FC Augsburg:Gespenst ohne Gewand

Sprung auf Platz zehn: Raul Bobadillas Siegtor in der Nachspielzeit beschert dem FC Augsburg neue Gelassenheit. Für Werder Bremen, das eine 2:1-Führung herschenkt, wird die Lage im Abstiegskampf bedrohlich.

Von Maik Rosner, Augsburg

Nach dem Spiel lief Raúl Bobadilla mit nacktem Oberkörper durch die Katakomben der Arena, noch immer ähnlich euphorisiert wie das Augsburger Heimpublikum nach dem Siegtor des Angreifers in der Nachspielzeit. Ob er sein Trikot nicht wiedergefunden hatte, nachdem er sich entblößt hatte beim Torjubel, oder ob es den Besitzer gewechselt hatte, ließ sich nicht mit Gewissheit klären. Wichtiger erschien für den Moment ohnehin der Eindruck, den Bobadilla mit seinem umfangreich tätowierten Oberkörper hinterließ. Auf die bitter geschlagenen Bremer, musste er wirken wie das personifizierte Abstiegsgespenst ohne Gewand.

Von "Wahnsinn" war nach dem turbulenten 3:2 (1:1) des FC Augsburg gegen Werder Bremen bei beiden Mannschaften die Rede - nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln. "Ein Wahnsinn, dass wir dieses Spiel noch gewonnen haben", sagte FCA-Geschäftsführer Stefan Reuter. "Wahnsinn, dass wir so ein Spiel verlieren", fand Bremens Zlatko Junuzovic, "das darf nie und nimmer passieren, weil wir eigentlich die bessere Mannschaft waren. Mit solchen Fehlern stehen wir zurecht da unten drin."

FUSSBALL  1.BUNDESLIGA

Familienfest: Siegtorschütze Raul Bobadilla (rechts) hat seinen Nachwuchs zum Feiern mitgebracht.

(Foto: Hans Rauchensteiner)

Kampfhandlungen und Fehler auf beiden Seiten sorgen für Spannung bis zur Schlusspointe

Nach der dritten Niederlage in Serie verharren die Bremer mit einem sehr überschaubaren Ertrag von 16 Punkten auf Tabellenplatz 15, punktgleich mit dem Hamburger SV auf dem Relegationsplatz. "Jetzt ist es Überlebenskampf pur", sagte Junuzovic, Manager Frank Baumann ahnt, dass dieser wohl bis Saisonende anhalten dürfte: "Da haben wir ab heute Gewissheit, dass wir uns darauf gefasst machen müssen." Auch Trainer Alexander Nouri stellte sich auf "eine jetzt noch längere Reise ein". Die Augsburger hingegen können mit 24 Punkten von Platz zehn aus allmählich gelassener aufs Untergeschoss schauen.

Dabei hatte Werder am Sonntag beste Voraussetzungen, das Spiel zu gewinnen. Serge Gnabry hatte die Gäste mit einem Antritt auf den Weg gebracht, das Foul von Martin Hinteregger bescherte einen Elfmeter, und Max Kruse verwandelte in der 65. Minute zum 2:1 für die Bremer. Dass es dennoch zur späten Niederlage kam, lag zunächst am Augsburger Ja-Cheol Koo, der eine Flanke von Kapitän Paul Verhaegh volley ins Netz lenkte (2:2/79.). Und dann eben vor allem an Bobadilla, dem in der Nachspielzeit mit dem 3:2 die Schlusspointe gelang. Zuvor hatten bereits Bremens Theodor Gebre Selassie (26.) und Augsburgs Jonathan Schmid (28.) getroffen.

FC Augsburg v Werder Bremen - Bundesliga

Offener Schlagabtausch: der Bremer Ulisses Garcia (links) und der Augsburger Jonathan Schmid.

(Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Es hatte sich ein Spiel entwickelt, das als typisch für den Vergleich zweier Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel angesehen werden durfte: viele Zweikämpfe, Unsauberkeiten im Passspiel und ein wenig Scheu vor offensivem Risiko. Dennoch führten die ähnliche Grundausrichtung und die sonstigen Gemeinsamkeiten beider Teams im Abstiegskampf nicht zu einem Spiel, das die Zuschauer an diesem schönen Wintersonntag enttäuschte - und das lag an der Spannung, die sich auch aus so mancher Unzulänglichkeit ergab.

Ein wegweisendes Spiel war es zudem gewesen. Für die Augsburger, die nach dem 2:1-Sieg in Wolfsburg und zuletzt sieben Punkten aus vier Auftritten unter dem neuen Cheftrainer Manuel Baum vor der Aussicht standen, sich mit einem weiteren Sieg in einigermaßen gesicherte Mittelfeld-Gefilde abzusetzen. Und auch für die Bremer, die vor der Frage standen, ob sie nach zwei knappen 1:2-Heimniederlagen gegen Dortmund und den FC Bayern tatsächlich in der Lage sind, eine gute Figur auch unter ganz anderen Voraussetzungen abzugeben. Nämlich dann, wenn sie gefordert sind, nicht nur hübsch zu kontern, sondern auch einen eher abwartenden Gegner in Unannehmlichkeiten zu bringen.

Die besten Sprüche des Spieltags

"Man hat nicht immer das Glück, dass man die Kuh vom Eis kriegt." FC-Bayern-Torwart Manuel Neuer nach dem 1:1 gegen Schalke mit Blick auf die vorangegangenen 2:1-Zittersiege in Freiburg und Bremen.

"Wir hatten keinen Punkt verdient. Aber ich hätte mich auch über einen unverdienten Punkt gefreut." Leipzig-Coach Ralph Hasenhüttl über den Last-Minute-Treffer von RB-Profi Palacios-Martinez in Dortmund, der wegen Abseitsstellung nicht galt.

"Habe ich?" - "Hast du!" Dialog zwischen Kölns Trainer Peter Stöger und FC-Geschäftsführer Jörg Schmadtke nach der Frage, ob der Coach eine Europapokal-Prämie in seinem Vertrag stehen habe.

"Vom Gefühl her waren wir ganz gut." Mainz-Trainer Martin Schmidt nach dem 0:4 in Hoffenheim.

"Wir habe in unserem Kader auch in der Tiefe gute Spieler." Hoffenheim-Profi Mark Uth.

Am Ende ließ sich feststellen, dass dies trotz mehr Ballbesitz und einem zwischenzeitlichen Chancenplus den Gästen nur bedingt gelungen war. Ein bisschen sorglos ließen die Bremer bei allem Engagement eben auch einige Konter zu, und die eigenen Angriffe gerieten zwar sehr bemüht. Für die Abschlüsse galt das aber oft auch. Der offene Austausch von Kampfhandlungen und Ungenauigkeiten blieb dem Publikum in der zweiten Halbzeit ebenso erhalten wie der durchaus hohe Spannungswert. Nur die Unterhaltung litt nun zusehends, weil sich beide Mannschaften immer mehr ineinander verhakten. Das galt auch für jene Szene, in der Gnabry im Strafraum mit Hinteregger kollidierte und Kruse den anschließenden Foulelfmeter sicher verwandelte. Aron Johannsson und Gnabry vergaben später das mögliche 3:1 für Werder. Dann kam stattdessen Koo - und anschließend sogar noch Bobadillas Pointe. "Für mich ist es eine positive Überraschung, wie schnell er wieder in der Lage ist, über 90 Minuten gehen zu können", erinnerte Reuter an Bobadillas Verletzungen im ersten Halbjahr. Der Spieler hatte sie in der Euphorie längst vergessen.

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