Fall Lance Armstrong:Spende oder Korruption?

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Keine Belege, ständig neue Versionen: Der Radweltverband widerspricht sich in der Affäre um Spenden von Lance Armstrong stets aufs Neue.

Andreas Burkert und Thomas Kistner

Die Welt war noch in Ordnung für Pat McQuaid, damals im Oktober 2007 in Rejkjavik. Bei der internationalen Sportkonferenz "Play the Game" plauderte der Chef des Radweltverbandes UCI vor Publikum aus seinem Geschäftsleben. Sogar die Frage, was es mit der mysteriösen Spende von Lance Armstrong, die der Texaner selbst erstmals im April 2004 erwähnt hatte ("habe über die Jahre Geld an die UCI gespendet"), beantwortete der Ire: "Es waren 100.000 Dollar, angewiesen speziell für den Erwerb einer Sysmex-Maschine, die ungefähr 80.000 Dollar kostete. Und die Spende ging ein. Ich glaube, das Geld kam bei uns vor ungefähr 15 Monaten bar aufs Konto."

Gab dem Gremium, das ihn kontrollieren sollte, viel Geld: US-Radprofi Lance Armstrong am Ende der diesjährigen Tour de France in Paris. (Foto: AFP)

Detaillierte Angaben waren das damals. Das Problem ist nur: Inzwischen widerspricht sich McQuaid immer wieder selbst. Dabei ist in der delikaten Causa um Geldgaben eines stets vom Dopingverdacht begleiteten Tour-Rekordsiegers an sein Aufsichtsorgan dringend Klartext von der UCI geboten. Denn in den USA, wo Ermittlungen gegen Armstrong laufen, wird dem Vernehmen nach auch die Rolle der UCI hinterfragt.

"Gibt es den Inkassoschutz?"

Von Korruption hat der frühere Tour-Sieger Greg LeMond zuletzt gesprochen, "schweigen, zahlen, es ist fast wie bei der Mafia", befand der Szene-Kritiker. "Ist ja klar, wofür Armstrong zahlte", sagt der Sportchef eines internationalen ProTour-Teams zu dem Vorgang, er will aber lieber anonym bleiben.

Hans-Michael Holczer, vormals Teamchef von Gerolsteiner, fragt sich dagegen inzwischen öffentlich, ob es im Radsport "doch einen Inkassoschutz" gibt, eine unsichtbare, schützende Hand. "Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn ein Athlet der UCI, die ja seine Kontrollinstanz ist, Geld spendet", sagt er. "Das legt ja alles Mögliche nahe - auch, dass Manipulationen finanziert worden sein könnten." Es verfestige sich so das Bild, "dass gerüchteweise regelmäßig stillschweigende Beseitigungen von Problemen in Betracht gezogen worden sein sollen".

Die Vorgänge rund um die Armstrong-Spende muten fragwürdig an. Noch heikler ist aber: McQuaids Information von Rejkjavik ist nur eine von vielen Versionen, welche die UCI seit 2004 über Armstrongs Spende(n) verbreitete. Dessen Großzügigkeit ist wieder ein großes Thema, seitdem Kronzeuge Floyd Landis im Mai schwere Dopingvorwürfe gegen seinen ehemaligen Kapitän Armstrong erhob; darunter die Behauptung, Armstrong habe ihm 2002 beim US-Postal-Rennstall von einer Spende für eine unterschlagene Positivprobe erzählt: Landis berichtete von "einer finanziellen Abmachung mit Hein Verbruggen", McQuaids Vorgänger als UCI-Boss.

Die UCI dementierte alle Vorwürfe. Doch McQuaid geriet in Erklärungsnot und erzählte, Armstrong habe 2002 zwar eine Spende angekündigt, geflossen seien die 100.000 Dollar aber erst 2005. Wochen später ruderte McQuaid zurück: In den UCI-Büchern fand sich plötzlich doch eine Armstrong-Spende von 2002, ein Scheck über 25.000 Dollar. Macht zusammen schon 125.000 Dollar.

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Wie kann es aber sein, dass die UCI lange eine Spende nicht zuordnen kann, mit der ja ein teures Sysmex-Gerät zur Kontrolle von Blutwerten gekauft wurde? Denn neben den diversen Varianten, die McQuaid anbot, gibt es nun eine weitere - die angeblich letztgültig offizielle. UCI-Sprecher Enrico Carpani antwortete auf SZ-Anfrage: "Im Mai 2002 spendete Armstrong einen 25.000-Dollar-Scheck. Damit wurden Dopingtests in Juniorenrennen finanziert. 2005 beschloss Armstrong nach seinem Rücktritt eine weitere Spende an die UCI von 100.000 Dollar, die UCI benötigte eine Sysmex-Maschine. Wir bekamen die Spende erst im Januar 2007 - für die Gründe der Verspätung müssen sie Mr. Armstrong fragen." Carpani schließt, dies sei "das allerletzte Mal, dass wir uns zu der Sache äußern, wir haben alles gesagt". Hat die UCI das wirklich?

Das Gegenteil ist der Eindruck, und die jüngste Version wirft neue Fragen auf. Gesichert ist ja nur, dass die UCI vor der Tour 2005 ein Gerät erwarb, wie Sysmex-Geschäftsführer Michael Schäfer auf SZ-Anfrage bestätigt. Die Firma belobigte Ende Juli 2005 sogar per Pressetext Armstrongs Spendertum. Wenig später wollte sie das Engagement angeblich auch bei einer Messe gebührend herausstellen - das wurde aber verworfen, weil nach der Tour bekannt geworden war, dass Armstrong bei nachträglichen Tests der Tour-Proben von 1999 sechsmal positiv auf Epo befunden worden war.

Wenn Armstrong, wie McQuaid behauptet, im Sommer 2005 eine Spende von 100.000 Dollar zumindest ankündigte, dann hat die UCI diese akzeptiert von einem Profi, der just damals unter schweren Dopingverdacht geriet. Und zudem ging die UCI nach aktueller Darstellung in Vorleistung und kaufte ein 100.000 Dollar teures Gerät, das sie öffentlich als Armstrong-Spende deklarierte. Die UCI erklärte sich dazu nicht - auch nicht dazu, ob sie schon von Ermittlern zur Sache Landis/Armstrong kontaktiert wurde.

Belege zeigt man nicht

Man habe Armstrongs Zahlung vor 15 Monaten erhalten, hatte McQuaid also 2007 in Rejkjavik berichtet. Das wäre im Juli 2006 gewesen - damals hatte die UCI Armstrong soeben vom Epo-Verdacht freigesprochen, mit der Begründung: Nachtests seien keine Dopingtests, auch sei nicht genug Material für B-Proben vorhanden (was das zuständige Pariser Labor bestritt). Ein heikler Vorgang - da klingt die jüngste Version, sie habe die Spende nicht 2005, auch nicht 2006, sondern erst 2007 bekommen, schon günstiger.

Belege aber zeigt die UCI nicht.

So rätselt auch die Antidoping-Szene weiter. Wie das Lausanner Labor, das laut UCI auch mit einer letztlich von Armstrong finanzierten Sysmex ("sie steht immer noch dort") arbeitet. "Wir haben nie irgendetwas von einem Athleten erhalten", betont Laborchef Martial Saugy. Das käme aber auch nicht infrage, ergänzt er: "Denn etwas anzunehmen von jemandem, der durch uns getestet wird, das würde Korruption bedeuten."

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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