Erste DFB-Niederlage gegen Polen:Schon wieder Warschau

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Erinnerungen an das Warschauer 1:2 im Halbfinale gegen Italien: Lukas Podolski wird spät eingewechselt und trifft nur die Latte. (Foto: dpa)

Zwei Jahre nach dem EM-Halbfinalaus in Warschau gegen Italien kassiert die deutsche Nationalmannschaft an derselben Stätte ein 0:2 gegen Polen. Leverkusens Karim Bellarabi zeigt ein starkes Debüt - und wird doch zur tragischen Figur.

Von Johannes Knuth

Das Leben des Neu-Nationalspielers Karim Bellarabi war zuletzt so verlaufen, wie es sich für einen Debütanten gehört. Bundestrainer Joachim Löw hatte den Leverkusener etwas überraschend für die EM-Qualifikation gegen Polen und Irland einbestellt. Bellarabi hatte sich vorschriftsmäßig bedankt ("Freue mich riesig, dabei zu sein"), auch die weiteren Aufgaben eines Neu-Nationalspielers hatte Bellarabi pflichtgemäß hinter sich gebracht ("Neues Umfeld", "Muss erst die Mannschaft kennen lernen"). Einen Einsatz in der Startelf hatte der Trainerstab für Bellarabi zunächst einmal nicht vorgesehen, Bellarabi hatte dies allerdings wohlwollend zur Kenntnis genommen ("Freue mich riesig, überhaupt dabei zu sein).

Es dauerte bis zum Samstagmittag, ehe das Leben des Neu-Nationalspielers Karim Bellarabi erstmals aus den Fugen geriet. Da beorderte Löw den Neuling außerplanmäßig in die Startelf für das knifflige Auswärtsspiel in Warschau gegen die Polen. Bellarabis erster Einsatz endete mit einer 0:2 (0:0)-Niederlage, es war die erste Niederlage der DFB-Elf nach 18 Pflichtspielen, die erste Niederlage überhaupt gegen eine polnische Auswahl - wobei Bellarabi ein starkes Debüt zeigte und das Spiel sogar fast entschieden hätte.

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Neben Bellarabi gab auch Stuttgarts Antonio Rüdiger sein Pflichtspiel-Debüt, er übte den Job des Aushilfsrechtsverteidigers aus, den zuletzt Aushilfsrechtsverteidiger Sebastian Rudy bekleidet hatte. Die übrigen Posten boten wenig Überraschendes, Erik Durm begann als linker Verteidiger, Mats Hummels und Jérôme Boateng bemannten die Innenverteidigung, Christoph Kramer und Toni Kroos die Zentrale, Götze, Schürrle und Müller die Offensive. Und Lukas Podolski saß auf der Bank, mal wieder.

Die Polen seien kein Gegner, "den man locker-leicht im Dreivierteltakt austanzt", hatte Thomas Müller vor Spielbeginn prophezeit. Entsprechend eröffnete Mittelfelddirigent Kroos das Spiel im gemütlichen Larghetto. Die Polen verstellten die Zentrale, lauerten auf Konter, trugen die Bälle immer wieder Richtung deutsches Tor, bevorzugt über die Seite von Aushilfsrechtsverteidiger Rüdiger. Der musste allerdings selten tätig werden, was vor allem einem Akteur geschuldet war: Karim Bellarabi.

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Der Leverkusener dichtete vorschriftsgemäß die Lücken in der Defensive ab, verlor kaum einen Zweikampf, brachte sein Fachwissen im Spiel gegen den Ball ein, das ihm sein neuer Trainer Roger Schmidt zuletzt vermittelt hatte. Nach 38 Minuten stand Bellarabi dann plötzlich frei am polnischen Fünfmeterraum, Götze hatte geflankt, Bellarabi hatte zuvor die Seiten getauscht und sich im Rücken der Polen davongeschlichen. Sein Schuss strich Zentimeter am rechten Pfosten vorbei (38.).

Die Deutschen streuten nun einige Angriffe im Allegro ein. Müller schoss nach feinem Pass von Schürrle knapp neben das Tor, Bellarabi schlenzte aus 15 Metern in die Arme von Polens Torwart Szczesny, kurz vor der Halbzeit drosch Hummels den Ball im Eckballgewusel aus fünf Metern über das Tor, vermutlich aus dem Warschauer Stadion. Die sonst so lautstarken polnischen Fans begleiteten das sichere Auftreten der Deutschen mit ein paar gelangweilten Pfeifeinlagen, ein größeres Kompliment konnte man der DFB-Elf kaum machen.

Die Polen ließen sich bis kurz nach der Halbzeit Zeit, dann wagten sie sich erstmals gefährlich vor das Tor von Manuel Neuer - und trafen. Erik Durm köpfelte einen langen Ball aus der polnischen Hälfte zunächst aus dem Gefahrenbereich, allerdings direkt vor die Füße von Łukasz Piszczek. Weil außer Durm niemand den linken Flügel absicherte, flankte Piszczek in aller Ruhe auf Arkadiusz Milik, Neuer stürmte aus dem Tor, er kam zu spät (51).

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Die deutsche Offensive tanzte nun wieder etwas flotter. Der letzte Pass ging jedoch meist in der engmaschigen polnischen Defensive verloren - und wenn er doch einmal ankam, schoss Durm aus zehn Metern in die Arme von Szczesny (63.), versprang Bellarabi der Ball kurz vor dem Torschuss (66.) oder senkte sich Hummels Kopfball knapp neben das Tor (72.). Die Polen wiederum lauerten jetzt phasenweise zu sechst in letzter Reihe, wehrten sich leidenschaftlich gegen die zunehmend ratloser wirkenden Deutschen.

"Ich hatte genug Chancen, eine muss ich dann auch mal nutzen", bilanzierte Bellarabi später enttäuscht. Löw würde ergänzen, er könne der Mannschaft keinen Vorwurf machen - "höchstens den, dass wir mit unseren Chancen zu fahrlässig umgegangen sind. Wir haben heute sehr viele Chancen kreiert, und Polen hat mit der ersten Chance das 1:0 erzielt."

Der Bundestrainer verstärkte nach dem Rückstand noch einmal schrittweise den Angriff, Draxler löste Kramer ab, Kruse kam für Rüdiger, nach 77 Minuten durfte dann auch Lukas Podolski anstelle des ermatteten André Schürrle mitmachen. Kurz darauf hätte der in Polen geborene Podolski beinahe den Ausgleich erzielt, sein Schuss aus der Drehung donnerte an die Latte, das Stadion (81.) verstummte kurz. Sebastian Mila traf zum 2:0-Endstand. Dann sangen die Polen im Fortissimo.

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