Ermittlungen gegen Uli Hoeneß:Privataffäre? Von wegen!

Uli Hoeneß

Uli Hoeneß spricht im Jahr 2009 auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern.

(Foto: dpa)

Die Fußball-Bundesliga zeigt sich schockiert, der FC Bayern hingegen will den Anschein erwecken, als betreffen ihn die Vorwürfe gegen Präsident Uli Hoeneß nicht. Doch Hoeneß ist beim FC Bayern die Klammer für alles. Die Frage wird sein: Kann ein mutmaßlicher Steuerhinterzieher noch Präsident und Aufsichtsratschef dieser Fußball-AG sein?

Von Andreas Burkert

Diesen Montag landet die beste Fußballmannschaft des Planeten in München, der FC Barcelona. Der FC Bayern ist gerade in Rekordform und traut sich laut Sportvorstand Matthias Sammer zumindest "auf Sicht" zu, das große Barça abzulösen. Und warum denn nicht schon jetzt, im Halbfinale der Champions League, in dem am Dienstagabend das Hinspiel steigt? Das war die Ausgangslage vor diesem Spiel beim deutschen Meister - bis am Samstagmorgen die Meldung von den heimlichen Millionen des Vereinspräsidenten eintraf. Ob die mutmaßliche Privataffäre des Uli Hoeneß, 61, nicht auch Auswirkungen auf das Duell mit Barcelona habe, wurde Sammer am Sonntag gefragt.

"Völliger Quatsch", entgegnete er.

Die Saison wird von den Bayern wohl trotz der Schlagzeilen über Hoeneß mit zwei bis drei Trophäen beendet werden. Und doch stimmt es nur bedingt, wenn der Trainer Jupp Heynckes von einer reinen "Privatangelegenheit des Präsidenten" spricht. Denn sie trifft jenen Verein mit Wucht, in dem Hoeneß auch nach seinem Wechsel vom Manager- ins Ehrenamt der mächtigste Mann geblieben ist: Hoeneß ist beim FC Bayern die Klammer für alles.

Wird seine Stimme noch Gehör finden?

Doch jetzt werden Fragen kommen, auch jene, ob ein mutmaßlicher Steuerhinterzieher noch Präsident und Aufsichtsratschef einer Fußball-AG sein kann, in dessen Kontrollgremium die Vorstände von Dax-Unternehmen sitzen. In diesen Unternehmen stehen die Compliance-Programme, die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, längst ganz oben in der Hausordnung. Am Sonntag sagte Hoeneß zu Sport-Bild: "An einen Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender bei Bayern München denke ich nicht."

Eine weitere Frage, die diskutiert werden dürfte, wird sein, ob Uli Hoeneß, der die Missstände nicht nur in der Welt des Fußballs, sondern auch jene in der Welt der Wirtschaft in einem scharfen, nicht selten besserwisserischen Ton anprangerte - ob diese Stimme irgendwann, nach Ende des Verfahrens, noch einmal Gehör finden wird. Oder ob sie verstummt.

Es ist nicht einfach, zu einem möglichen Bedeutungsverlust der über Jahrzehnte ersten Stimme im deutschen Fußball erste Reaktionen zu erhalten. Man ist offenbar schockiert, will abwarten, bis Konkretes vorliegt. Der Chef eines namhaften Bundesligisten sagt, er wolle nichts sagen, zumindest nicht offiziell. Inoffiziell sei er sich aber sicher: "Die Sache wird das Lebenswerk von Uli Hoeneß zerstören."

"Der Vorgang ist für uns alle unangenehm"

Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen, sagt knapp, er "schätze die Person Uli Hoeneß viel zu sehr, diese Sache wird daran nichts ändern. Und er selbst wird sich sicherlich nicht in irgendeiner Form verbiegen lassen". Ein anderer Geschäftsführer gibt die Grundstimmung der Zunft wieder: "Uli Hoeneß steht wie kein anderer für die Integrität des Fußballs, deshalb ist der Vorgang für uns alle unangenehm."

Unabhängig von der persönlichen Ebene ist die Steueraffäre des Bayern-Chefs ein Tiefschlag für die Unterhaltungsbranche Fußball, deren Image gelitten hat unter Korruptionsvorwürfen gegen den Weltverband Fifa oder der Vergabe der WM 2022 an Katar, unter Wettskandalen und überschuldeten Klubs. Gerade Hoeneß ist es gewesen, der den Fifa-Paten Sepp Blatter hart attackierte, der dessen Integrität öffentlich infrage stellte. "Die neue Ethik-Kommission der Fifa ist ja nicht mal das Papier wert, worauf es geschrieben ist", ätzte er vorigen Sommer, eine neue Kandidatur Blatters wäre "der Witz des Jahres". Die Einhaltung der Financial-Fairplay-Regularien, eine Art Compliance-Programm für die Vereine, mahnten Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge und Hoeneß mantraartig beim europäischen Verband Uefa an. Was wird ihre Stimme noch wert sein?

"Das macht es ja so schlimm", sagt die Sportbeauftragte von Transparency International, Sylvia Schenk: "Wem kann man jetzt überhaupt noch trauen, wenn nicht Hoeneß? Der Fall ist der moralische Riesen-GAU für den gesamten Sport, der ja genug Probleme mit der Glaubwürdigkeit hat."

"Soll ich Sie anlügen?"

Glaubwürdigkeit. Wer Hoeneß kennt, weiß, dass sie für ihn eigentlich ein hohes Gut ist. "Soll ich Sie anlügen?", sagt er manchmal, wenn er mal nichts preisgeben mag und lieber schweigt. Doch jetzt muss er damit leben, dass ihn neben den Menschen, die ihn bisher schon als Boss des reichsten Klubs ablehnten, auch andere hinterfragen. Und hatte er sich nicht bereits 2003 angreifbar gemacht, als ein Geheimvertrag zwischen Bayern und der Kirch-Gruppe zur TV-Vermarktung über 42 Millionen aufflog, der Wettbewerbsverzerrung und Bestechlichkeit nahelegte?

Hoeneß ist sozial engagiert, er predigt Werte - wie das zusammenpasst mit dem angeblichen Steuerbetrug in Millionenhöhe, das muss und wird er sicher demnächst erklären. "Es kommt jetzt darauf an, wie er damit umgeht, wie er Reue zeigt, ob er alle Karten auf den Tisch legt", sagt Sylvia Schenk. Ein Geschäftsführer aus der Liga sagt: "Ich würde mir wünschen, dass die Selbstanzeige die Wirkung entfaltet, die sich Uli Hoeneß wünscht, und seiner Glaubwürdigkeit eine Hintertür öffnet."

Einstweilen nimmt, wenn er am Dienstag die Arena betritt - und er kommt, bestimmt -, ein anderer Uli Hoeneß auf der Tribüne Platz.

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