Ex-Wimbledon-Siegerin Marion Bartoli:Wenn selbst Gurkenschalen zur Plage werden

Ex-Wimbledon-Siegerin Marion Bartoli: Ihr größter Moment: Marion Bartoli beim Wimbledon-Triumph 2013 neben Sabine Lisicki.

Ihr größter Moment: Marion Bartoli beim Wimbledon-Triumph 2013 neben Sabine Lisicki.

(Foto: Glyn Kirk/AFP)

2013 strahlte Marion Bartoli als Wimbledon-Siegerin - danach hört sie auf. Seitdem ist ihr Leben geprägt von einer mysteriösen Krankheit.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon, Wimbledon

In der ersten Turnierwoche lief sie noch umher, als sei die Welt für sie halbwegs in Ordnung. Sie lächelte viel, sie unterhielt sich mal hier und mal dort, jeder kennt sie ja, im All England Club ist sie sogar Mitglied, was nicht nicht jeder von sich behaupten kann. Marion Bartoli gewann die wichtigste Tennisveranstaltung der Welt - drei Jahre ist es erst her, als sie die Deutsche Sabine Lisicki im Finale besiegte, mit 6:1, 6:4.

Aber jeder konnte sehen, dass etwas nicht stimmte in der Welt der Marion Bartoli. Sie war dünn wie ein Strich, ihre Venen waren sichtbar, knochig, fahl, völlig ungesund und krank sah sie aus. Es tat weh, sie anzuschauen; wer Empathie empfindet, litt mit ihr. In der zweiten Woche war sie dann einfach weg.

Es verwunderte nicht, dass Bartoli nicht an dem Doppelturnier teilnahm, das all die früheren Tennisgrößen bei den vier Grand-Slam-Events zur Unterhaltung der Zuschauer quasi als Gratiszugabe geben. Es verwunderte, dass sie überhaupt teilnehmen wollte. Sie kommentierte nebenher auch fürs Fernsehen, das macht sie seit ihrem Rücktritt als Profi.

Am 5. Juli verschickte das Schiedsrichterbüro von Wimbledon eine staubtrockene Email, in der nur stand: "Marion Bartoli wird beim Frauen-Einladungsdoppel ersetzt (medical). Ihren Platz nimmt Melanie South (GBR) ein. Mit freundlichen Grüßen." Aufgeklärt war damit wenig, aber es war auch andererseits nicht die Aufgabe des altherrigen All England Club, ihre persönliche Situation zu schildern. Wenn, dann musste sie es selbst tun, und sie machte es dann auch.

Ein unbekannter Virus übermannte sie

Die 31-Jährige aus Le Puy-en-Velay im Département Haute-Loire, die in Dubai lebt, leide an einer unbekannten Krankheit, sagte sie bald darauf im Morgen-Programm des Senders ITV. "Die Ärzte sagten mir, du hast einen Virus, den wir nicht benennen können." Sie und die Ärzte wüssten nur, sie habe eben seit Beginn des Jahres radikal an Gewicht verloren. Ihr Körper nehme nichts mehr auf außer ein paar substanzielle Stoffe.

Sie isst Biosalat und Gurken, aber nicht mal ganz. Sie macht die Schale ab. Sie vertrage die Schale nicht. Ihr war eine Botschaft wichtig: "Ich möchte, dass die Leute wissen, dass ich das nicht absichtlich mache. Was ich durchmache, ist ein absoluter Horror." Sie gab zu, sie fürchte, der Virus und die Folgen bedrohten ihr Leben.

Es war bemerkenswert, dass die sonst oft reißerische britische Presse so viel Feingefühl bewies und ihr Schicksal moderat transportierte, weitgehend ohne entblößende Aufnahmen. Manche Aufnahme indes wurde natürlich trotzdem gedruckt, aber es waren oft Fotos, die Bartoli von sich selbst ins Netz gestellt hatte. Sie hatte ihre Fans oder die, die das sehen wollen, ja seit langem daran teilhaben lassen, wie sie etwa Selfies im Fitnessstudio macht, wie sie trainiert, schwitzt, was sie für ihren Körper und ihre Figur tut. Sie war nicht schüchtern, und das Gegensätzliche an ihrer Geschichte ist ja, dass sie mal sehr anders war.

Als sie Wimbledon gewann, war sie füllig und eher zurückgezogen. Sie hatte so kräftige Arme, dass sie mit ihrer Vor- und Rückhand, die sie wie keine andere mit beiden Händen schlägt, Lisicki die Bälle nur so um die Ohren haute. Ende des zweiten Satzes fing die Deutsche, das Match war noch gar nicht zu Ende, zu weinen an. Bartoli war erst die sechste Spielerin, die das Turnier ohne Satzverlust für sich entschied. Bartoli war am Höhepunkt ihrer Karriere.

Ihr Körper schaffte es nicht mehr

Auch Leitungswasser zum Waschen verträgt sie nicht

Sie war die Siebte der Weltrangliste, sie hatte insgesamt elf Millionen Dollar verdient, acht Turniere gewonnen. Dann entschied sie mit diesem Triumph: Das war's. Sie trat ab. Ihr Körper schaffe das alles nicht mehr, sagte sie im August 2013. Sie werde sich nun neue Aufgaben suchen und freue sich darauf.

Eine Zeit lang tauchte sie nicht mehr oft in der Öffentlichkeit auf, aber als sie im Jahr danach bei den French Open als TV-Kommentatorin erschien, war sie schon kaum wiederzuerkennen. Sie war deutlich dünner. Aber sie sah nicht krank aus, sondern gesund und mit sich im Reinen. Und doch gab es schon erste Kritik an ihr. Sie verteidigte sich und sagte, sie sei nur zu ihrer natürlichen Figur zurückgekehrt. Eine spezielle Diät habe das ermöglicht. Die Entwicklung von dünn zu lebensbedrohlich mager erfolgte seit Beginn dieses Jahres.

Bartoli gab nun an, sie habe sich den Virus irgendwo bei drei Flugreisen im Februar zwischen Australien, Indien und New York eingefangen. Seitdem stoße ihr Körper so vieles ab. Sie reagiere darauf, wenn sie elektronische Geräte anfasse, etwa ein Handy. Auch Leitungswasser zum Waschen vertrage sie nicht. Sie versuche Fisch zu essen, aber ihr Körper nehme keine Proteine auf und ihr Herz rast sofort. "Ich muss dann trinken und trinken, bis der Körper das ausspült, was er nicht aufnehmen will", sagte Bartoli dem Sender ITV.

Dort öffnete sie sich. Sie sprach von ihren Ängsten, sagte, sie sieche dahin, und dass sie viel bete. Sie wollte auch den Gerüchten entgegentreten, sie habe nur eine Essstörung. "Vielleicht hört eines Tages mein Herz auf zu schlagen", sagte sie, "aber meine Leidenschaft und Liebe für das Leben lässt mich einfach weitermachen." Demnächst werde sie eine Klinik aufsuchen, vermutlich in Italien, sie hat Unterstützung von einer der berühmtesten Personen Englands, ihr guter Bekannter Sir Richard Branson werde für sie die Kosten übernehmen und ihr helfen. "Ich hoffe und bete, die Ärzte können mich heilen .. als Wimbledon-Champion kämpfe ich jetzt meinen härtesten Kampf, um zu überleben."

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