Enrique "Quini" Castro:Sie nannten ihn "Hexer"

Spanischer Fußballspieler Enrique Castro 'Quini' gestorben

"Das unmögliche Tor": Ein berühmter Treffer Quinis gegen Rayo Vallecano aus dem Jahr 1979

(Foto: dpa)

Mit dem Tod von Enrique "Quini" Castro verliert Spanien einen seiner erfolgreichsten Stürmer - und den wohl einzigen Spieler seiner Fußballgeschichte, den alle mochten.

Nachruf von Javier Cáceres

Als Bernd Schuster 1993 in die Bundesliga zurückkehrte und ein Engagement bei Bayer Leverkusen antrat, rieben sich viele Beobachter verwundert die Augen. Der Mittelfeldspieler, der in Spanien zur Legende geworden war, aber die besten Jahre seines Fußballerlebens der deutschen Nationalelf vorenthalten hatte, wurde jenseits des Rasens von einem Bodyguard bewacht. Schuster hatte ihn als Folge der Entführung eines früheren Mitspielers beim FC Barcelona verpflichtet: Enrique Castro, genannt Quini, ein Mittelstürmer, der fünf Mal Torschützenkönig der Primera División war und nun in ganz Spanien beweint wird. "Nie hat sich jemand finden lassen, der ein schlechtes Wort über ihn verloren hätte", schrieb die Zeitung El País am Mittwoch.

Quinis Verschleppung gehört zur kollektiven Erinnerungswelt der Spanier. Er wurde am 1. März 1981 entführt, als sich das Land noch nicht von den dramatischen Ereignissen des vorangegangenen 23. Februar erholt hatte: Faschistische Angehörige der Streitkräfte hatten das Parlament in Madrid gestürmt, um die Demokratie, die in den Kinderschuhen steckte, zu stürzen. Quinis Entführung war ein weiteres Symbol für die Unwägbarkeit jener Tage.

Das Stadion der "Schande von Gijón" war der Ort, wo Quini zur Legende wurde

An jenem 1. März hatte Quini zum Flughafen fahren wollen, um seine Frau und Kinder abzuholen. Drei Männer passten ihn ab, hielten ihm eine Pistole an den Kopf, zwängten ihn in eine Holzkiste, die 105 Zentimeter lang, 75 Zentimeter breit und 65 Zentimeter hoch war und fuhren ihn 300 Kilometer nach Saragossa. Sie hielten ihn 25 Tage in einem 8,75 Quadratmeter großen Kellerraum fest, zu Essen reichten sie ihm jeden Tag ein Sandwich. Befreit wurde Quini, nachdem ein Entführer bei der vorgetäuschten Lösegeldübergabe in der Schweiz in die Falle tappte. Danach ging Quini zur Polizei, um seinen Peinigern, drei Arbeitslosen, öffentlich zu vergeben. Der FC Barcelona zog vor Gericht - und forderte - erfolglos - eine Entschädigung für die verlorene Meisterschaft.

Quini wurde 1949 im asturischen Oviedo geboren, doch im Fußball wurde er bei Sporting Gijón groß, dem Verein der Nachbarstadt. Sein Profidebüt feierte Quini 1969 in der zweiten Liga, danach wurde er zur Sporting-Legende. Im "El Molinón", dem Stadion der "Schande von Gijón" der WM 1982 (Deutschland und Österreich kegelten Algerien aus dem Bewerb), wurde der Ruf "¡Ahora! ¡Ahora! ¡Ahora, Quini, ahora!" (Jetzt, Quini, jetzt!) zu einem Echo, das bis heute nicht verhallt.

In jenen Jahren duzte sich das kleine Sporting mit den Großen der Liga, auch dank der Treffer von Quini, dem "Hexer", der 1978 und 1982 WM-Teilnehmer war. Barça wollte ihn schon Mitte der Siebziger an die Seite von Johan Cruyff stellen. Erst 1980, als Quini fast 31 war, stimmte Sporting dem Transfer zu. Er wurde noch zwei Mal Torschützenkönig (insgesamt kam er auf 219 Erstligatore), an der Seite von Diego Maradona und Bernd Schuster, der in Quini einen Freund fand. "Er ist einer der besten Menschen, die ich je kennengelernt habe", sagte Schuster am Mittwoch.

Quini kehrte 1984 nach Gijón zurück und wurde nach dem Ende seiner Karriere 1987 Teambetreuer, Botschafter und Ratgeber von Sporting-Eigengewächsen wie David Villa: "Ich erinnere mich, dass Du mich gebeten hast, ein besserer Stürmer zu werden als Du. Vergib mir, dass ich es nicht vollbracht habe. Aber es ist eine unmögliche Mission für jeden Stürmer, der es versucht", sagte der Weltmeister von 2010, nachdem er erfahren hatte, dass Quini der Tod ereilt hatte - 25 Jahre nachdem Quinis Bruders Jesús, der bei Sporting Torwart war, dabei ertrank, als er das Kind eines Touristen aus dem Meer zog.

Damals war die Anteilnahme der Spanier so groß wie vor einigen Jahren, als Quini an Rachenkrebs erkrankte. Am Dienstag brach Quini 68-jährig auf offener Straße in Gijón zusammen, ob eines Infarkts, der zeigte, dass auch die größten Herzen nicht davor gefeit sind, zu versagen.

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