Fifa-Skandal:Fifa-Präsident beruft Sondersitzung ein

File - Sepp Blatter

Sepp Blatter.

(Foto: dpa)

+++ Fifa-Präsident Blatter trifft sich mit Vertretern der Kontinentalverbände, öffentliche Auftritte sagt er ab +++ Der frühere Fifa-Funktionär Warner stellt sich der Polizei +++ Mitgliedsverbände beraten über Blatters Wiederwahl +++ Russlands Präsident Putin kritisiert US-Justiz +++

Blatter sagt Eröffnungsrede ab

Fifa-Präsident Joseph Blatter meidet angesichts des neuerlichen Skandals im Fußball-Weltverband zunächst die Öffentlichkeit. Der 79-jährige Schweizer sollte am Donnerstagmorgen im Züricher Swissôtel die Eröffnungsrede zum zweiten Teil der Fifa-Medizinkonferenz halten. Er sagte diesen Termin jedoch ab.

Einen Auftritt Blatters beim Treffen der europäischen Fußball-Verbände am frühen Nachmittag in einem Hotel in Zürich wird es ebenfalls nicht geben. Erster offizieller Termin des Schweizers sei die Kongresseröffnung um 17:00 Uhr in einem Theater in Zürich, hieß es. Zur Stunde findet eine Sondersitzung mit Blatter und Vertretern aller sechs Konföderationen statt, wie die Fifa der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Einziger Tagesordnungspunkt sei die Situation vor dem Kongress.

In der Nacht hatte sich Blatter im Skandal um die in der Schweiz verhafteten Fußballfunktionäre zu Wort gemeldet. In einem Statement, das die Fifa auf ihrer Webseite veröffentlichte, lobt Blatter ausdrücklich das Vorgehen der schweizerischen und US-amerikanischen Ermittlungsbehörden.

"Solches Fehlverhalten hat kein Platz im Fußball und wir werden sicherstellen, dass diejenigen, die daran beteiligt sind, ausgeschlossen werden", ließ Blatter wissen.

Er kündigt weitere Konsequenzen an und verspricht, die Fifa werde mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und sich energisch dafür einsetzen, dass Fehlverhalten "ausgemerzt" werde.

Mitgliedsverbände beraten über Wahlverhalten

Nach den dramatischen Entwicklungen steht die Fifa weltweit am Pranger. Eine Mehrheit für Joseph Blatter bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen scheint zumindest nicht mehr garantiert. In mehreren Sitzungen berieten Vertreter verschiedener Konföderationen am Donnerstag über ihre Strategie vor dem für Freitag geplanten Urnengang. Mit Spannung wurde das Treffen der 53 stimmberechtigten Uefa-Mitglieder am frühen Nachmittag in Zürich erwartet.

Die Spitze des europäischen Dachverbandes Uefa hatte sich am Mittwoch in bislang nicht gekannter Deutlichkeit gegen Blatter positioniert und eine Verschiebung des Kongresses samt Wahlen gefordert. Ein Boykott der Veranstaltung im Züricher Hallenstadion wurde als Möglichkeit in Erwägung gezogen. Nach den Fifa-Statuten könnte der Kongress aber auch ohne die europäischen Mitglieder stattfinden. Für ihre harte Linie muss die Uefa-Führung um Präsident Michel Platini und DFB-Chef Wolfgang Niersbach aber bei dem Treffen ohnehin noch eine interne Mehrheit finden. Die Uefa hatte sich schon vor dem Skandal um jahrelange Korruption im nord- und südamerikanischen Fußball als einzige Konföderation zu Gegenkandidat Prinz Ali bin al-Hussein bekannt.

Unterstützung bekommen die Blatter-Gegner derweil auch aus anderen Kontinentalverbänden. Nach dpa-Informationen wollen die Vertreter der südamerikanischen Konföderation Conmebol bei internen Gesprächen am Donnerstag ihr Wahlverhalten ernsthaft überdenken. Zudem sollen Gespräche mit Funktionären der Uefa und der Concacaf-Zone aus Nord- und Mittelamerika gesucht werden.

Asiatischer Verband steht zu Blatter

Die asiatische Fußball-Konföderation AFC steht trotz des neuerlichen Skandals um den Weltverband Fifa an der Seite von Präsident Joseph Blatter. "Die AFC ist enttäuscht und traurig, spricht sich aber gegen jede Verzögerung der Präsidentschaftswahlen am 29. Mai aus", teilte der Kontinentalverband auf seiner Internetseite mit.

Die AFC versicherte, Blatter könne sich der Stimmen Asiens in seinem Bemühen um eine weitere Amtszeit gewiss sein: "Wir bestätigen unsere auf dem AFC-Kongress 2014 getroffene Entscheidung, Joseph S. Blatter zu unterstützen."

Ex-Fifa-Vizepräsident Warner stellt sich

Nach den Korruptionsvorwürfen aus den USA hat sich der frühere Fifa-Vizepräsident Jack Warner der Polizei in seinem Heimatland Trinidad und Tobago gestellt. Er soll bald gegen die Zahlung einer Kaution in Höhe von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt werden, wie örtliche Medien am Mittwoch berichteten. Zunächst sei Warner aber noch in Gewahrsam geblieben, korrigierte die Zeitung Trinidad Express frühere Angaben.

Der ehemalige Fifa-Funktionär müsse auch seinen Pass abgeben und sich zweimal pro Woche bei der Polizei melden. Der nächste Gerichtstermin findet im Juli statt. Zuvor hatte das US-Justizministerium die Auslieferung Warners beantragt. Die Ermittler werfen ihm organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche vor.

Russland kritisiert US-Ermittlungsbehörden

Der russische Präsident Wladimir Putin hat Sepp Blatter in der Korruptionsaffäre den Rücken gestärkt. Putin sagte, der Fifa-Präsident habe seine Unterstützung. Mit der Festnahme von sieben Fifa-Managern in Zürich überschritten die USA ihre rechtliche Zuständigkeit. "Das ist schon wieder ein offenkundiger Versuch der USA, ihr Rechtssystem auf andere Staaten auszuweiten", sagte Putin. Die Festnahmen seien ein Versuch, die Wiederwahl Blatters zu verhindern

Zuvor hatte bereits das russische Außenministerium die Festnahmen kritisiert. Es hieß, man hoffe, dass die Festnahmen keinen Schatten auf das Image des Fußball-Weltverbandes werfen und sich auf die Entscheidungen der Organisation auswirken.

"Einmal mehr rufen wir Washington dazu auf, aufzuhören, sich selbst als Richter außerhalb seiner Grenzen aufzuspielen und sich an allgemein anerkannte internationale Gerichtsverfahren zu halten", hieß es weiter. Im vergangenen November hatte die Ethikkommission der Fifa Russland und Katar vom Vorwurf der Korruption bei der WM-Vergabe freigesprochen.

Festnahmen in Zürich

In Zürich sind am frühen Mittwochmorgen sieben hochrangige Fifa-Funktionäre von der Kantonspolizei festgenommen und abgeführt worden. Am Donnerstag und Freitag findet in der Schweiz dennoch der 65. Kongress des Weltverbands statt. "Die heute bekannt gewordenen Enthüllungen übersteigen jedes Maß an Vorstellungskraft", sagte Ligapräsident Reinhard Rauball. "Es wäre das absolut falsche Signal, wenn unter dem Eindruck dieser Entwicklungen die Agenda des Fifa-Kongresses wie geplant abgearbeitet würde. Man darf nicht einfach zur Tagesordnung übergehen."

Die Fifa reagierte auf die Ereignisse, indem sie die verhafteten Funktionäre vorläufig für sämtliche Fußball-Aktivitäten sperrte.

Weitere Reaktionen:

Wolfgang Niersbach (DFB-Präsident): "Es ist schockierend und schädlich für den gesamten Fußball, was sich in Zürich zwei Tage vor dem Fifa-Kongress abspielt. Es wäre erschütternd, wenn sich die im Raum stehenden, schweren Vorwürfe gegen Mitglieder der Fifa als richtig herausstellen. In der Uefa werden wir angesichts dieser Vorkommnisse beraten, wie wir uns auf dem bevorstehenden Fifa-Kongress verhalten."

Prinz Ali bin Al Hussein (Jordanien/Gegenkandidat von Sepp Blatter): "Ein trauriger Tag für den Fußball."

Theo Zwanziger (ehemaliger DFB-Präsident): "Das ist ein großer Sumpf. Das Problem ist nicht damit erledigt, dass man Sepp Blatter als Präsident verhindert. Der Fehler liegt im System der Fifa. Es können sich zu viele bedienen."

Heiko Maas (SPD, Bundesjustizminister): "Die Fans haben ein Recht darauf, dass das jetzt umfassend aufgeklärt wird. Korruption darf im Fußball keinen Platz haben."

Sylvia Schenk (Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International): "Ich schließe nicht völlig aus, dass es Blatter sogar stärkt. Viele Delegierte könnten sich nach einem sehnen, der weiß, wie er die Fifa zu führen hat. Die Ermittler pokern, dass es Blatter daran hindert, nochmal anzutreten und dass es Druck auf die Fifa macht. Wenn sie etwas gegen Blatter in der Hand hätten, dann würden sie gegen ihn ermitteln. Und zwar auch schnell genug, dass sie das vor der Wahl rausbekommen. Insofern glaube ich nicht, dass sie die großen Fakten gegen Blatter haben. Es ist ein politisches Spiel."

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Simone Peter (Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen): "Es wird Zeit, den Fifa-Korruptionssumpf in Gänze trockenzulegen. Dabei kann das eingeleitete Strafverfahren rund um die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar nur ein Anfang sein. Es braucht einen umfassenden Personal- und Strukturwechsel in dieser Organisation, die sich noch vor wenigen Monaten mittels einer angeblich unabhängigen Ethikkommission vom Vorwurf der Bestechung und sonstiger Unregelmäßigkeiten freisprechen lassen wollte. Wir warten auf den Tag, an dem bei der Fifa endlich wieder der Sport und Werte wie Menschen- und Bürgerrechte im Vordergrund stehen."

Dagmar Freitag (SPD, Vorsitzende des Bundestags-Sportausschuss): "Auch hier zeigt sich, dass es offensichtlich gut ist, wenn Staatsanwaltschaften mit den ihnen zur Verfügung stehenden Instrumenten ermitteln können. Das hat eine ganz andere Qualität als von Sportverbänden selbst eingesetzte sogenannte Ethik-Kommissionen."

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