Europa League:Augsburg verblüfft weiter

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Nach dem dramatischen 3:1-Sieg in Belgrad überwintert der Europa-Debütant im internationalen Wettbewerb. Nur der Wadenbeinbruch von Callsen-Bracker trübt die Feierlaune.

Von Kathrin Steinbichler

Die Nacht auf Freitag war lang gewesen, sehr lang, und der Abend zuvor intensiv. Sehr intensiv. Entsprechend abgekämpft hingen die Fußballprofis des FC Augsburg am Freitag stundenlang in den Schalensitzen des Flughafens von Belgrad. Die Linienmaschine, die den Bundesligisten nach der Europapokal-Sensation gegen Partizan zurück nach München fliegen sollte, war wegen dichten Nebels ersatzlos gestrichen worden.

Erst am Abend fand sich eine eigens organisierte Ersatzmaschine, die den Augsburger Tross nach Hause brachte. Was der Erholung nach dem 3:1-Kraftakt nicht gerade zuträglich war, tat der guten Laune keinen Abbruch. "Aber gut, dann buchen wir eben direkt auf ‪#Basel2016 um", scherzte das Social-Media-Team des FCA zunächst angesichts eines nur wenig später angesetzten Flugs in die Schweizer Stadt, in der am 18. Mai 2016 das Europa-League-Finale stattfinden wird. So weit wollte denn aber doch noch keiner ernsthaft denken in Augsburg, allein schon der Einzug der erstmals international spielenden Schwaben in die K.o.-Runde der Europa League ist der größte Vereinserfolg des aktuellen Tabellen-16. der Bundesliga.

"Geiles Spiel, geile Leistung, geile Sensation", hatte Torschütze Raul Bobadilla noch im Stadion heraus geschrien, als der Schlusspfiff gegen den serbischen Rekordmeister den Außenseitersieg besiegelt hatte. Mit nun schon sechs Toren ist Bobadilla gemeinsam mit Bilbaos Aritz Aduriz der bislang treffsicherste Spieler der Europa League. Jeder einzelne Treffer ist nach dieser Vorrunde bares Geld wert, denn die Tore des 28-jährigen Nationalstürmers von Paraguay haben dafür gesorgt, dass wegen des besseren Torverhältnisses Augsburg anstatt des nun punktgleichen Belgrad weiter in Europa vertreten ist. Vier Millionen Euro hat der FCA durch seine Europa-League-Vorrunde bereits verdient, nun kommen gegen Gegner wie Manchester, Liverpool, Tottenham, Neapel oder Porto weitere Einnahmen hinzu. Auch das, neben dem sportlichen Erfolg, ein Traum für die Verantwortlichen.

Ball im Tor, FCA-Stürmer aus dem Häuschen: Bobadilla sorgte zwei Minuten vor dem Abpfiff mit seinem 3:1 für den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. (Foto: imago)

Am letzten Vorrunden-Spieltag im Stadion Partizani musste der FCA dazu aber vor dessen berühmt-berüchtigten Anhängern mit mindestens zwei Toren Unterschied gewinnen. Und das, obwohl der angeschlagene Ragnar Klavan (Gehirnerschütterung) und der verletzte Tobias Werner (Schambeinentzündung) ebenso fehlten wie Alexander Esswein und Dominik Kohr (Gelbsperre). Was unmöglich wirkte, machte die Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl an diesem Abend doch wahr. Und das nach einer Aktion auf dem Rasen, die Mannschaft und Betreuer betroffen machte: Belgrads Nikola Ninkovic trat in der 36. Minute Jan-Ingwer Callsen-Bracker an der Seitenlinie den Knöchel um, woraufhin sich der Innenverteidiger, der umgehend ausgewechselt wurde, vor Schmerz auf dem Rasen wälzte. Eine erste Diagnose vor dem Eingipsen vor Ort ergab einen Wadenbeinbruch, genauere Untersuchungen in Augsburg sollen abklären, inwieweit das Sprunggelenk des 31-Jährigen betroffen ist. Vor dem Frühjahr allerdings wird Callsen-Bracker nicht an Fußball denken können. "Das ist eine Verletzung, die uns hart trifft", sagte Weinzierl.

"Der Matchplan ist total aufgegangen", freute sich Baier. "Dramatischer geht es nicht."

Für Callsen-Bracker rückte in die Abwehrmitte Jeong-Ho Hong, der zuvor ein paar Wochen verletzt gefehlt hatte. Kaum auf dem Feld, brachte der Südkoreaner den FCA zurück ins Spiel: Aboubakar Oumarou hatte die Gastgeber früh in Führung gebracht (11.), doch nach einer Freistoßflanke von Piotr Trochowski sorgte Hong noch vor der Pause per Kopf für den Ausgleich (45.+2). Kurz nach Wiederanpfiff bediente Baier mit einem tollen Pass den aufgerückten Paul Verhaegh, und der Kapitän der Augsburger traf mit seinem ersten Saisontor aus dem Spiel heraus zum 2:1 (51.). Plötzlich schien die Sensation möglich, und so rannte der FCA jetzt an, als gäbe es kein Morgen. Vor allem, nachdem Belgrads Andrija Zivkovic nach einem Handspiel mit Gelb-Rot vom Platz musste (80.). Zwei Minuten vor dem Abpfiff lupfte dann Verhaegh den Ball zu Caiuby, der lenkte ihn per Kopf zu Bobadilla, und der Torjäger des FCA nickte zum 3:1 ein (89.). Weil Weinzierl davon abgerückt war, ihn wegen Sprunggelenksproblemen nur 60 Minuten spielen zu lassen. Die tausend mitgereisten Augsburger Fans verwandelten daraufhin ihren separierten Block in eine lautstarke Menge hüpfender, entrückter Menschen.

"Der Matchplan ist total aufgegangen", freute sich Baier. "Wenn man ein Drehbuch schreiben wollte, dann genau so. Dramatischer geht es nicht." Am Sonntag (15.30 Uhr) zum Heimspiel gegen Schalke "werden wir wieder eine neue, frische Aufstellung präsentieren", sagte Weinzierl. Dann soll in der Bundesliga weitergehen, was in der Europa League begonnen hat: eine Aufholjagd, die zuvor nur wenige vermutet haben. Dann kann die Mannschaft auch die Auslosung am Montag genießen.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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