Ex-IOC-Chef Samaranch:Schach mit dem Präsidenten

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Vom Funktionär des faschistischen Franco-Regimes zum Agenten der Sowjetunion? Russische Autoren behaupten, der frühere IOC-Chef Juan Antonio Samaranch sei KGB-Mitarbeiter gewesen.

Jens Weinreich

Juan Antonio Samaranch, Ehrenpräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hat einst dem Diktatur Franco im Range eines Sport-Staatssekretärs gedient. Erst jüngst wurde in Spanien wieder über Fotos debattiert, die den 89-Jährigen mit erhobenem Arm zeigen - beim Faschistengruß. Nun behaupten russische Autoren, Samaranch sei auch Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB gewesen.

Juan Antonio Samaranch war von 1980 bis 2001 IOC-Präsident. (Foto: Foto: AFP)

"Der KGB spielt Schach" heißt ein auf Russisch soeben erschienenes Buch. Darin geht es vor allem um den Einfluss des Geheimdienstes auf die Schach-Elite der Sowjetunion, um atemraubende Machenschaften bis hin zum Mordkomplott. Neben dem Historiker Juri Felshtinsky zählen die Schach-Großmeister Wiktor Kortschnoi und Boris Gulko zu den Autoren - sowie Wladimir Popow, ehemals ranghoher KGB-Führungsoffizier. Popow hat einst Hunderte Quellen und Agenten im Sportgeschäft geführt und bearbeitet. Er behauptet: KGB-Sportagent war nicht nur der langjährige Schach-Weltmeister Anatoli Karpow (Deckname Raul), sondern auch Samaranch, IOC-Präsident von 1980 bis 2001.

Samaranch war 1977, nach dem Tod seines Führers Franco, als spanischer Botschafter für die Sowjetunion und die Mongolei nach Moskau abgeschoben worden. Im Exil machte er Sport-Karriere: Moskau war Olympiagastgeber 1980, kurz vor Eröffnung dieser Boykottspiele wurde Samaranch IOC-Präsident. Er gewann die Wahl mit 44 Stimmen gegen Marc Hodler (Schweiz/21), James Worrall (Kanada/7) und Willi Daume (Bundesrepublik/5). Samaranchs Transformation vom Blauhemdträger der Falange zum olympischen Moralapostel war gelungen.

Laut KGB-Oberstleutnant Popow hat daran der Geheimdienst mitgewirkt und Stimmen der IOC-Mitglieder aus dem Ostblock organisiert. Der KGB habe sich Samaranchs Mitarbeit erpresst, nachdem man den Botschafter beim Schmuggel mit Antiquitäten, Schmuck und Gemälden erwischt habe. Vom KGB sei Samaranch als "sowjetischer Sport-General" geführt worden, behauptet Popow, der sich 1996 nach Kanada absetzte. Samaranch war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. IOC-Kommunikationsdirektor Mark Adams bezeichnete die Geschichte am Mittwoch als "bloße Spekulation".

Über der Wahl am 16.Juli 1980 im Moskauer Haus der Gewerkschaften lastet seit jeher der Schatten der Korruption. Samaranchs Vorgänger Lord Killanin sagte später, er habe immer gedacht, dass der Posten des IOC-Präsidenten nicht käuflich sei. Das Gegenteil war der Fall, und daran hatten auch der ehemalige Adidas-Chef Horst Dassler mit seiner "sportpolitischen Abteilung" und der Franzose André Guelfi großen Anteil.

Guelfi, selbst Geheimdienstler und in den neunziger Jahren als Schmiergeldbote im Korruptionsskandal um das französische Erdölunternehmen Elf Aquitaine berühmt geworden, schilderte in seinen Memoiren ausführlich die Umstände der Samaranch-Krönung: "Ich konnte fast alle überzeugen, ihr Votum zu ändern. Samaranch wurde mit einer sauberen Mehrheit gewählt." Guelfi zahlte mit Geld und Produkten seiner Firma Le Coq Sportif, Dassler aus dem Topf von Adidas.

Geschäftsbeziehungen ins Sowjetreich

Legendär sind Samaranchs enge Beziehungen ins Sowjetreich und seine Nachfolger-Staaten. Bei Guelfi bedankte er sich, in dem er ihn in den neunziger Jahren persönlich bei den Diktatoren mittelasiatischer Republiken wie Usbekistan vorstellte. Dies war für Guelfi der Durchbruch, um Schmiergeldgeschäfte für Elf Aquitaine zu erledigen.

Geheimdienstliche Beziehungen wurden Samaranch schon immer nachgesagt. Er hat sie stets bestritten. Sporthistorisch macht die Darstellung der russischen Autoren für die Zeit bis 1980 deshalb Sinn. Der Historiker Felshtinsky, der seit drei Jahrzehnten in den USA lebt, kennt sich in der Welt der Geheimdienste aus. Zuletzt veröffentlichte er nach dem Plutonium-Mord an seinem Freund und Ex-Agenten Alexander Litwinenko das Buch "Eiszeit im Kreml".

Sollte Samaranch tatsächlich als KGB-Agent geführt worden sein, war die Quelle offenbar nicht sehr ergiebig. Denn fünf Jahre später starteten die Auslands-Spionage-Abteilung von KGB und der DDR-Staatssicherheit ein bizarres Gemeinschaftsprojekt, um das IOC, Adidas und die von Dassler inzwischen gegründete Marketingagentur ISL auszuspionieren. In einem Stasi-Dossier aus jener Zeit heißt es über Samaranch: Die Gabe, "sich unter den Mächtigen Freunde zu machen", zeichne ihn aus. So konnte er auch den Makel des "früheren Bekenntnisses als hundertprozentiger Franco-Anhänger" überwinden.

© SZ vom 05.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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