Auf Marcus Rashfords königsblauem EM-Anzug fehlen die "Drei Löwen", für eine ordnungsgemäße Turnierausstattung des 18-Jährigen war in den vergangen Monaten alles zu schnell gegangen. Im März, als der Verbandsschneider Marks & Spencer bei den aussichtsreichsten EM-Kandidaten von Trainer Roy Hodgson Maß genommen hatte, sorgte der ungeniert an Gegnern vorbeirasende Teenager-Stürmer von Manchester United zwar schon für Aufregung im Old Trafford. An einen sommerlichen Auftrag im Dienste Ihrer Majestät hatte damals aber noch niemand ernsthaft gedacht. Rashfords Nominierung nach nur 18 Profi-Matches und acht Toren traf M&S vor 14 Tagen so unerwartet, dass bei der nachträglichen, eiligen Anfertigung der Ausgehuniform das Raubtierwappen der Football Association vergessen wurde.
Macht aber nichts. Der in Wyhtenshawe, einem ländlichen Viertel von Manchester aufgewachsene Junglöwe braucht kein Emblem auf der Brust, er taugt ja selbst als Symbol: für ein England, das mit einem besonders jungen Kader zur EM fährt - Altersdurchschnitt: 25 Jahre, 10 Monate - und fest entschlossen ist, seine Schwächen in der Defensive und das eher ruckelige Kombinationsspiel mit Geschwindigkeit und Wucht im Angriff zu kompensieren.
Rashford, seit dem Alter von sieben Jahren bei United, kam im Februar im Europa-League-Spiel gegen Midtjylland (5:1) zu seinem Debüt für die erste Elf, er traf auf Anhieb doppelt. Ende Mai brauchte der 1,80 Meter große Mann mit dem Gespür für den entscheidenden Moment nur 135 Sekunden, um bei seinem Nationalelfdebüt gegen Australien (2:1) das Netz zu finden. Kapitän Wayne Rooney lobte den Vereinskollegen danach als "erfrischende Bereicherung" und rastlosen Sprinter, der auch im Hotel und auf dem Trainingsplatz mit vorbildlicher Einstellung auffalle.
Verlegen ob des Tempos der eigenen Entwicklung
Rashford sagt, wie die meisten Fußballer auf der Insel, wenig, lacht dafür aber viel. Er wirkt sehr sympathisch und etwas verlegen ob des Tempos der eigenen Entwicklung. "Es wird interessant sein, ob er seine speziellen Fähigkeiten auch auf Top-Niveau ausspielen kann", sagt Hodgson. "Er spielt in einer Linie mit der Abwehr, das macht jeder Defensive Angst", weiß Nationalverteidiger Chris Smalling.
Dennoch wird Rashford in der Gruppenphase hinter dem englischen Torschützenkönig Harry Kane (25 Tore für Tottenham), Jamie Vardy von Überraschungsmeister Leicester und Daniel Sturridge (Liverpool) nur vierte Wahl sein für den Posten vor oder neben dem als Skipper des Teams gesetzten Rooney; das ist jedoch genau der Aspekt der Rashford-Personalie, die am optimistischsten stimmt: Hodgson, 68, hat seit der Blamage bei der WM 2014 (Aus nach nur zwei Partien) eine halbe Mannschaft aus neuen, unverbrauchten Kräften hinzubekommen, die sich dank verbesserter Ausbildung und professionellerem Lebenswandel gegen die teuren Importe behaupten. Eine erfolgreiche EM von Rashford & Co. könnte umgekehrt auf die Liga abstrahlen - indem sie einige Trainer ermuntert, es wie Tottenhams Mauricio Pochettino oder United-Ex-Coach van Gaal zur Abwechslung mit eigenen Talenten zu versuchen.
