Englische Nationalelf:Rooney ist fit - muss aber zusehen

Englische Nationalelf: Wird Wayne Rooney (links) die englischen Farben noch einmal vertreten? Unter Teamchef Gareth Southgate (Mitte) sieht es derzeit nicht so aus,

Wird Wayne Rooney (links) die englischen Farben noch einmal vertreten? Unter Teamchef Gareth Southgate (Mitte) sieht es derzeit nicht so aus,

(Foto: Joe Klamar/afp)
  • Beim Länderspiel gegen Deutschland steht Englands Wayne Rooney nicht im Kader - obwohl er sich fit gemeldet haben soll.
  • Als Erklärung führt Teamchef Gareth Southgate die fehlende Spielpraxis Rooneys bei Manchester United an sowie dessen zunehmenden sportlichen Wertverlust.
  • Der Beziehung der beiden, die einst gemeinsam für England auf dem Rasen standen, hat ohnehin gelitten.

Von Sven Haist

Was sind schon sieben Spiele für einen, der seine Profikarriere mit 16 Jahren begann und 320 Tore in 746 Partien erzielt hat? Sind sieben Spiele da noch eine Herausforderung? Zumal nach dem Gewinn von fünf Meisterschaften, elf Pokalen und der Champions League? Gemessen an der sportlichen Lebensleistung des Angreifers Wayne Rooney verkommen sieben Spiele zu einer Winzigkeit. So viele müsste er auf seine 119 Einsätze im Trikot der Three Lions draufpacken, um Torhüterlegende Peter Shilton als alleinigen Rekordnationalspieler Englands abzulösen.

In seiner Hochzeit hätte Rooney, 31, über sieben Partien gar nicht nachgedacht, sondern sie einfach nacheinander weggespielt: zuerst Deutschland, dann Litauen, Schottland, Frankreich, Malta und die Slowakei. Mit dem Qualifikationsspiel gegen Slowenien in Wembley am 5. Oktober 2017 hätte Englands Kapitän sein persönliches Ziel erreicht. Doch die Bestmarke Shiltons dürfte ein Wunschtraum bleiben.

Während seiner Probezeit taktierte Southgate gewieft

Erstmals seit seinem Debüt im Februar 2003 (beim 1:3 gegen Australien) ist Rooney nicht nominiert, wenn die Nationalmannschaft verreist. Obwohl er sich trotz anhaltender Verletzungsprobleme fit gemeldet haben soll. Die Nicht-Berücksichtigung des englischen Rekordtorschützen für den Test gegen Deutschland am Mittwoch in Dortmund und das WM-Qualifikationsduell mit Litauen vier Tage später traf die Insel nahezu unvorbereitet.

Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass Gareth Southgate es bei seiner ersten Nominierung - nachdem er jüngst auch offiziell zum Nationalcoach Englands befördert wurde - tatsächlich wagen würde, Rooney außen vor zu lassen (bei einem 26 Mann starken Aufgebot und ohnehin drei verletzten Stürmern). Als Erklärung führt Southgate die fehlende Spielpraxis Rooneys bei Manchester United an sowie dessen zunehmenden sportlichen Wertverlust; auch am Sonntag beim 3:1 seines Klubs in Middlesbrough stand er nicht im Kader. Bedeutet konkret: Aus Sentimentalität wird Rooney unter Southgate nicht Rekordspieler.

Ohnehin hat die Beziehung zwischen diesen beiden gelitten, die einst gemeinsam für England auf dem Rasen standen. In der zweiten Partie unter Southgate, der zunächst als Interimstrainer begann, saß der Spielführer auch nur auf der Bank. Southgate hätte ihn bei seiner Amtsübernahme gleich streichen können, aber das erschien dem gewieften Strategen während der Probezeit zu waghalsig. Bis Ende November war ja unklar gewesen, dass Southgate vom englischen Verband einen Vertrag bis zum Sommer 2020 erhält. Seit er diesen bekommen hat, schreckt er vor nichts und niemandem zurück.

"Können wir über James Ward-Prowse reden?"

Auf der Pressekonferenz am Donnerstag dozierte Southgate, 46, über das anhaltende Scheitern des Nationalteams bei Großereignissen. In den letzten 27 Jahren, rechnete er vor, habe England lediglich drei Entscheidungsspiele gewonnen. Das bislang letzte bei der WM 2006 in Deutschland. Seine Botschaft: An diesem Montag will er seinen Spielern einen Vortrag zum Thema halten - und darüber, wie die Zeit bis zur WM 2018 in Russland zu gestalten sei. Eingeladen zu dieser Sitzung ist übrigens auch Wayne Rooney. Dann reist der Kader nach Dortmund, und Rooney, so er denn kommt, reist nach Hause.

Zu dessen Zukunft sagt Southgate auf der Pressekonferenz nahezu nichts. "Können wir über James Ward-Prowse reden?", konterte er ein entsprechendes Auskunftsbegehren. Den Spieler des FC Southampton hat Southgate überraschend berufen. Eine Witzelei sollte das sein, aber da Rooney zu den erfolgreichsten Repräsentanten des englischen Fußballs zählt, interpretierten es einige Medien bereits als Ungehörigkeit. Zumal sich Rooney in 15 Profijahren einen Status erworben hat, der weit über die Leistungen des gelernten Innenverteidigers Southgate (57 Länderspiele, zwei Tore) hinausgeht.

Bei Rooney denken viele Engländer noch immer an den wilden, etwas rüpelhaft aussehenden Jungen, der als 16-Jähriger für den FC Everton in der Schlussminute einfach mal draufhielt - und zum 2:1 gegen den FC Arsenal traf. Aus dem unberechenbaren Rabauken ist inzwischen ein dreifacher Familienvater geworden. Seine Heimat hat er im Nordwesten Englands, von dort aus zog es ihn nie woanders hin.

Abgesehen von ein paar kleineren körperlichen Schwierigkeiten hat Rooney in seiner Karriere nie länger ausgesetzt. Sportlich ist er gereift, von Rooneys Umsicht profitieren Mitspieler, Trainer, Offizielle - nur er selbst tut es immer weniger. Die Verantwortung als Spielführer, die ihm im Sommer 2014 sowohl für Manchester United als auch Englands Nationalteam übertragen wurde, hat ihm das hitzköpfige Temperament genommen, das Draufgängerische. Und damit seine größte Stärke.

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