Extremsport:Der Angst davongeflogen

Pressekondferenz zum Adventure Race Red Bull X Alps von Salzburg nach Monaco mit Bekanntgabe der Str; Yvonne Dathe

Yvonne Dathe, 38, war viermal deutsche Meisterin im Gleitschirmfliegen. Von Sonntag an startet sie bei den X-Alps, einer zehntägigen Alpenüberquerung.

(Foto: imago)

Die Gleitschirmfliegerin Yvonne Dathe hatte nach einem Unfall mit dem Sport fast abgeschlossen - nun überquert sie die Alpen.

Von Philipp Laberenz

Die Ansage überrascht. Yvonne Dathe, 38, Gleitschirmfliegerin, die Oberarme kräftig, die Beine durchtrainiert - diese Athletin konnte sich nicht mehr auf ihren Körper verlassen. "Platzangst", sagt Dathe. "Jedes Mal, wenn sich jemand näherte." Angstattacken, Krämpfe. Und so verlor sie die Kontrolle über das Gleitschirmfliegen. Egal, wie sehr sie sich dagegen stemmte: Die Panik zwang sie zur Rückkehr, kaum war sie in der Luft, wollte sie wieder zurück auf festen Boden. Dorthin, wohin sie es einmal nur mit Glück geschafft hatte.

2010, in der Schweiz, stürzte Dathe nach einem Zusammenprall mit einem anderen Flieger ab, ihr Schirm verfing sich in einem Baum, sie blieb unverletzt. Aber nun war da diese Angst. Und irgendwann die Erkanntnis, dass es für sie nicht mehr weiterging. Dathe hatte genug - von den Angstschüben und vom Fliegen. Beinahe hätte sie ihre große Leidenschaft aufgegeben.

Am Sonntag beginnen die siebten X-Alps, die Alpenüberquerung von Salzburg nach Monaco, unter den Teilnehmern wird auch Yvonne Dathe sein. Doch bevor sie sich wieder einen Start wie über dieses 1038 Kilometer lange Abenteuer zugetraut hat, musste sie lange gegen ihre inneren Widerstände kämpfen. Allein drei Jahre brauchte die Allgäuerin, um sich von den Ängsten zu befreien. Die Mentaltrainerin behandelte schließlich sich selbst, brachte sich bei, mit den Gedanken die körperlichen Reaktionen zu steuern. "Die Motivation spielt dabei eine entscheidende Rolle", sagt Dathe. In der Luft entspannen, den Moment genießen, darum geht es ihr. Leidenschaft zum Risiko? Nicht unbedingt. Grenzen austesten? Steht im Hintergrund. "Ankommen ist das Ziel", sagt sie. Ein Manko für eines der härtesten Abenteuerrennen? Kaum. Ihre Ruhe macht sie auch zuverlässiger.

"Yvonne ist eine sehr gute Pilotin, aktuell die vielleicht beste in Deutschland", sagt Harry Buntz, Teamchef der deutschen Gleitschirm-Mannschaft. Er kennt Dathe seit mehr als einem Jahrzehnt, im Januar gewannen sie mit der Mannschaft den WM-Titel in Kolumbien. "Sie hat Mut, ist gleichzeitig erfahren und daher besonnen in ihren Entscheidungen. Das wird für das Rennen besonders wichtig sein, da es viele anspruchsvolle Abschnitte gibt", sagt Buntz. Schon als Kind hat Dathe mit dem Fliegen angefangen. 1994, nach der Trennung der Eltern, suchten Vater und Tochter eine Tätigkeit, die sie zusammen ausüben konnten - sie entdeckten für sich das Gleitschirmfliegen. Zunächst über geringere Distanzen im Allgäu, den Blick noch auf die Landschaft gerichtet, "denn auch an einem Berg herrscht nie dasselbe Bild". Später weitete sich ihr Blick, 2006 lernte sie ihren Freund kennen, nun wollte sie endgültig mehr: Flugstunden, Distanzen, Leistungsvergleiche. Inzwischen ist sie mehr als 250 Stunden im Jahr in der Luft, sie arbeitet als Tandempilotin, siegte viermal bei der deutschen Meisterschaft.

Nach einem Sturz behandelte die Mentaltrainerin sich selbst

Nun also das Alpenrennen. Der Mozartplatz in Salzburg und die Cote D'Azur vor Monaco bilden den passenden Kontrast: 1038 Kilometer Abenteuer, eine Extremsportveranstaltung, vermarktet von einem österreichischen Dosenlieferanten. Strapazen zu Land und in der Luft. Auf zehn Etappen durchqueren 32 Athleten alpines Hochgelände, passieren Dachstein, Zugspitze, Matterhorn, Mont Blanc. In der Routenwahl sind sie frei, müssen nur bestimmte Wendepunkte innerhalb gewisser Radien erreichen, bisweilen auch Passierscheine unterschreiben. "Ich hätte da keine Lust drauf", sagt Harry Buntz. "Der Gleitschirm ist schon schwer genug, die aber schleppen sich sowie die ganze Ausrüstung quer durch die Alpen. Da ist der Köper eine Maschine."

Damit die Körper nicht überhitzen, gibt es Schutzregeln: Pflichtpausen zwischen 22.30 Uhr und 5 Uhr schränken das Taktieren ein, Duelle werden ans Tageslicht verlagert. Nur einmal dürfen die Teilnehmer auch nachts weiterlaufen, sie müssen dazu einen sogenannten Nachtpass ziehen. GPS-Sender übermitteln pausenlos die Position der Athleten, lückenlos muss das Logbuch sein. Im Internet können die Athleten verfolgen, welche Route ihre Gegner nehmen. Dathe sagt, dass manches davon fast schon zu verschult ist, der Nachtpass zum Beispiel kann nicht spontan genommen werden. Aber für sie ist das ohnehin nicht so wichtig: "Ich brauche meine paar Stunden Schlaf."

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