Eröffnung des Confed Cups:Putins Tore

Russlands Sbornaja nutzt das 2:0 gegen Neuseeland, um sich warmzuspielen. Aber vor allem dient der Auftakt dazu, dass der Staatspräsident sich feiern lassen kann.

Von Johannes Aumüller, Sankt Petersburg

Das Turnier ist noch nicht richtig eröffnet, da ist schon klar, um wen es in diesen Wochen in erster Linie geht. Denn erst einmal ergreifen die Mächtigen das Wort. Zunächst darf natürlich Wladimir Putin ran, der Staatspräsident, der kurz zuvor mit dem Hubschrauber eingeschwebt ist. Unten auf dem Rasen stehen die Spieler aus Russland und Neuseeland zum Eröffnungsspiel des Confed Cup bereit, wie einst die Gladiatoren vor Roms Cäsaren, während oben auf der Videoleinwand Putin zu sehen ist, wie er von der Ehrentribüne aus einen Vortrag hält. Die Akustik im Stadion ist schlecht, aber das ist dem Publikum egal. Als der Staatschef endet, gibt's tosenden Applaus.

Danach ist auch Gianni Infantino, der Präsident des Fußball-Weltverbandes, am Mikrofon zu sehen. Ein paar kurze Phrasen in der Landessprache - liebe Freunde, herzlich willkommen, danke Russland -, und schon ist auch ihm der Beifall von den Rängen gewiss. Der fällt nicht ganz so laut wie aus bei Putin, das wäre auch ein grober Verstoß gegen das inoffizielle Klatsch-Protokoll. Aber andererseits: Wo bekommt ein Fifa-Präsident überhaupt noch Applaus von seinen Zuhörern, außer vielleicht in Russland, Katar und auf einer Delegiertenversammlung seines Weltverbandes?

Dem Staatschef geht es darum, "unsere Werte wie Fairplay in die Welt" zu tragen

2:0 gewinnt Russland am Ende dieses Eröffnungsspiels des Confed Cup gegen Neuseeland, ebenso erwartungsgemäß wie verdient. Zunächst erzielt Michael Boxall ein kurioses Eigentor (31.), als er im Duett mit Nebenmann Tommy Smith zur Rettung herangrätscht, aber stattdessen den an den Pfosten prallenden Ball ins eigene Tor befördert. Später trifft noch Fjodor Smolow (69.), der auffälligste Spieler der Partie. Aber viel zu bedeuten hat der Sieg sportlich nicht, zu schwach waren die Neuseeländer. Erst am Mittwoch wird es für die Mannschaft von Stanislaw Tschertschessow ernst, dann trifft sie in Moskau auf Portugal. Und da muss sie schon mehr bieten als zum Auftakt, zu dem neben den beiden Toren und diversen weiteren Chancen auch viele ermüdende Phasen und Aussetzer im Spielaufbau gehören.

Aber es passt allen prima, wenn die Loskugeln des Weltverbandes dazu führen, dass der Gastgeber zum Auftakt zufälligerweise den schwächsten vorstellbaren Gegner erwischt. Der Sbornaja, die sich warmspielen kann; den Fans, die sich in Stimmung bringen können; und vor allem auch dem Präsidenten, der den richtigen Rahmen für seine Inszenierungen bekommt.

Putin kann für seinen Teil richtig zufrieden sein. Vor dem Anpfiff lässt er sich ausgiebig bejubeln, unter anderem für solche Sätze wie: "Der Fußball soll Staaten und Kontinente vereinigen, unsere Werte wie Fairplay in die Welt tragen." Später gibt es dann die Bilder, wie er mit Brasiliens Fußball-Legende Pelé plaudert oder wie er in Gesellschaft von Fifa-Boss Infantino freudig die Tore seines Teams registriert.

Die Sbornaja soll sportlich einiges erreichen, jetzt und in einem Jahr, das hat Putin kürzlich noch mal klargemacht. Als "echte Krieger" sollen sich die Spieler präsentieren, sagte er in seiner öffentlichen Bürgersprechstunde - und das registrierte auch die Mannschaft. "Den Jungs gefällt die Aufmerksamkeit des Präsidenten und der Fans. Sie verfolgen seine Beurteilungen", sagt der Verbandschef Witalij Mutko. Und Trainer Tschertschessow versucht sich der ständigen Frage nach dem Druck von oben mit einem Scherz zu entziehen. "Druck? Das ist doch ein Begriff aus der Medizin. Da misst man den Blutdruck."

Putin ist gewiss nicht der einzige Politiker, der den Sport für seine Zwecke zu nutzen weiß. Das tun auch andere Regierende zuhauf, autokratische wie demokratische. Aber Putin ist ein besonderer Spezialist darin. Nicht nur, wenn er sich mal wieder selbst als vermeintlich großartiger Judoka oder Eishockeyspieler in Szene setzen kann, sondern vor allem, wenn die großen Veranstaltungen anstehen.

Vor rund drei Jahren bei den Winterspielen in Sotschi war das schon gut zu sehen. Genüsslich eröffnete er die Veranstaltung, später schlenderte er gut gelaunt mit dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, die Schwarzmeer-Promenade entlang und kostete die Medaillenflut von Team Russland aus, über deren dopingbasiertes Zustandekommen damals keine Dokumente, sondern nur Ahnungen existierten. Und am Schlusstag hörte er sich stolz die Komplimente seines deutschen Buddys für die tollen Spiele an. Das war übrigens zugleich der Tag, an dem Putin den Befehl für die völkerrechtswidrige Annektierung der Halbinsel Krim gab, wie er später selbst verriet. Aber nun beim Confed Cup geht es nach seinen Worten ja darum, "unsere Werte wie Fairplay in die Welt" zu tragen.

Mit der anvisierten Stimmung ist es hingegen noch so eine Sache. In der Stadt Sankt Petersburg selbst ist noch vergleichsweise wenig zu spüren vom Event. Aber im Stadion selbst geben sich die Anwesenden recht begeistert. In einer Kurve ist alles gut vorbereitet: Da werden zum Anpfiff zwei große patriotische Transparente entrollt, und auf jedem Platz liegt ein Russland-Fähnchen, damit auch wirklich jeder mitjubeln kann. Ständig erschallt "Ros-si-ja, Ros-si-ja", und schon früh kreist die La Ola durch die Ränge.

Doch trotz der guten Stimmung muss dieser Auftakt Russlands Bossen auch Sorgen machen. Denn zirka 7000 Plätze blieben nach offiziellen Angaben leer. Und fürs zweite Turnierspiel, das Duell Portugal gegen Mexiko am Sonntagabend in Kasan, wurden kurzfristig sogar Gratisbillets verteilt, weil bis zum Wochenende nur die Hälfte der Tickets verkauft worden waren. Putins Show funktioniert aber nur richtig, wenn die Stadien auch voll sind.

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