FC Augsburg:Das zweite Gesicht

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"Er hat uns den Arsch gerettet": Halil Altintop ging im Augsburger Abstiegskampf voran. (Foto: Deniz Calagan/dpa)

Augsburg zeigt im Abstiegskampf neue Charakterstärke und sichert sich gegen Hoffenheim den Klassenverbleib.

Von Markus Schäflein, Sinsheim

Die Spieler des FC Augsburg erschienen nacheinander in der Mixed Zone, mit ihren roten Klassenerhalts-T-Shirts, die darauf hinwiesen, dass die Schwaben mindestens ein siebtes Jahr in Serie in der ersten Bundesliga verbringen werden. Die meisten gaben, wer will es ihnen verdenken nach der emotionalen Anspannung dieses Samstagnachmittags, die erwartbaren, auf merkwürdige Weise zugleich glückseligen und abgeklärten Statements ab. Wer es lieber etwas genauer wissen wollte, warum der FC Augsburg den Klassenverbleib geschafft hatte, der musste dann schon Andreas Luthe fragen.

Der Torhüter, das ganze Jahr in der zweiten Reihe, in den letzten und entscheidenden Spielen gegen die Champions-League-Anwärter Dortmund (1:1) und nun in Hoffenheim (0:0) unverhofft im Mittelpunkt, gab bemerkenswerte Einblicke ins Innenleben der Mannschaft. "Diese Mannschaft ist vom Charakter her unfassbar gut zusammengestellt", meinte der Torhüter. Er selbst scheint da hinein zu passen, erst hatte er sich brav hinten angestellt, dann trat er fast schon wie ein Kapitän auf. "Vor fünf, sechs Wochen war die Stimmung am Boden", erklärte Luthe, "aber wir waren intakt mit Charakteren, die anpacken." Exemplarisch nannte er den 34-jährigen Mittelfeldspieler Halil Altintop, der das Team "da rausgezogen und uns den Arsch gerettet" habe, "für mich ist es eine Ehre, mit ihm zusammenzuspielen."

So konnte Luthe, selbst schon 30 und zuvor 15 Jahre beim VfL Bochum, bilanzieren: "Wir haben es von innen heraus geschafft, von außen hilft dir keiner." Keine Hilfe kam jedenfalls vom VfL Wolfsburg, der beim Hamburger SV 1:2 verlor und damit kurz vor dem Schlusspfiff auf den Relegationsplatz rutschte - bei einer hohen Niederlage in Hoffenheim hätte sich dort stattdessen der FC Augsburg wiedergefunden. Dessen Trainer Manuel Baum durfte also zu Recht bilanzieren: "Wir haben es aus eigener Kraft geschafft."

Diese Kraft war unterwegs verloren gegangen in einer Saison, die von vielen Rückschlägen und vor allem Verletzungen geprägt war. "Unter unseren Voraussetzungen und mit so vielen Ausfällen ist es nicht selbstverständlich, den Klassenerhalt zu schaffen", sagte Luthe. Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw, der mit einem Lungenkollaps, Rückenproblemen und einem Kapselriss gleich drei Mal länger ausfiel, meinte sowohl sich selbst als auch den Klub, als er sagte: "Es war ein Jahr mit zwei Gesichtern."

Dominik Kohr kehrt nach drei Jahren nach Leverkusen zurück

Am Ende blieb das glückliche Gesicht. Dass die Augsburger in der zweiten Hälfte in Hoffenheim auch Glück hatten, als Andrej Kramaric und Nadiem Amiri jeweils den Pfosten trafen und dann noch Martin Hinteregger einen Versuch von Amiri auf der Linie abwehrte, spielte keine große Rolle bei der Einschätzung des Geleisteten. "Wir haben gezeigt, dass wir bis zum Schluss kämpfen", meinte auch Mittelfeldspieler Dominik Kohr, an dem die Hoffenheimer ein ums andere Mal hängen geblieben waren, gefühlt "17 Mal in der ersten Halbzeit", wie 1899-Trainer Julian Nagelsmann schätzte.

Kohr war "glücklich, aber auch ein bisschen traurig" - der 23-Jährige kehrt dem FCA nach dreieinhalb Jahren den Rücken und zu seinem Stammverein Bayer Leverkusen zurück. Und das, nachdem er in Augsburg zum Bundesligaprofi reifte und unlängst für die U 21-Nationalmannschaft nominiert wurde. "Ich bin sehr dankbar, dass mir Augsburg diese Chance gegeben hat", erklärte er, aber in Leverkusen sei es jetzt eben "noch mal was anderes".

Die Personalie darf man durchaus als sinnbildlich sehen für die Situation der Augsburger, die auch in ihrem siebten Erstligajahr zu den Kleinen zählen werden - zumal in Darmstadt und Ingolstadt sich zwei noch Kleinere verabschiedet haben. Um den soeben geschafften Klassenverbleib werden sie in der kommenden Saison wieder kämpfen müssen - selbstredend mit Trainer Baum, wie Manager Stefan Reuter zur Sicherheit noch mal bestätigte: "Wir haben immer gesagt, dass wir volles Vertrauen zu Manuel haben. Es war nicht im Hinterkopf, da eine Veränderung im Sommer zu machen."

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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