FC Barcelona: Piqué und Puyol:Das Model und Braveheart

Alles spricht von der Barça-Offensive - doch ohne die Verteidiger Gerard Piqué und Carles Puyol wäre sie nur die Hälfte wert. Im Champions-League-Rückspiel an diesem Dienstag gegen Real wird der eine dem anderen wieder ein Ohr abkauen.

Javier Cáceres

Manchmal wird Gerard Piqué, Verteidiger des FC Barcelona, sentimental. Gefühlsduselig. Aber nicht in abgetrennten Räumen schummriger Restaurants, sondern auf dem grünen Rasen, wenn Zehntausende auf den Rängen Ferkeleien grölen und auf dem Platz der Männerschweiß allmählich seinen mühsamen Kampf übers Deo gewinnt. Erzählte Piqué selbst, in der Zeitung El País.

Real Madrid's Cristiano Ronaldo looks at the ball next to Barcelona's Puyol and Pique during their Champions League semi-final first leg soccer match in Madrid

Carles Puyol (l.) und Gerard Pique, eines der besten Verteidiger-Paare der Welt.

(Foto: REUTERS)

Neulich, in der Kathedrale von Bilbao, wie das Stadion von Athletic genannt wird, habe er ein Gespräch gesucht, weil doch Carles Puyol, sein Abwehrkollege und Kapitän, nach mehrmonatiger Verletzungspause zurückgekehrt war. "Und ich sagte zu ihm: Puyi, et trobava tant a faltar". Das ist Katalanisch und heißt: "Ich habe Dich so vermisst!"

Doch Puyol wollte Piqués Seufzer nicht hören, sondern wies ihn rüde ab: "Konzentrier' Dich gefälligst!"

Dem Verhältnis zwischen Piqué und Puyol hat das keinen Abbruch getan, sie wissen viel zu gut, was sie aneinander haben. Dass sie jenseits des Rasens harmonieren und sogar ihre Freizeit miteinander verbringen, wissen die Spanier spätestens, seit Piqué seine Liaison mit der kolumbianischen Sängerin Shakira bestätigte - und auch Puyol und weitere Freunde auf dem Bild zu sehen waren.

Jeder redet, zu Recht, über die Allmacht der Offensive des FC Barcelona: Doch diese wäre wohl nur halb so viel wert, wenn Puyol/Piqué nicht schon im dritten Jahr das Herz der Defensive des Klubs bilden würden. Auf das Duo wird es diesen Dienstag im Rückspiel des Champions-League-Halbfinales ankommen, denn Real Madrid will ein 0:2 aufholen, um das Finale noch zu erreichen.

Es ist ein ungleiches Paar, optisch, fußballerisch, mental. Piqué, 24, ist hochgewachsen und modelt für eine spanische Modefirma; Puyol würde mit seiner langen Mähne eher als Komparse für die Braveheart-Verfilmung taugen. Piqué stammt aus dem städtischen Bürgertum Barcelonas, Puyol wuchs im Hinterland der katalanischen Metropole auf.

Piqué: Ein Verteidiger neuen Typs

Piqué wurde schon mit zehn Jahren in der Jugendabteilung Barcelonas aufgenommen; Puyol fing erst mit 15 an, im Verein Fußball zu spielen, und musste sich beim FC Barcelona energisch durchbeißen, um wenigstens in der dritten Mannschaft eine Chance zu bekommen. Piqué hat nicht nur Shakira, sondern auch reichlich Schabernack im Kopf: Wenn den Kollegen in der Kabine Handys, Batterien oder Kleidungsstücke abhandenkommen, steckt meist er dahinter.

Puyol, 30, hingegen ist der Kapitän, der Piqué auch dann zusammenstaucht, wenn Barça 4:0 führt. Puyol hält nicht nur die Konzentration, sondern auch die Moral hoch. Sechs Mal hat Barcelona in der laufenden Saison verloren, zuletzt am Samstag mit 2:3 in San Sebastián: Kein einziges Mal war Puyol in der Startformation.

Trotz seines späten Karrierestarts ist es kurioserweise Puyol, der ununterbrochen bei Barça gespielt hat. Piqué hingegen ging mit 16 zu Manchester United - und traf dort unter anderem mit Cristiano Ronaldo zusammen, der heute der Prominenteste im Real-Sturm ist (und auch wegen Piqué noch kein Tor aus dem Spiel heraus gegen Barcelona erzielt hat). Piqué hat oft gestanden, wie schwer es ihm fiel, in Manchester und ganz auf sich allein gestellt zu leben. Doch womöglich hat ihm das eine Anpassungsfähigkeit verliehen, die Barcelona in dieser Saison sehr zupass gekommen ist.

Denn wegen der Verletzungen Puyols (bislang nur 25 Pflichtspiele) war Piqué (46 Spiele) gezwungen, mit wechselnden Partnern zu agieren. Und so war Piqué in der Rolle des Puyol - des Mannes also, der seinem Nebenmann das Ohr abkaut. In Mannschaften wie Real und Barcelona als Innenverteidiger zu agieren, ist undankbar und riskant.

Es gibt wenige Szenen, um sich zu beweisen. Einige der besten Verteidiger der Welt haben dem Stress nicht standhalten können. Piqué nimmt das nicht nur hin: Er verdoppelt den Einsatz sogar. Auf ihn kommt es nicht nur in der Zerstörung gegnerischer Angriffe an, sondern vor allem in der Spieleröffnung.

Weil Barcelona oft auf statische Gegner trifft, ist er zu einem Verteidiger neuen Typs geworden. Denn dass er den Ball bisweilen aufreizend lange führt, ist strategisch bedingt. Er spekuliert darauf, dass sich jemand aus dem gegnerischen Abwehrverbund löst - und dadurch Räume öffnet, die von den Offensivkräften ausgenützt werden. Er genießt das, er hat einen Hang zum Angriff.

"Piqué ist ein so guter Abwehrspieler, dass man meinen könnte, er wäre ein Stürmer", hat Alex Ferguson, Trainer von Manchester United, einmal gesagt. Nicht nur Piqué hat Tordrang, auch Puyol, der gegen Deutschland bei der WM 2010 ein freches Kopfballtor erzielte. Beide beweisen: Stürmende Verteidiger sind kostbar.

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