf Änderungen in der Startelf

Enrique rotierte an der Stammelf, variierte auf fünf Positionen. Nur der Wundersturm mochte und durfte nicht pausieren, spielte aber zu zwei Dritteln im Sparmodus: Lionel Messi zog einige Bälle mit kurviger Flugbahn über die Köpfe der Gegner zu seinen Kameraden, schlurfte dann aber auch öfters mal im Schatten; Luis Suárez grub sich etwas weniger tief in die Abwehr, wie er das sonst tut, und verstolperte viele Bälle aus schierer Unkonzentriertheit.

Frisch und willig schien nur Neymar Junior zu sein, dem auch das 1:0 gelang, sein nunmehr 50. Tor, seit er bei Barça ist. Doch die Führung beruhigte niemanden, da war wenig Seele im Spiel. Für die letzten zehn Minuten brachte Enrique dann Pedro Rodríguez als vierten Stürmer. Der junge Mann von den Kanarischen Inseln, ein allseits beliebter Spieler, verlor in den letzten Monaten wegen der Erfolge des Star-Trios im Sturm seinen Status und seine Freude. Es heißt, er suche nach einem neuen Verein. Viel Zeit brauchte er nicht, um den Fans seine Klasse in Erinnerung zu rufen: Mit einem potenten Fallrückzieher, der dann einmal jeder Rückschau auf die Saison gut anstehen wird, sicherte Pedro Barça den Sieg, entledigte sich den Umarmungen der Mitspieler und feierte stattdessen mit den anderen Geschmähten, den Ersatzspielern in Zivilkleidern, die hinter der Bank auf den Rängen saßen. Ein Misston, aber nur ein feiner.

Man fährt also mit ausgeglichenem Gemütszustand nach München zum Rückspiel. Natürlich widerstand Luis Enrique der Versuchung, den Gegner gering zu schätzen: "Ich habe keine Zweifel daran, dass wir leiden werden in München", sagte er. Im Fanblock hinter dem Tor sehen sie den Besuch in München aber wie einen lockeren Transit, wie eine Formalität, eine Passkontrolle: "Propera Parada Berlin", stand da auf Katalanisch auf einem Spruchband, "Nächster Halt Berlin."

Zum Finale in der Königsklasse will auch Real Madrid. Jetzt, da die Liga definitiv kompromittiert zu sein scheint, will man noch unbedingter nach Berlin als zuvor schon. Um Barça das mögliche Triple zu vermiesen, den Totaltriumph, sollte es denn nicht kolossal untergehen in München. Und um selber doch noch einen Titel zu gewinnen, die Saison zu retten. Viel Kraft bleibt aber nicht übrig. Gegen Valencia schärfte sich auch das Verletzungsproblem neu: Toni Kroos ließ sich schon nach 25 Minuten auswechseln, nachdem er bei einem Sturz aus akrobatischer Höhe einen Schlag aufs Becken abbekam. Ob er sich für das Rückspiel in der Champions League gegen Juventus Turin erholt, war zunächst nicht klar. Immerhin muss man ja gegen die Italiener gewinnen, wenn man nach Berlin fahren will.

Unverletzt, aber doch etwas angeknackst gelangt Cristiano Ronaldo in diese entscheidende Phase. Gegen Valencia vergab er einen Elfmeter, was an sich keine Schande wäre: Diego Alves, der brasilianische Torwart, parierte nun schon 16 von 37 Strafstößen, seit er in Spanien arbeitet. Fast jeden zweiten also. Doch CR7 gehört nun mal nicht gerne zur Hälfte der Versager. Da kann sich bei ihm schnell ein monumentales Gefühl der Ungerechtigkeit entwickeln, das dann auf dem Gemüt lastet. Bis zum nächsten Tor.

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