Englischer Fußball:Zahlt endlich!

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Klammer Besitzer, offene Rechnungen - die drohende Insolvenz des englischen Klubs FC Portsmouth stellt das gesamte Geschäftsmodell der Premier League in Frage.

Raphael Honigstein

Das Finanzamt Ihrer Majestät bewies Sinn für Dramatik. Wenige Stunden vor dem Spiel am Mittwoch gegen den FC Arsenal, dem letzten Premier-League-Match des Jahres 2009, bestätigte "Her Majesty's Revenue and Customs (HRMC)", dass gegen den FC Portsmouth ein Zwangsauflösungsverfahren eingeleitet worden sei. Die Behörde fordert seit Monaten unbezahlte Steuern in Höhe von 6,6 Millionen Euro, und natürlich war der Zeitpunkt der Androhung wohl gewählt: Pompey wird pünktlich zur Öffnung des Transferfensters unter Druck gesetzt, die Steuerschuld mit Erlösen aus Spielerverkäufen zu begleichen.

Jonglieren ohne Lohn: Kevin-Prince Boateng, einst bei Hertha BSC und in Dortmund, wartet in Portsmouth wieder mal aufs Gehalt. (Foto: Foto: Reuters)

Portsmouth-Besitzer Ali Al-Faraj muss jedoch weitere Rechnungen begleichen. Premier-League-Vereine, ausländische Klubs und nicht zuletzt der ehemalige Eigentümer Alexandre Gaydamak fordern mehr als 50 Millionen Euro. Am Tag nach dem 1:4 gegen Arsenal konnte der Tabellenletzte erneut die Gehälter seiner Profis nicht pünktlich überweisen. Ein Klubsprecher sprach von einem "technischen Fehler", der Eigentümer und der Vorstand würden "hart daran arbeiten, die zeitliche Verzögerung zu beheben". In Kürze kämen die Löhne. "Von uns weiß niemand, was los ist", gab Portsmouth-Verteidiger Steve Finnan zu. Der klamme Eigner hat immerhin Unterstützung von der Basis erhalten: "Ich habe Ali Al-Faraj 1,50 Pfund für einen Kaffee geliehen", war beim Arsenal-Spiel auf einem Transparent zu lesen.

Die Spielergewerkschaft (PFA) will Anfang der Woche klären, wie schlimm es um den FC Portsmouth wirklich steht. Die Premier League hat bereits ein Verbot von Spielerkäufen ausgesprochen, das erst aufgehoben wird, wenn der Klub aus der Hafenstadt ausstehende Transfersummen gezahlt hat. Gervais Martel, Präsident des RC Lens/Frankreich, fühlt sich "betrogen", weil die Engländer mit der Ratenzahlung für den 4,7-Millionen-Mann Nadir Belhadj im Rückstand sind und nicht die vereinbarten 4,5 Millionen Euro für Aruna Dindane überweisen wollen. "Man sollte sie wie Mouscron (insolventer Klub in Belgien/Anm. d. Red.) aus der Liga schmeißen", forderte Martel.

Das Finanzamt hat eine Gnadenfrist bis Mitte Februar gewährt. Schafft Al-Faraj das Geld nicht ran, könnte Portsmouth als erster Premier-League-Klub bankrott gehen. Schon die Vorstufe dazu, ein Insolvenzverfahren, wäre aus sportlicher Sicht katastrophal. Die Premier-League-Statuten sehen einen Abzug von neun Punkten für zahlungsunfähige Klubs vor. Die vom Israeli Avram Grant, vormals FC Chelsea, trainierte Elf würde garantiert absteigen.

Ein Scheich der finanzschwachen Art

Die Fans des Arbeitervereins sind verzweifelt. Das Unheil begann im August, als Gaydamak, ein französisch-russischer Unternehmer, den Klub nach dreieinhalb guten Jahren an Sulaiman Al-Fahim verkaufte. Al-Fahim, Immobilienunternehmer aus Abu Dhabi, zahlte offiziell 70 Millionen Euro für Portsmouth, hatte aber kaum Mittel für den täglichen Firmenbetrieb. 40 Tage nach der Übernahme wurde Portsmouth ein zweites Mal übernommen. Doch auch der neue Besitzer, Al-Faraj, erwies sich bisher als Scheich der finanzschwachen Art.

Da der Saudi noch kein Spiel im Fratton Park besucht hat und sich ausschließlich von seinem Londoner Anwalt Mark Jacob und Bruder Ahmed vertreten lässt, wird in den Fanforen angezweifelt, dass Al-Faraj tatsächlich existiert. Der Guardian spekuliert, dass sich hinter ihm israelische und arabische Immobilienhändler verstecken könnten, und auch Gaydamak gibt an, über "die Identität des ultimativen Besitzers" im Unklaren zu sein. "Ich bin so frustriert wie die Fans und würde gerne wissen, ob und wann ich mein Geld bekomme", sagte der 33-Jährige, dem nach eigener Aussage weit mehr als 30 Millionen Euro zustehen.

Lange wird die reichste Liga der Welt der Südküsten-Farce nicht mehr zusehen können. Die Geschehnisse in der 170.000-Einwohner-Stadt stellen das gesamte Geschäftsmodell der Premier League in Frage. Bisher konnten selbst stark angeschlagene Klubs und ihre Eigner darauf vertrauen, rechtzeitig von neuen, potenteren Investoren gerettet zu werden. Was in Portsmouth passiert, zeigt, dass diese Variante des Schneeballsystems die Finanzkrise nicht überstanden hat.

Wie so oft in England wenn es ernst wird, wird erst mal gelacht. Gegnerische Fans haben den Portsmouth-Kampfruf ("Pompey, play up! Play up, Pompey!") umgedichtet. In: "Pompey, pay up!". Zahlt endlich!

© SZ vom 02.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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