Olympia:Der richtige Typ für die Fahne

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Trägt diesmal eine weitaus größere Fahne: der Kombinierer Eric Frenzel (Archivbild). (Foto: dpa)
  • Der deutsche Kombinierer Eric Frenzel setzte sich bei der Fahnenträger-Wahl überraschend gegen die prominente Eisschnellläuferin Claudia Pechstein durch.
  • Er gilt als bodenständig und eher kamerascheu: Vielleicht ist Frenzel gerade deshalb die passende Besetzung für das olympische Amt.

Von Volker Kreisl, Pyeongchang

Das Ganze erinnerte irgendwann an den Besuch eines seltenen und hochrangigen Staatsgastes, zum Beispiel der Queen. Reporter und Kameraleute standen in Pyeongchang bereit, und mit ihnen fieberten große Teile der deutschen Öffentlichkeit der Ankunft entgegen, doch dann: Probleme am Heimatflughafen und die Meldung, die Ankunft verzögere sich um fünf Stunden, die Empfangszeremonie deshalb auch. Schließlich, nach langem Warten, ein Communiqué: "Um 18.30 Ortszeit ist der Flieger immer noch in der Luft." Turbulenzen? Schneesturm? Die Pressekonferenz verzögerte sich abermals, die Journalisten mussten sich die Zeit vertreiben, Nervosität.

Dann, um 22.00 Uhr, traf die Transfer-Limousine endlich ein, heraus stieg aber nicht die Queen, oder der Papst, sondern: Eric Frenzel.

Nötig sind auch Typen wie Frenzel

Vermutlich ist noch nie auf einen Fahnenträger des deutschen Olympiateams derart lange gewartet worden wie auf den 29 Jahre alten Nordischen Kombinierer, der sich bei der Anreise verspätete. Vermutlich ist Eric Frenzel der Rummel auch ein bisschen peinlich, denn die großen Auftritte in der Öffentlichkeit sind nicht das, was ihn zum Sport anstiftet. Und vielleicht ist er mit seinen Werten gerade deshalb eine passende Besetzung für die Rolle dessen, hinter dem der deutsche Olympiatross bei der Eröffnung der Spiele an diesem Freitag (ab 20 Uhr Ortszeit; 12 Uhr MEZ) ins Stadion von Pyeongchang einlaufen wird, sein Name genannt von den Fernseh-Kommentatoren aus aller Welt.

Ein bodenständiger Typ: Eric Frenzel. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

"And the Germans with - Eric Fränsel, a nordic combined Olympic champion!"

Die Welt wird von seinen Erfolgen wenig Ahnung haben, erstaunlich viele Deutsche schon. Frenzels Sieg in der zur Hälfte von den deutschen Sportfans entschiedenen Wahl gelang ja gegen die Favoritin Claudia Pechstein. Die 45-jährige Berlinerin schien wegen ihrer Rekord-Karriere, aber auch wegen ihrer polarisierenden Art zumindest bei einem Teil nicht nur des Eisschnelllauf-Publikums beliebt zu sein. Bei Frenzel war es umgekehrt: Den Kombinierer vom WSC Erzgebirge Oberwiesenthal kennen vermeintlich wenige, gewählt haben ihn überraschend viele.

Einer der Werte, denen die anderen Sportler hinter der Fahne durchaus folgen dürften, ist die Art, die ihn zu seinen Siegen führt. Mit diesen hat er auch einen guten Teil dazu beigetragen, dass der kombinierte Skisprung- und Langlaufsport allmählich aus seiner Nische kommt. Das geschah durch Reformen, etwa der Einführung des Verfolgungsrennens. Nötig sind aber auch Typen wie Frenzel, der sich unerbittlich in seinen Sport hängt. Er mag bescheiden wirken, aber er ist durchaus einer, der auf Rekorde aus ist, auf Marken, die ihn einmalig machen, wie zum Beispiel die Serie von fünf Gesamtweltcupsiegen nacheinander. Dafür hatte er sich Ende des Winters 2016/17 mit seinem Teamkollegen Johannes Rydzek - dem Vierfach-Weltmeister von 2017 in Lahti - in einem schweren Regenzweikampf gemessen, und letztlich seinen Vorsprung verteidigt.

Frenzel ist nicht der Sportler, der öffentlich viel redet, er hat auch keine vorgefertigten Strategien gegen krisenhafte Phasen, wie die, in der er anfangs im Olympia-Winter steckte. Am Ende sagte er, es sei eben immer der gleiche Prozess, man suche und suche nach dem Fehler beim Absprung von der Schanze, "und irgendwann merke ich, dass ich Fehler gesucht habe, die gar nicht da waren". Zeiten des Misserfolges haben eben viel mit Einbildung und Ungeduld zu tun, und doch muss er den Weg heraus stets von Neuem finden.

Das weiß er aus seiner Erfahrung aus elf Jahren im Weltcup, aber auch aus seiner Erfahrung aus bereits elf Jahren Vaterschaft; Frenzel hat drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Wer im Karriereplan krampfhaft dem Erfolg nachspürt, der macht sich unter Umständen ganz von selber locker, wenn er nach Hause kommt. Frenzel weiß, dass das Winter-Leben eines Ski-Sportlers nur selten daheim stattfindet, er erzählt, dass es auch schwierige Phasen in seiner Beziehung gab, umso kostbarer sind diese Familien-Momente für ihn, nämlich "viel, viel mehr wert als jeder sportliche Erfolg". Deswegen, sagt er, "werde ich keinen Burnout bekommen oder den Kopf in den Sand stecken, wenn es mal nicht so läuft".

Vater Frenzel hat, wenn er nach Hause kam, im Laufe der Jahre 51 Weltcupsiege, fünf WM-Goldmedaillen und drei Olympia-Medaillen (Bronze in Vancouver 2010; Gold und Silber in Sotschi 2014) mitgebracht, aber vermutlich ist seine Sammlung noch lange nicht komplett. Womöglich geht die Serie jetzt in Südkorea weiter, mit dem nächsten Titel, dazu müsste er sich aber noch deutlich auf der Schanze steigern.

Ein Titel, oder besser gesagt ein intensives Erlebnis, das des Fahnenträgers, kommt jetzt sicher schon hinzu.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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