Fair Play im Sport:Fair is foul and foul is fair!

Das Geständnis des Ex-Radprofis Bert Dietz, er habe jahrelang systematisch gedopt, erschüttert die Sportwelt. Dabei liefert er nur den Beweis für eine längst bekannte Tatsache: Es gibt kein Fair Play mehr im Sport.

Paul Breitner wusste es schon 1981: Fair Play ist etwas für Weicheier! In seinem Buch "Ich will kein Vorbild sein" philosophiert der Weltmeister von 1974: "Bevor ich dem Gegner erlaube, ein Tor zu schießen, muss ich ihn mit allen Mitteln daran hindern - und wenn ich das nicht mit fairen Mitteln tun kann, dann muss ich es eben mit einem Foul tun." Fair Play, das ist eine schöne Utopie aus einer längst vergangenen Zeit. Die Realität sieht anders aus, 26 Jahre nach den klaren Worten Breitners ist es eher noch schlimmer geworden.

Fair Play im Sport: Bart Voskamp und Jens Heppner kämpfen bei der Tour de France 1997 mit harten Bandagen.

Bart Voskamp und Jens Heppner kämpfen bei der Tour de France 1997 mit harten Bandagen.

(Foto: Foto: AP)

Am Montagabend hat der ehemalige Radprofi Bert Dietz in der Fernsehsendung "Beckmann" gestanden, jahrelang systematisch gedopt zu haben. Warum? "Der Druck war riesig", sagte Dietz. In jedem Jahr seien 20 neue spanische und italienische Fahrer erschienen, die plötzlich in der Weltspitze mitfahren. Dann seien die Ärzte gekommen und hätten ihnen erklärt, warum diese Fahrer diese Leistungen erbringen konnten.

Für den Radprofi Dietz ging es um den Arbeitsplatz: "Nur wer im Frühjahr entsprechende Ergebnisse vorweisen konnte, bekam einen neuen Vertrag." Deshalb habe ein Profi alles getan, um weiter seinen Beruf ausüben zu können. Ein schlechtes Gewissen habe er nicht gehabt, er machte sich auch keine Gedanken über mögliche gesundheitliche Folgen. Fair Play? Ach was!

Nun mag der Sportfan einwenden, dass es bei Profis um sehr viel geht, vor allem um Geld. Zehntelsekunden entscheiden über Millionen Euro. Weshalb es meist heißt, Profis würden sich unter dem Erfolgsdruck eben irgendwann dem unfairen Spiel verschreiben - so wie Bert Dietz es am Montag beschrieben hat.

Doch so einfach ist es nicht. Die Sucht am Sieg und die Lust am Erfolg existiert bei Amateuren genauso, auch ohne Ruhm und Geld. Ja es scheint, dass meist überhaupt nur diejenigen es bis zum Profi schaffen, die viel früher schon bereit sind zu tricksen und zu foulen. Das erkannte Paul Breitner ebenfalls schon früh: "Wir müssen Jugendlichen beibringen, foul zu spielen! Denn eines ist klar, und das gilt für Schüler wie für Bundesligaprofis: Lieber einen Freistoß als ein Tor. Wer das nicht zugibt, lügt sich was vor - oder er ist kein Fußballer." Breitner war nach seiner Karriere Jugendtrainer in Brunnthal.

Amateursportler als die Vertreter einer heilen Sportwelt - das ist lange vorbei. Die Universität Tübingen führte vor einem Jahr eine Studie in deutschen Fitness-Studios durch. Jeder siebte Befragte gab zu, mindestens einmal absichtlich ein verbotenes Mittel eingenommen zu haben. "Die Befragten waren keine Leistungssportler. Wir haben einen repräsentativen Querschnitt erhalten", sagte Heiko Striegel, einer der Leiter der Studie. Flächendeckende Kontrollen? Fehlanzeige!

"Dafür fehlen die finanziellen und logistischen Mittel", sagt Ludwig Hecht. Er hat als Mannschaftsarzt der U-20-Fußballnationalmannschaft mit jungen Sportlern zu tun und weiß, dass schon 15-jährige Spieler leistungssteigernde Pillen schlucken. Da es ohne Kläger keinen Richter gibt, wird bei den Amateuren und Jugendlichen heftig gedopt.

Beim Doping schadet der Sportler letztlich nur dem eigenen Körper. Schlimmer wird es, wenn auch die Gesundheit Anderer aufs Spiel gesetzt wird. 2004 wurden an amerikanischen Universitäten Amateursportler zu ihrem Zweikampfverhalten befragt - unter anderem, ob sie regelwidrig Gegentore verhindern würden. Über 80 Prozent der jungen Sportler zogen ein Foul in Erwägung, 20 Prozent gaben an, Schmerzen des Gegners in Kauf zu nehmen.

Erfolg steht über den Regeln, in jeder Leistungsklasse. So gibt es seit Jahren den Begriff des fairen Fouls: eine regelwidrige Aktion, bei der kein Gegenspieler verletzt wird. Berühmtestes Beispiel: die Hand Gottes von Diego Maradona bei der Weltmeisterschaft 1986. Maradona wurde nie angeklagt, sondern als weltmeisterliches Schlitzohr gefeiert. Solche Handlungen werden nicht als unfair gebrandmarkt, sondern als clever und spitzbübisch gelobt.

Solch smarte Geschicklichkeit wird schon im kindlichen Alter gefordert. Ein Auswahltrainer aus Niedersachsen sagt: "Ich kann keine Rücksicht auf Fair-Play-Bemühungen nehmen. Da zeigt sich sicherlich eine gewisse Unsportlichkeit, aber eben auch Cleverness." In der Praxis sieht das so aus: "Ich habe einen hervorragenden Spieler, der leider nicht bereit ist, notfalls ein Foul zu begehen. Ich lade ihn deshalb nicht mehr zu Auswahllehrgängen ein." Der Mann betreut Kinder im Alter von zehn Jahren.

Dass es anders gehen könnte, bewies vor wenigen Jahren ein spanischer Jugendtrainer. Seine Mannschaft erzielte ein irreguläres Tor, weil sich die gegnerischen Spieler um einen verletzten Kameraden kümmerten. Er forderte seine Schützlinge auf, ein Eigentor zu schießen. Er stieß auf taube Ohren - die drei Punkte waren wichtiger. Allein der Torwart hörte auf seinen Trainer und ließ einen Schuss absichtlich durch die Hände gleiten. Es half nichts, der Ball kullerte an den Pfosten.

"Fair is foul and foul is fair" singen die drei Hexen im Theaterstück "Macbeth". Wenn die Sucht nach dem Sieg stärker ist als das moralische Gewissen der Protagonisten, werden im Sport auch weiterhin shakespearesche Zustände herrschen.

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