Europa-League-Sieg des FC Chelsea:Die letzte Ecke sitzt noch

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Wieder gelingt das späte Tor: Der FC Chelsea gewinnt die Europa League durch einen Kopfballtreffer nach einer Ecke in der 93. Minute. Die Engländer spielen lange wie im Champions-League-Finale 2012 - passiv und uninspiriert. Benfica zeigt ansehnlichen Fußball, doch der Triumph nach 51 Jahren bleibt aus.

Kann es etwas Unangenehmeres geben? 1:1 steht es in diesem Europa-League-Endspiel zwischen Benfica Lissabon und dem FC Chelsea kurz vor dem Ablauf der regulären Spielzeit, da bekommen die Londoner noch einmal eine Ecke. Wie im Vorjahr, als sie mit einer einzigen Ecke das Champions-League-Finale gegen den FC Bayern drehten. Und nun? Flankt Juan Mata zielgenau in den Strafraum, springt Branislav Ivanovic am höchsten - und bugsiert der Serbe mit einer feinen Kopfball-Technik den Ball über Lissabons Torwart Artur hinweg zum 2:1 ins Netz und sichert seiner Mannschaft so den zweiten Europapokal-Erfolg binnen zweier Jahre. Als erste englische Mannschaft hat der FC Chelsea nun alle Europapokal-Wettbewerbe gewonnen.

Die Münchner Spieler, die dieses Spiel vor dem Fernseher verfolgten, dürften dabei nicht nur wegen dieser Schlussphase schmerzlich an das Vorjahr erinnert worden sein. Schon in der Anfangsphase war die grundsätzliche Spielanlage ziemlich identisch mit jener im Mai 2012. Eine blau gekleidete Mannschaft namens Chelsea stellte sich vor allem hinten rein und zeigte nur sehr selten kreative Momente.

Und der rot gekleidete Gegner dominierte das Spiel, zeigte ansehnlichen Fußball und hatte nach feinen Kombinationen auch die eine oder andere Chance - vergab aber alles. Vor allem der argentinische Offensivspieler Nicolas Gaitan, 25, zeigte beim Abschluss zu viel Schnörkel und zu wenig Geradlinigkeit.

Das schien alles zu den Einstellungen zu passen, die beide Mannschaften vor dem Spiel vermittelt hatten. Benfica Lissabon hatte letztmals 1962 einen internationalen Triumph gefeiert (5:3 gegen Real Madrid im Europapokal der Landesmeister, angeführt vom großen Eusebio) und seitdem sechs europäische Finalspiele in Serie verloren - und wollte in Amsterdam nun unbedingt einen Sieg.

Beim FC Chelsea hingegen hatten manche Spieler so getan, als sei dieses Europa-League-Endspiel doch gar nichts besonderes. "Wir sind immer hungrig auf Titel, im letzten Jahr habe ich Steak gegessen, jetzt gibt es Hühnchen", hatte der brasilianische Defensivspieler David Luiz gesagt. Nun mag es in der weiten kulinarischen Welt über die geschmacklichen Vorzüge von Steak - Begeisterung vor einem Europapokal-Finale klingt jedenfalls anders.

Immerhin fanden die Londoner gegen Mitte der ersten Hälfte noch etwas besser ins Spiel - und hatten auch eine starke Möglichkeit. In der 38. Minute flog ein Schuss von Frank Lampard zwar ziemlich zentral aufs Tor, aber so tückisch, dass Lissabons Schlussmann Artur gerade noch zur Ecke klären konnte.

Benfica Lissabon: Trauer nach vertaner Chance (Foto: Getty Images)

Nach dem Seitenwechsel aber ergab sich wieder dasselbe Bild wie zu Spielbeginn: Benfica drückte - und nach 51 Minuten landete der Ball nach einem Kopfball von Oscar Cardozo auch im Tor. Doch der Treffer zählte nicht, der niederländische Schiedsrichter Björn Kuipers hatte richtig gesehen, dass sich der paraguayische Stoßstürmer ganz knapp im Abseits befunden hatte.

Für Chelsea schien dieser Moment wie ein Warnsignal zu wirken; jedenfalls wurde die Mannschaft von Rafael Benitez nun etwas agiler. Und kaum hatte sie mit dieser agileren Phase begonnen, wurde sie dafür auch schon belohnt. Fernando Torres, bis dahin kaum aufgefallen, schüttelte nach einem langen Ball seinen Gegenspieler Luisao ab, umkurvte den gegnerischen Torwart - und schob ein zum 1:0 für die Londoner (60.).

Benfica war merklich geschockt ob dieses unverdienten Rückstandes. Doch schon acht Minuten später gelang ihnen der Ausgleich. Chelseas Abwehrspieler Cesar Azpilicueta berührte bei einer Flanke den Ball mit Arm - und Cardozo schoss den Elfmeter mit so viel Wucht, dass er nicht nur das 1:1 markierte, sondern sich gleich auch noch wegen Wadenproblemen behandeln lassen musste.

Eine hektische, intensive Schlussphase entspann sich nun: Chelsea-Torwart Cech parierte nur mit größter Mühe einen Volley-Schuss von Cardozo (82.), auf der anderen Seite wäre es beinahe Torres und Ramires gelungen, gefährlich durchzubrechen. Lampard zeigte seinen zweiten sehenswerten Schuss des Abends, traf aber nur die Latte (88.). Kurz darauf traf Ivanovic mit dem Kopf.

Damit hat Trainer Rafael Benitez nun wenigstens einen Titel in dieser Saison gewonnen. Die Zeit des bei den Fans stets ungeliebten Spaniers dürfte nun trotzdem enden. Ein Europa-League-Sieg ist ja nun wirklich nichts, was den anspruchsvollen Klubbesitzer Roman Abramowitsch zufriedenstellt. Benitez' Vorgänger Roberto Di Matteo hatte im vergangenen Sommer ja sogar trotz des Sieges im Champions-League-Finale gehen müssen. In London scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Verpflichtung von José Mourinho als fix vermeldet wird.

© SZ vom 16.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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