Enttäuschung im Olympia-Slalom:"Unglücklichste Woche meiner Karriere"

Olympia Sotschi 2014 Felix Neureuther

Geschichte wiederholt sich: Felix Neureuther scheidet bei Olympia aus.

(Foto: REUTERS)

Felix Neureuther fädelt ein, Fritz Dopfer fehlen fünf Hundertstelsekunden zu Bronze: Die deutschen Slalomfahrer erleben ihr olympisches Drama. Bei Neureuther wiederholt sich Geschichte. Ärger gibt es um den Kurssetzer des zweiten Laufs.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Fritz Dopfer stierte den Hang hinauf. Nur ein Fahrer musste noch ausscheiden, nur einer noch, auf diesem sehr schwierigen Slalomkurs in den Bergen von Krasnaja Poljana. So kurz stand er davor, eine Medaille bei Olympia zu gewinnen. Er, Fritz Dopfer, der im Schatten von Felix Neureuther immer ein wenig unbeachtet blieb.

Zwölf Fahrer hatte es im zweiten Durchgang schon erwischt, Dopfers Hoffnungen waren durchaus berechtigt. Doch oben stand nur noch Mario Matt, der überragende Österreicher. Matt wackelte nicht, brachte seinen Lauf ins Ziel, wurde Olympiasieger. Die Winzigkeit von fünf Hundertstelsekunden fehlte Dopfer auf Bronze.

"Wenn es nur fünf Hundertstel sind, dann ist das extrem bitter", klagte Dopfer nach dem Rennen. Der 26-Jährige spricht nie sonderlich aufgeregt, nun legte sich auch noch Enttäuschung auf seine Stimme. "Letztlich ist es Platz vier", sagte Dopfer, "davon kannst du dir bei Olympia herzlich wenig kaufen."

Für die deutschen Männer war es ein dramatisches Finale der alpinen Skiwettbewerbe von Sotschi. Auf dem Slalom-Podest standen drei Männer, die es zweifellos verdient hatten: Matt, der neue Olympiasieger, daneben sein Landsmann Marcel Hirscher. Und der Norweger Henrik Kristoffersen, der sich im zweiten Durchgang mit einer furiosen Fahrt von Platz 15 auf Rang drei verbessert hatte - und die entscheidenden Hundertstelsekunden schneller war als Dopfer.

Direkt nach Dopfer kam Neureuther und klagte sein Leid. Hätte er seinen zweiten Lauf heruntergebracht, er hätte wohl eine Medaille gewonnen, so viele der vor ihm platzierten Fahrer schieden aus. Doch Neureuther fädelte ein, im Mittelteil. Schon 2006 und 2010 war er im Slalom ausgeschieden, in Vancouver schon nach 26 Sekunden. Die Geschichte wiederholte sich.

Es sei schwer für ihn, die richtigen Worte zu finden, sagte Neureuther nun. Nur eine Woche nach seinem Autounfall und der Ungewissheit, ob er überhaupt starten konnte, hatte er sich für fit erklärt. Er hatte sich gut gefühlt, wollte er endlich seine erste Olympiamedaille gewinnen. "Es hätte eine coole Geschichte werden können", klagte Neureuther, "aber jetzt ist es die unglücklichste Woche meiner Karriere."

Gleich Stange unterm Ski

Schon die erste Stange nach dem Start war ihm unter den Ski geraten, im Mittelteil war dann endgültig Schluss. Den Autounfall kurz vor seiner Abreise nach Sotschi wollte er nicht als Entschuldigung heranziehen. "Wenn ich an den Start gehe, gibt es keine Ausreden", sagte Neureuther, "wegen des Unfalls habe ich nicht eingefädelt."

Dass sein Teamkollege Dopfer an einem solchen Tag nur Vierter wurde, überraschte Neureuther nicht: "Das passt ziemlich gut dazu."

Auch Alpin-Direktor Wolfgang Maier versuchte, das Geschehene in Worte zu fassen. Neureuther hatte bis zu seinem Unfall eine starke, fast fehlerfreie Saison gezeigt. Maier glaubte ihn endlich in der Verfassung, dass er bei Großereignissen seine Nerven im Griff hat. Dass Neureuther nun ausgerechnet beim Höhepunkt einfädelte, sei "schon ein Wahnsinn", befand Maier.

Über Dopfer sagte er: "Es tut mir für ihn persönlich leid. Fritz zeigt guten Sport, aber steht immer im Schatten vom Felix." Bronze wäre für ihn ein "persönlicher Befreiungsschlag" gewesen. So fahren die deutschen Männer erneut ohne Medaille nach Hause.

Maier befand, dass drei würdige Medaillengewinner auf dem Podest standen. Die Kurssetzung musste er trotzdem kommentieren. Die Stangen des zweiten Laufs hatte Ante Kostelic platziert, der Vater und Trainer von Ivica Kostelic. Kostelic ist berüchtigt für seine Kunst, er steckt extrem kompliziert und unrhythmisch. In Kitzbühel wurde er vor Jahren einmal als Kurssetzer abgesetzt, weil es von den Trainern so viele Beschwerden gab.

Auch diesmal war es ein enorm selektiver Kurs. Zu selektiv, erklärte Maier. "Unwürdig", sei der zweite Durchgang gewesen: "Ab einem gewissen Alter hat man hier nichts mehr zu suchen." Sogar Tagessieger Matt sagte, es sei "ein bisschen viel gewesen". Ante Kostelic ist bereits 75 Jahre alt. Er hatte mal wieder ein Skirennen nach seinem Gusto gestaltet.

Ganz vorne krönten zwei Österreicher einen der erfolgreichsten Olympiatage in der Geschichte der kleinen Alpenrepublik. Gold für Matt, Silber für Hirscher - fünf Medaillen haben die Österreicher damit an diesem Samstag gewonnen. Eine solche Bilanz gab es zuvor erst zweimal, 1992 in Albertville und 2006 in Turin.

"Alles muss passen an so einem Tag", sagte Matt, "ich wollte heute einfach nur Ski fahren und gucken, was passiert." Am Ende war ihm Gold passiert. Mit 34 Jahren ist er nun der älteste Olympiasieger bei alpinen Wettbewerben. Damit gehörte er zu den beliebteren älteren Männern dieses Tages.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: