FC Augsburg:Die irritierende Anhäufung des Glücks

Augsburg Leroy Sane FC Schalke 04 rechts Caiuby FC Augsburg FC Augsburg vs FC Schalke 04

Seit Sommer 2014 in Augsburg - aber nur selten im Mittelpunkt: Caiuby Francisco da Silva (rechts) gibt nun den jüngsten Fügungen beim FCA ein Gesicht.

(Foto: Eibner/imago)

Caiuby, Siegtorschütze in letzter Minute gegen den FC Schalke 04, steht für die Wucht der zweiten Reihe beim FCA.

Von Maik Rosner

Beinahe schüchtern sprach Caiuby. Immer wieder drehte er den Kopf zur Seite, den Blickkontakt vermied er meist, nur seine prächtigen Locken wippten keck umher. Für den Mitarbeiter des Sonntags beim FC Augsburg war das schon eine erstaunliche Zurückhaltung. Denn er hatte ja die Partystimmung und wilden Freudentänze um ihn herum ausgelöst, mit seinem Volleyschuss in der zweiten Minute der Nachspielzeit zum 2:1 (1:0) gegen den FC Schalke.

Verlegen gab Caiuby Francisco da Silva nun Auskunft, doch zumindest inhaltlich ließ er erkennen, dass es um seine Selbstsicherheit durchaus gut bestellt ist. "Ich habe nur gehofft, dass der Ball auf meinen Kopf oder Fuß fällt. Und wie man gesehen hat, habe ich den perfekt getroffen", berichtete der 27-Jährige von jener Szene, die eine besondere Woche in eine "gigantische Woche" verwandelt hatte, wie Geschäftsführer Stefan Reuter bilanzierte.

Erst seit der Verletzung von Tobias Werner darf Caiuby sich zum erweiterten Stamm zählen

Eine Flanke von Markus Feulner war über Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes bei Caiuby gelandet und von diesem mit einem wuchtigen Volleyschuss verwertet worden. Der Makel, dass Feulner die Flanke im Stile eines baggernden Volleyballers unerlaubt vorbereitet hatte, wurde von Caiubys Freude überstrahlt, jedenfalls auf dem Platz. "Da musste man schon die Emotionen rauslassen", sagte er zu seinem Jubel. Er lächelte.

Seit seinem Wechsel im Sommer 2014 vom damaligen Zweitligisten FC Ingolstadt stand der Offensivspieler aus São Paulo selten im Mittelpunkt. Erst seit der Verletzung von Tobias Werner darf er sich zum erweiterten Stamm zählen. Und vielleicht ließ sich sein verhaltenes Auftreten auch auf die irritierende Anhäufung glücklicher Fügungen zurückführen. Zumal hinter den Augsburgern ja ein erstes Saisondrittel liegt, in dem so ziemlich alles schief lief. Nach zwölf Spielen standen nur sechs Punkte und 13 Tore, aber bereits 25 Gegentreffer in der Ligabilanz. Vier Partien später sind zehn Zählern hinzugekommen - und nur ein Gegentor. Auch deshalb, weil vor zehn Tagen beim 1:0 in Köln Torwart Marwin Hitz erst den Elfmeterpunkt zertrampelte und dann jenen Strafstoß parierte, bei dem Anthony Modeste ausrutschte. Am Donnerstag hatte Raul Bobadilla in der 89. Minute via Innenpfosten zum 3:1 bei Partizan Belgrad eingeköpfelt und so den Einzug in die Zwischenrunde der Europa League auf den letzten Drücker ermöglicht. Und nun also Caiubys noch spätere Pointe nach Volleyball und Volleyschuss.

Am Montag folgte die Auslosung der Zwischenrunde in Europa, die dem FC Augsburg den Wunschgegner FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp bescherte. "Die Vorfreude ist riesig. Jeder hat gejubelt", sagte Trainer Markus Weinzierl. Bereits an diesem Mittwoch kommt Klopps ehemaliger Verein Borussia Dortmund im Pokalachtelfinale zum FCA. "Ich traue meiner Mannschaft alles zu", sagte Weinzierl.

Auch durch Spieler wie Hong hat das Team wieder zu seinem rauflustigen Stil zurückgefunden

Es ist für sie kaum zu fassen, was gerade alles zusammenkommt. Aber in Augsburg finden sie schon, dass sie sich das Glück auch mit Zusammenhalt und Beharrlichkeit erarbeitet haben. Und ebenso mit ihrem breiter aufgestellten Kader. Mit der Wucht der zweiten Reihe haben sie ja zu sich selbst und ihrem rauflustigen, geradlinigen Stil zurückgefunden. Innenverteidiger Jeong-Ho Hong ist dafür ein Beispiel. In Belgrad war er für Jan-Ingwer Callsen-Bracker eingewechselt worden, nachdem dieser mit einem Wadenbeinbruch ausgeschieden war. Hong traf dort zum Ausgleich und gegen Schalke zum 1:0 (34.), ehe Sead Kolasinac das 1:1 erzielte (70.). Noch mehr als Hong steht Caiuby für die Wucht der zweiten Reihe im Kader des FCA. In Belgrad war auch der Brasilianer eingewechselt worden und hatte Bobadillas 3:1 vorbereitet. Nun erweiterte er Augsburgs Lauf mit seinem Kunstschuss.

"Es ist klasse, dass er sich mit so einem traumhaften Tor belohnt für die Entschlossenheit, mit der er da abzieht. Er hat sehr viele Meter gemacht. Dass er dann noch in der letzten Minute die Konzentration und Ruhe hat, den so reinzuschmettern: Kompliment", lobte Reuter. Der Geschäftsführer fühlt sich nun auch in Sachen Kaderarchitektur bestätigt. Winterzugänge seien nicht ausgeschlossen, "aber ich gehe eher davon aus, dass nichts passiert", sagte er. Zumal sichtbar werde, "dass wir einen breiteren Kader haben als in den Vorjahren. Wir können also schon reagieren." Vielleicht sollte Reuter aber besser schnell noch Caiubys und das Augsburger Glück fest verpflichten.

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