Entscheidung in Barcelona:Das Landgericht macht Ernst

Lesezeit: 3 min

21 Monate Gefängnis, mehr als 3,5 Millionen Euro Strafe: Lionel Messi und sein Vater werden wegen Steuerhinterziehung verurteilt, bleiben aber wohl in Freiheit.

Von Peter Burghardt

Am Tag, als Lionel Messi zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, ging das Geschäft natürlich weiter. Laut Berechnungen des Fachblatts France Football bezieht der weltbeste Fußballspieler im Jahr ungefähr 74 Millionen Euro - 36 Millionen Euro Gehalt und drei Millionen Euro Prämien vom FC Barcelona sowie 35 Millionen Euro aus Werbeeinnahmen. Er wäre damit der bestbezahlte Sportler überhaupt, wobei Forbes den Portugiesen Cristiano Ronaldo von Real Madrid mit angeblich 78 Millionen Euro noch höher einstuft. Für die Messis ist das Geldverdienen nun allerdings teuer geworden, denn das Landgericht in Barcelona machte Ernst. Die Richter verdammten den Angreifer und seinen Vater Jorge am Mittwoch zu je 21 Monaten Gefängnis und Geldbußen in Höhe von zusammen knapp 3,7 Millionen Euro. Das Finanzamt hatte den beiden Argentiniern vorgeworfen, mit Hilfe von Scheinfirmen 4,1 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. In Zellen einrücken müssen die zwei zwar kaum, das ist bei Ersttätern und Strafen von unter zwei Jahren in Spanien unüblich. Es ergeht ihnen voraussichtlich nicht wie Uli Hoeneß in dessen Steuerfall in Deutschland. Lionel Messi, 29, wird auch in der kommenden Saison weiterspielen. Aber die Ankläger setzten sich trotzdem weitgehend durch, obwohl Verteidiger bis zuletzt versucht hatten, zumindest den Stürmer zu schützen.

An dem Vergehen an sich bestand längst kein Zweifel mehr. Zwischen 2007 und 2009, um diesen Zeitraum ging es bei diesem Prozess, kassierte Messi Junior mit seinen Rechten an Namen und Bild 10,1 Millionen Euro, ohne einen Cent an den spanischen Fiskus abzuführen. Diese Hoheitsrechte sind Gold wert. Konzerne wie Adidas oder Pepsi machten bereits in den Anfängen mit dem Wunderkind Reklame und bezahlten fürstlich. Messi Senior und Berater sorgten dafür, Nebeneinkünfte durch Briefkastenfirmen in der Schweiz, Großbritannien, Uruguay und der Karibik zu schleusen. Die Rechte des damals Minderjährigen waren deshalb 2005 für lächerliche 50 000 Euro an ein Unternehmen in Belize verscherbelt worden. Das Manöver flog auf, die unversteuerten 4,1 Millionen Euro plus Zuschlag hat Messi erstattet. Nun ging es um die Frage, wer schuld ist.

Lionel Messi (links) und sein Vater Jorge Horacio Messi am 2. Juni vor Gericht in Barcelona. (Foto: Poolfoto/Reuters)

Nur Jorge Messi, fand sogar die Staatsanwaltschaft. Sie folgte den Argumenten von Lionel Messi, der blindes Vertrauen vorgab. So trickreich man ihn auf dem Platz kennt, so arglos gab er sich in Finanzfragen. "Ums Geld kümmert sich mein Papa", versicherte Messi und verwendete dabei den in Lateinamerika beliebten Begriff "plata", Silber. "Ich habe keine Verträge und Papiere gelesen, die ich unterschrieben habe", erklärte er bereits 2013. "Ich habe unterschrieben, was mein Papa mir sagt, ich schaue da weder hin noch frage nach." Er sei "ein Profifußballer, den nur der Ball interessiert", so seine Anwälte. Das Finanzamt dagegen hält beide Messis für unglaubwürdig. Es nervt die Behörden schon lange, dass spanische Klubs Vermögen absahnen, absurde Löhne zahlen und Hunderte Millionen Euro an Steuerschulden anhäufen. Ihr Jurist Mario Maza, Barça-Fan, verglich Lionel Messi etwas gemein mit einem Capo, dem Kopf "einer kriminellen Struktur". Es könne ja sein, dass die Messis von Steuerdingen keine Ahnung hätten. Aber sie sollten verstehen, dass man Steuern zahlen müsse. "Das versteht auch ein zehnjähriges Kind." Der FC Barcelona klagt, das Verdikt sei zu hart. Lionel Messi habe sich nachweislich nicht um seine Steuern und Finanzen gekümmert. Er trage "keine strafrechtliche Verantwortung", der Klub werde ihn und seinen Vater unterstützen. Gary Lineker, einst Torjäger für England und Barça und heute Fernsehkommentator zieht einen anderen Schluss aus 21 Monaten Haft ohne Gefängnis: "Steuerbetrüger aus aller Welt werden nach Spanien ziehen wollen."

Es half dem Mann mit der Nummer 10 jedenfalls wenig, dass er seine Version kürzlich im Anzug vor Gericht wiederholte. Lionel Messi reiste aus Argentiniens Trainingslager für die Copa América in den USA an. Nachher verschoss er im Finale gegen Chile einen Elfmeter und verpasste einmal mehr einen Titel im Namen des Vaterlandes. Anschließend erklärte der neuerdings bärtige Kapitän im Frust seinen Rücktritt aus der Nationalelf, am Dienstag gab auch der Trainer Gerardo Martino auf.

Argentinien hofft dennoch auf die Rückkehr des Messias Messi, jetzt reiht sich der Genius erst mal in die Liste der überführten Trickser ein. Sein Barceloneser und argentinischer Mitstreiter Javier Mascherano war zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt worden, der Brasilianer Neymar musste bisher nur zahlen. Im April wurde außerdem bekannt, dass die Messis wie andere Krösusse und Staatschefs in den Panama Papers der Kanzlei Mossack Fonseca vorkamen. Die Gier, das ahnen die Messis vielleicht, ist gefährlicher als der Ball.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: