FC Augsburg:Stress im Idyll

Trainingslager FC Augsburg

Dehnen für die Rückkehr: Der ehemalige Nationalspieler Piotr Trochowski könnte sein Debüt für den FCA bei seinem früheren Arbeitgeber FC Bayern geben.

(Foto: Daniel Naupold/dpa)

Beim FC Augsburg ist die Lage vor der Premiere in der Europa-League ungewöhnlich angespannt.

Von Maik Rosner

Auf so ziemlich alles haben sie sich beim FC Augsburg eingestellt, aber nun sind sie doch ein bisschen überrascht worden. Eine schwierige Saison haben ihnen die Experten prophezeit, und auch beim FCA haben sie sich damit auseinander gesetzt, dass es nicht zwingend so prächtig weitergehen muss wie in den vergangenen Jahren. Zuletzt war ja gar die erstmalige Qualifikation für die Europa League gelungen, und in Augsburg haben sie voller Vorfreude das Image des kleinen FCA gepflegt, den niemand kennt und der nun den Kontinent überraschen will wie zuvor die Bundesliga. Dass es durch die anstehenden Spiele im Drei- bis Viertage-Rhythmus im Kerngeschäft knifflig werden kann, war ihnen bewusst. Dass die Lage allerdings schon vor der Premiere in Europa am Donnerstag bei Athletic Bilbao angespannt ist, haben sie so wohl nicht einkalkuliert.

An diesem Samstag tritt der FC Augsburg beim großen Nachbarn FC Bayern an, und gemessen an den bisherigen Vergleichen mit dem deutschen Branchenführer könnten die bayerischen Schwaben eigentlich mit einiger Zuversicht nach München fahren. Doch gemeinerweise hat sich die Saison entschlossen, für den FCA schon kompliziert zu werden, bevor die komplizierte Phase mit den Spielen in Europa überhaupt begonnen hat. Wohl auch deshalb sagt der Trainer Markus Weinzierl verhalten, die Münchner seien der "haushohe Favorit mit lauter Superstars". Sein Optimismus von Amts wegen klingt noch etwas gedämpfter als ohnehin vor Spielen gegen die Bayern. Man werde "versuchen, einen Punkt zu holen", sagt Weinzierl, "aber dafür müssen wir über uns hinauswachsen und brauchen einen Sahnetag." Er ahnt vermutlich, dass dieser Samstag selbst für ein Unentschieden wohl noch ein bisschen sahniger ausfallen müsste als bei den vorherigen zwei 1:0-Siegen gegen Pep Guardiolas Weltauswahl, die damals jeweils schon Meister war.

Dabei könnten sie eine mittlere Sensation gerade besonders gut gebrauchen. Ein Pünktchen aus drei Ligaspielen kann Weinzierls Elf als Ertrag in der laufenden Saison erst vorweisen. Vielleicht auch, weil die Zugänge bisher wegen Verletzungen kaum eine Rolle spielen und sich nicht als Verstärkung erweisen konnten. Gegen die Münchner fehlt neben den erkrankten oder verletzten Philipp Max, Daniel Opare und Sascha Mölders zudem Caiuby, der das bisher einzige Ligator der Saison erzielt hat. Nach dem Spiel in München stehen in der Liga auswärts die Auftritte bei Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund an. Es könnte ein recht ungemütlicher Herbst werden, das ahnen sie auch in Augsburg, allein schon wegen der mindestens 21 Spiele bis Weihnachten.

Nebenbei muss sich der Trainer mit einer Anzeige von einem seiner ehemaligen Regensburger Spieler befassen, der Weinzierl nach einem Disput auf dem Gäubodenfest in dessen Heimat Straubing Körperverletzung vorwirft. Der Trainer hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet und dem Vorwurf widersprochen, handgreiflich geworden zu sein. Eine verbale Auseinandersetzung bestreitet er nicht. Und dann gab es ja auch noch intern Dissonanzen, nachdem der langjährige Augsburger Angreifer Mölders nicht für die Europa League nominiert wurde. Dessen Ehefrau trug die Enttäuschung via Facebook in die Öffentlichkeit.

"Das wichtigste Spiel ist das gegen Hannover", sagt Weinzierl vor dem Spiel gegen die Bayern

Es hat eine ungewohnte Unruhe Einzug gehalten im Ligaidyll, das bisher vor allem dafür bekannt war, die branchenübliche Aufregung lieber anderen zu überlassen und derweil im Stillen pfiffig an neuen Überraschungen zu werkeln. Nun haben aber auch den FCA gewisse Stresssymptome erfasst. Es wirkt ein bisschen, als kämpften sie gerade gegen eine sich selbsterfüllende Prophezeiung an. Und als drehe sich zu viel um Europa und zu wenig um die Alltagspflichten. Ob man mit der ungewohnten Belastung tatsächlich fertig werde, "kann ich erst später sagen, so in zwölf Wochen", sagt Weinzierl.

Beim FC Augsburg versuchen sie in der kniffligen Situation gewisse Vorzüge zu erkennen. Sie stehen ja nun quasi wieder an jenem Punkt, den sie schon häufiger erlebt haben. Ein mäßiger Saisonstart gehört schon beinahe traditionell zu den Augsburgern, verbunden mit geringen Erwartungen für die weiteren Spiele. Vielleicht liegt darin auch eine Chance, so hoffen sie jedenfalls. Eine solche sehen sie auch in zwei Zugängen, die bereits in München mitwirken könnten. Ja-Cheol Koo haben sie kurz vor der Transferfrist beim FSV Mainz 05 für angeblich fünf Millionen Euro ausgelöst. Zudem könnte endlich auch der ehemalige Nationalspieler Piotr Trochowski nach seiner ausgestandenen Meniskusverletzung sein Debüt für den FCA bei seinem früheren Arbeitgeber FC Bayern geben. Nicht nervös zu werden, hält der 31-Jährige nach dem missglückten Saisonstart für wichtig. "Es ist nur eine Momentaufnahme. Wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken und alles hinterfragen", sagt Trochowski.

Weinzierl stehen also zwei erfahrene Mittelfeldspieler mehr zur Verfügung, die spätestens nach den Partien in München und Bilbao mithelfen sollen, wieder für Ruhe im Idyll zu sorgen. "Das ist eine Woche mit zwei Highlights", hat Weinzierl ja gesagt, "aber das wichtigste Spiel ist das gegen Hannover." Gemeint war das kommende Heimspiel am Sonntag in einer Woche. Unangenehme Überraschungen sind dafür nicht eingeplant.

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