Eröffnungsspiel der Fußball-EM:Payet erweckt Frankreich

Eröffnungsspiel der Fußball-EM: Und dann war er doch noch drin: Dimitri Payet hämmert den Ball zum 2:1 ins Tor.

Und dann war er doch noch drin: Dimitri Payet hämmert den Ball zum 2:1 ins Tor.

(Foto: Franck Fife/AFP)
  • Die Fußball-EM beginnt mit einem interessanten 2:1 zwischen Gastgeber Frankreich und dem starken Außenseiter Rumänien.
  • Dass die Franzosen am Ende siegen, liegt an einem Kunstmoment kurz vor dem Ende - Dimitri Payet wird zum Held des Auftakts.
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Von Claudio Catuogno, Saint-Denis

"Wir sind Favorit!" Nein, das haben sie so natürlich nie gesagt in der französischen Nationalelf, über die Fußball-EM im eigenen Land. "Wir sind Favorit" - das war am Tag vor dem Eröffnungsspiel gegen Rumänien die Schlagzeile der Sportzeitung L'Équipe gewesen. Ermittelt hatte das zwar eine eher zweifelhafte Jury. Aber es hatte doch die Erwartungshaltung im Land widergespiegelt. Les Bleus, bereit für den Titel? Aber klar!

Eine Zeitlang waren sich die Franzosen da allerdings nicht mehr so sicher am Freitagabend. Das "Allez les Bleus" hallte eher aufmunternd durch das Stade de France. 1:1 stand es bis kurz vor Schluss, durch Tore von Olivier Giroud (58.) und Bogdan Stancu (65., Foulelfmeter). Die Franzosen ahnten, dass ihnen komplizierte Wochen bevorstehen könnten. Dann kam der Ball noch einmal zu Dimitri Payet.

Payet, Flügelstürmer in Diensten von West Ham United, nahm Maß, schoss - und traf mit links genau in den Winkel. 2:1 also. Gerade noch mal gut gegangen - einerseits. Andererseits brauchen Mannschaften, die Großes erreichen wollen, ja manchmal so ein Erweckungserlebnis.

Und es ist ja auch schon keine einfache Reise gewesen bis zu diesem Abend. Sie begann vor vier Jahren, nach der EM in Polen und der Ukraine, bei der es mal wieder sehr viel Streit gegeben hatte im Team. Als untrainierbar galten Les Bleus damals. Dann übernahm Didier Deschamps, der Kapitän der Weltmeister-Elf von 1998. Und tatsächlich: Bei der WM in Brasilien stellte sich zwei Jahre später eine junge, sympathische, bescheidene Mannschaft vor, die erst im Viertelfinale an den Deutschen scheiterte (0:1). Etwas EM-Vorfreude war jetzt wenigstens nicht mehr verpönt.

Dann das Freundschaftsspiel gegen Deutschland am blutigen 13. November, die vielen Toten in der Stadt, die Selbstmordattentäter vor den Toren genau dieses Stadions in Saint-Denis. Vorfreude? Die EM ist jetzt nicht mehr, als was sie mal gedacht war, sie ist nicht unbeschwert, sie ist eine Hochsicherheitsveranstaltung.

Und schließlich ist dem Nationaltrainer Deschamps auch noch die halbe Stammelf abhanden gekommen auf diesem Weg, darunter die Innenverteidigung von 2014, Raphaël Varane (Muskelverletzung) und Mamadou Sakho (positiver Dopingtest), außerdem der Stürmer Karim Benzema wegen einer undurchsichtigen Sexvideo-Erpressungs-Geschichte.

Terrorangst, Rassismus-Debatten, keine Abwehrspieler. Das waren so die Themen. Dann trat die Seine über die Ufer. In Paris stapeln sich inzwischen die Müllsäcke auf den Gehwegen, weil die Müllmänner streiken, und ab Montag sollen, ebenfalls wegen Streiks, fast jeder zweite TGV sowie einige Flüge ausfallen. Es werden, man ahnt auch das, in vielerlei Hinsicht keine reibungslosen EM-Wochen.

Viel Partymusik, wenig Fluss

Aber wenigstens der Start ist schon mal geglückt: Etwas Cancan, ein paar Luftballons, ein Pferdekarussell, rote Kussmünder - und viel internationale Partymusik. Mehr war nicht nötig bei der Eröffnungsfeier, um in den organisierten Fröhlichkeitsmodus zu schalten. Am Ende dann noch die unvermeidliche Düsenjäger-Staffel, die den Himmel blau-weiß-rot einfärbt. Frankreich, stolze Nation, trotz allem.

Dann rollte endlich der Ball. Es dauerte allerdings nur knapp vier Minuten - und beinahe wäre er den Franzosen schon ins eigene Tor gerollt. Stancu kam nach einer Ecke aus zwei Metern an das Spielgerät, Torwart Hugo Lloris konnte parieren. Was war los? Hatte sich doch zu viel Ballast auf die Schultern der Spieler gelegt nach allem, was war?

Es brauchte dann schon eine Symbol-Grätsche des robusten Flügelstürmers Antoine Griezmann von Atlético Madrid, ein Ballgewinn im Mittelfeld, um die Verunsicherung der Kollegen ein bisschen zu lösen. Im Anschluss kamen sie dem Tor der Rumänen näher und näher: Griezmann aus der Distanz, abgeblockt (10.); Giroud per Kopf nach Flanke von Payet, knapp vorbei (11.); dann wieder Griezmann - an den Pfosten (14.).

Aber es blieb doch ein Ungleichgewicht sichtbar: Die neue Innenverteidigung mit Koscielny und dem nachnominierten Rami muss sich noch finden. Und Paul Pogba, der Mittelfeldspieler von Juventus, der eigentlich der Star des Turniers werden muss, wenn man seine Präsenz auf den Titelseiten zum Maßstab nimmt - er sprang bisweilen durchs Mittelfeld wie ein ungezähmtes Fohlen. Mal genial, mal fahrlässig. Aber die Offensive blieb weiter gefährlich, auch in der zweiten Halbzeit.

Payet flankte von rechts vors Tor, Rumäniens Schlussmann Tatarusanu wurde von Giroud unfair bedrängt, der Ball flog vom Hinterkopf des Franzosen zum 1:0 ins rumänische Tor. Dann der Foulelfmeter, ausgelöst durch ein Foul von Evra. 1:1. Ernüchterung. Deschamps brachte Kingsley Coman vom FC Bayern für Griezmann, doch das war nicht entscheidend. Entscheidend war, dass Payet noch auf dem Platz stand in der 89. Minute und mit links schoss.

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