Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele:Einfach lässig

Grün, freundlich und irgendwie irre: Der englische Regisseur Danny Boyle zeigt in der Eröffnungszeremonie in London den charmanten Gegenentwurf zum straff organisierten Auftakt der Spiele 2008 in Peking - mit Schafen, der Queen als Bondgirl und viel Musikkultur.

Holger Gertz, London

Manchmal erzählt schon der Anfang die ganze Geschichte, oder er gibt wenigstens den Ton vor. Am Anfang der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von London standen: Wolken. Es hatte alles noch gar nicht richtig begonnen, als die Wolken da waren, sie standen nicht nur wie üblich am Himmel, es wurden auch künstliche Wolken durch das Stadion getragen, von Menschen, die ihren Enkeln werden erzählen können: Ich war zwar nicht als Läufer, Schwimmer, Boxer bei Olympia. Aber als Wolkenträger.

Vor vier Jahren in Peking, als von einem langen Arm alles und jeder an seinen Platz geschoben wurde, stellten sich zu Beginn Trommler im Stadion auf, mit ihren Instrumenten. Sie lachten nicht, sie lärmten nicht, sie standen nur da. Von weiter oben sahen sie aus wie das Muster eines akkurat geknüpften Teppichs. Man konnte so viel Willen zur Haltung bewundern, man konnte sich aber auch ein wenig gruseln vor der chinesischen Disziplin.

Jede Eröffnungsfeier sagt etwas über das Land, in dem die Spiele stattfinden, es wird viel geredet, bevor es losgeht, und die Engländer machten das, was man tun soll, wenn man von Debatten genug hat. Sie schickten erstmal - grundsätzlich ein prima Gedanke - Tiere in den Innenraum des Olympiastadions, das aussah wie eine altenglische Landschaft, Wiesen, Hecken, Cottages. Es erschienen Schafe und Gänse, Kühe. Auf die Teilhabe von Schweinen hatten die Organisatoren verzichtet, bestimmt auch aus Rücksicht auf die Gefühle der Gäste aus arabischeren Regionen.

Charme und Irrsin überall

Eine Geschichte ist eine gute Geschichte, wenn der brillante Anfang nicht zu viel versprochen hat. Die Briten haben viele Lieder, sie tragen sie entschlossen und gern auch etwas schräg vor, aber immer klingt es sehr schön, wenn sie singen. This isle is full of noises, hat Skakespeare geschrieben, Kenneth Brannagh las den Satz vor, der programmatisch über dem Abend stand. Die Spiele finden in London statt, wo es jede Menge Lärm gibt und haufenweise Narren und deshalb noch immer mehr Charme und Irrsinn als an irgendeinem anderen Platz auf der Welt.

Wie hätte man den Auftritt eines Staatsoberhaupts lässiger inszenieren können als so: Ein Film, ein Spot fast nur, James Bond holt die Queen mit dem Hubschrauber aus dem Buckingham-Palast. Die echte Queen natürlich, sie hat bei sowas noch nie mitgemacht. Dann Schnitt, Rotorenknattern des Hubschraubers, die Queen ist leibhaftig im Stadion, das Fest ist da erst ein paar Minuten alt, aber das Publikum ist gefesselt. Jeder, der dabei ist, spürt: war eine Superidee, das Ticket zu kaufen.

London feiert lässige Eröffnungsparty

Es liegt wenig ideologischer Ballast auf diesen Spielen, das wäre die einfache Erklärung für den Spirit der Eröffnungsfeier. Peking musste beweisen, dass alles, was man sich draußen über Peking erzählt, Propaganda ist. Athen wollte 2004 beweisen, dass Griechenland, wo die Spiele erfunden wurden, der würdigste Gastgeber von allen sei, aber dann ist ihnen beinahe das Geld für die Stadien ausgegangen. Schon damals hingen die Griechen etwas durch.

Aber von Ballast überhaupt zu sprechen, verbietet sich nach einer Show wie dieser, in der sich alles mit allem verbindet. Die Würde der Queen, der etwas ranzige Witz von Mister Bean, der Stil von Simon Rattle, die warme Arroganz der Rapperinnen, die schüchterne Coolness von David Beckham. Ein Kinderchor, der die Hymne singt. Die Arctic Monkeys als Vorgruppe von IOC-Chef Jacques Rogge. Eine Glocke, die läutet und die noch 200 Jahre im Olympiapark läuten wird. Dann kommt sie zur Generalüberholung. In 200 Jahren. Die Glockengießerei hat den Termin schon im Auftragsbuch.

Alles was schwer sein kann, ist leicht, alles was leicht ist, ist lässig. Alles, was alt zu sein schien, Olympia und Eröffnungsfeiern überhaupt, ist so jung auf einmal.

Eine dann doch sehr perfekte Antithese zu den Chinesen. Eine Hymne auf die Popkultur. Ladies and Gentlemen: London.

Eine atemberaubende Inszenierung

Tatsächlich kamen auch Pauken und Trommeln zum Einsatz, das wilde Actiontheater im Stadion leitete von Ackerbau und Viehzucht rüber zum Industriezeitalter. Es wuchsen Schornsteine aus dem Boden, auf dem die Schafe gegrast hatten, die Wolkenträger hatten sich mit ihren Wolken in die Kulissen zurückgezogen, aus den echten Londoner Wolken regnete es ein paar Tropfen, das fühlte sich sehr gut, sehr echt an. Die Chinesen hatten ihre Wolken 2008 mit Chemie vertrieben.

Danny Boyle, der künstlerische Direktor der Eröffnungsfeier, hat früher Filme wie "Trainspotting" und "The Beach" gemacht und später "Slumdog Millionär". Er hat jahrelang für das hier gearbeitet, er hat alles reingesteckt, was in ihm war, hat er neulich gesagt, seine ganze große Liebe. Sein Lieblingsmoment bei Olympia war der, als Bob Beamon 1968 über die Weitsprunggrube hinaus gesprungen ist.

Man kann das schwer vergleichen, aber Boyle hat Beamon Ehre gemacht. Sein Fest war wie damals der Sprung; ein Moment, der einem den Atem nimmt.

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