Eurogames in München:Für den ersten Schritt

Bei den Eurogames der schwulen und lesbischen Sportler in München wird um Medaillen gekämpft - und gegen das problematische Verhältnis von Sport und Homsexualität.

Von Christina Warta

Das Licht ist dämmrig in der Olympiahalle, doch die Tanzfläche in der Mitte ist hell erleuchtet. Auf dem Parkett wiegen sich vier Paare im Walzerschritt. Es riecht nach Haarspray und Parfum, nach Aufregung und Wettkampfstress. Am Rand üben einige noch einmal ihre Tanzschritte, eine Frau zieht ihren Lidstrich nach - ein Tanzsportwettbewerb eben, nichts Besonderes.

Eurogames in München: Die "Tatort"-Schauspielerin Ulrike Folkerts nahm an den lesbisch-schwulen Spielen im Münchner Olympiapark als Schwimmerin teil.

Die "Tatort"-Schauspielerin Ulrike Folkerts nahm an den lesbisch-schwulen Spielen im Münchner Olympiapark als Schwimmerin teil.

(Foto: Foto: dpa)

Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass hier doch irgendetwas anders ist als sonst. Die hochgewachsene Dame dort: Wieso trägt sie zwar hohe Absätze, hat aber gleichzeitig einen unübersehbaren Bartschatten am Hals? Und der Herr im Anzug: Hat ziemlich breite Hüften und auch sonst eine eher weibliche Figur. Hier tanzen Frauen mit Frauen - und Männer mit Männern. Gleichgeschlechtliches Tanzen kennt man im heterosexuellen Alltag vor allem von den gemächlichen Kaffeekränzchen weißhaariger Damen.

Ein Sportfest unter sich

Doch mit dem, was Tanzen bei den Eurogames bedeutet, hat es nichts gemein. 5400 schwule, lesbische und transsexuelle Sportler haben am Wochenende in München ihr eigenes Sportfest gefeiert. Und es war in der Disziplin Tanzen, wo 157 Männer und 230 Frauen die ganze Bandbreite der homosexuellen Szene zeigten: aufreizend gewandete Männer, Transsexuelle im rosa Chanelkostüm, in strenge Anzüge gekleidete Frauen mit Kurzhaarschnitt.

Aber eben auch: Männer mit locker geschnittenen Hemden, Frauen mit romantischen Blumenkleidern und einer Blüte im Haar. So sind die Eurogames: ein Sportfest, das ständig oszilliert zwischen ausgelebten Klischees und Normalo-Dasein, zwischen Party und Sport. In Scharen zogen die Menschen durch den Olympiapark, über die Brücken zur Zentralen Hochschulsportanlage (ZHS) und dort durch die verwirrenden Gänge.

Beim Aerobicwettbewerb drängten rund 30 Männer in den Workshop - und eine einzige Frau. "So viele Männer hier", staunte Katrin Singer, Deutsche Aerobic-Meisterin vom TSV Gaildorf. Sie war mit ihren Vereinskolleginnen nur deshalb zu den Eurogames gekommen, um vor der Europameisterschaft im November Wettkampfpraxis zu sammeln. Doch so ein enthusiastisches Publikum hatte sie noch nicht erlebt. "Die klatschen und gehen mit, das ist fantastisch", sagte sie, "sonst sind beim Aerobic ja fast nur Frauen."

Männerüberschuss bei der Aerobic

Wenn der Männerüberschuss in der Aerobic schon eklatant war, so konnte er doch noch gesteigert werden. Beim Ringen nahmen null Frauen teil - abgesehen von wenigen Zuschauerinnen. In der kleinen, stickigen Halle drückten sich die Neugierigen an den Mattenrand. Die Halle war überfüllt, die Stimmung bestens, die sportlichen Leistungen auf den Matten eher mittelmäßig. Überhaupt geht es bei den Eurogames natürlich um Sport. Doch das Niveau dümpelte in den meisten Disziplinen im Mittelmaß, in der Olympia-Schwimmhalle fürchtete man bei einigen ernsthaft, dass sie den Beckenrand nicht mehr erreichen.

Doch das spielte letztlich keine Rolle: Für die Sportler und die 20000 eigens angereisten Besucher waren die Eurogames viel mehr: Treffpunkt, Austauschmöglichkeit und eine Gelegenheit, endlich einmal nicht Minderheit zu sein, sondern in einer Masse Gleicher unterzugehen. Händchenhaltende Männer oder Frauen, die sonst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden, waren am Wochenende im Olympiapark in der Überzahl - und wer in der Überzahl ist, der gibt in der Regel vor, was Normalität ist.

Outing schon beim Rucksack

Wer teilnahm, outete sich alleine schon dadurch, dass er den orangefarbenen Rucksack durch die Stadt trug. Bei den Eurogames mitzumachen ist mehr als an einem Wettkampf teilzunehmen. Wenn Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts im Schwimmen startet - sie hat übrigens über 50 Meter Schmetterling (38,29 Sekunden) und Freistil (32,92) zwei Bronzemedaillen gewonnen - ist das ein politisches Bekenntnis. Gleiches gilt für die große Masse nicht prominenter Lesben und Schwule. Für sie ist die Teilnahme an den Eurogames manchmal der erste Schritt in eine, wenngleich kleine und beschränkte, Öffentlichkeit.

Zum Beispiel die des hell erleuchteten Parketts auf der Olympiahalle. Maria Nagy und Jutta Spielmann vom Tanzklub "Swinging Sisters" aus Köln fegen beim Quickstep in eleganten weißen Hosenanzügen übers Parkett. "Natürlich ist es ein politisches Statement, dabei zu sein", sagt Spielmann. "Aber nicht nur das: Es ist einfach schön, sich zu zeigen und Spaß zu haben." Und ihre Tanzpartnerin Maria Nagy, eine Ungarin, sagt: "Mir würde es ja gar keinen Spaß machen, mit einem heterosexuellen Mann zu tanzen."

Deshalb tanzt sie mit Jutta Spielmann. Fünf Jahre lang haben die beiden geübt, bevor sie sich nun zu ihrem ersten Wettkampf gewagt haben. "Beim Lateintanz ist es leider nicht so gut gelaufen", sagt Jutta Spielmann - und lacht trotzdem. Denn der Platz möglichst weit oben in der Ergebnisliste war am Ende eben nicht das Wichtigste bei den Münchner Eurogames.

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