England bei der Rugby-WM:Strafversetzt ans Ende der Welt

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Oben auf: Australiens Kane Douglas (links) gegen Englands Geoff Parling. (Foto: dpa)
  • Nach dem vorzeitigen Aus bei der Heim-WM setzt es für Englands Rugby-Team jede Menge Kritik, Spott und Häme.
  • "Demütigung für England", schreiben die Zeitungen.
  • Alles dürfte nun hinterfragt werden.

Von Tobias Schächter, London/München

"Die Rose welkt." Oder: "Demütigung für England." So lauteten die sachlichen Reaktionen und Kommentare der englischen Zeitungen auf das vorzeitige Ausscheiden der englischen Rugby-Auswahl bei der WM im eigenen Land. Das Boulevardblatt Daily Star hingegen sah gleich das gesamte Vereinigte Königreich nach der 13:33-Niederlage am Samstagabend gegen Australien ans "Ende der Welt" strafversetzt. Der tiefe Fall des englischen Rugbysports wird auf der Insel in einer Mischung aus Verzweiflung und Ungläubigkeit wahrgenommen; die Spieler werden als "unreif und ahnungslos" beschimpft, Trainer Stuart Lancaster muss sich der "Verblendung" bezichtigen lassen.

Das WM-Debakel des Rugby-Teams sei eine der größten Niederlagen in der englischen Sportgeschichte, jammern Kommentatoren. Seit 1987 wird alle vier Jahre eine Weltmeisterschaft im Rugby ausgetragen, und noch nie war ein Gastgeber bereits in der Gruppenphase ausgeschieden. Bis es am Samstagabend England erwischte. Im Twickenham Stadium, dem "Home of England Rugby" im Süden Londons! Größer kann ein Scheitern kaum sein.

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Dabei hat diese WM im Grunde ja noch nicht einmal richtig begonnen. Die meisten der 20 Mannschaften, die seit rund zwei Wochen in vier Fünfergruppen um den Titel streiten, haben gerade einmal drei Spiele hinter sich. Aber für Gastgeber England ist die WM im eigenen Land schon vorbei. 82 000 Fans in Twickenham waren nach der Pleite gegen Australien fassungslos. Wenn im ausverkauften Rugby-Tempel Stille einkehrt und viele Fans schon vor dem Abpfiff heimgehen, ist das auf der Insel gleichbedeutend mit Staatstrauer.

Der Trainer wird hart kritisiert

Nach Englands Sieg gegen Fidschi im Eröffnungsspiel schwärmten englische Kommentatoren noch von der großartigen Stimmung, die an die Olympischen Sommerspiele 2012 in London erinnere. Nun fürchten Beobachter, dass die WM ihr Flair verlieren könnte. Pub-Besitzer erwarten rückläufige Pint-Bestellungen - es ist mal wieder eine Tragödie mit Englands Sportgrößen.

Schon vor dem Spiel hatte der wegen seiner Personalauswahl hart kritisierte Trainer Stuart Lancaster gesagt, er übernehme die Verantwortung für ein mögliches vorzeitiges Aus. Direkt nach dem Ende aller Träume wollte er sich im Stadion nicht zu seiner Zukunft äußern. "Es tut mir leid für die fantastischen Fans, wir haben alle enttäuscht. Es tut so weh", sagte Lancaster nur. Er wolle die Mannschaft nun auf das abschließende Gruppenmatch gegen Uruguay in der kommenden Woche in Manchester vorbereiten, meinte er. Aber wen interessiert dieses Spiel noch? Es werden schlimme Tage auf Englands Auswahl und ihren Trainer zukommen. Der Disziplinfanatiker Lancaster hat zwar erst im vergangenen Jahr einen Vertrag bis 2020 unterzeichnet, dürfte aber nach diesem Debakel seinen Job verlieren.

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Die Engländer haben es also nicht aus der sogenannten "Todesgruppe A" geschafft. Die wurde so genannt, weil in England, Wales und Australien gleich drei Teams konkurrierten, denen vor dem Turnier Titelchancen eingeräumt wurden. Aber nur die ersten beiden Mannschaften jeder Gruppe kommen weiter. Ausgerechnet gegen die alten Rivalen aus Wales und Australien ausgeschieden zu sein, macht das Unglück in England noch größer.

Die englische Mannschaft war dem Druck nicht gewachsen und fast die gesamte Spielzeit chancenlos gegen starke Australier, bei denen Bernard Foley sagen- hafte 28 der 33 Punkte machte. Die zweite Niederlage in der Gruppenphase war eine zu viel für Englands Mannschaft um Kapitän Chris Robshaw. Der hatte gegen Wales in den Schlussminuten mit einer falschen Entscheidung zum nun vollzogenen Ausscheiden beigetragen.

"Wir müssen uns entschuldigen"

Robshaw wollte beim Stand von 25:28 den Sieg und verspielte so ein mögliches Unentschieden, indem er eine sogenannten Gasse dem Straftritt vorzog: Mit einer Gasse bewahrte er die Chance auf einen gelungenen Versuch, für den es fünf Punkte gibt, wenn ein Spieler das Rugby-Ei ins Malfeld legt; für einen verwandelten Strafkick hätte es drei Punkte gegeben, was in diesem Fall für ein Remis gereicht hätte. Robshaw sagte nach der Pleite gegen Australien: "Wir fühlen uns, als hätten wir das Land im Stich gelassen. Wir müssen uns entschuldigen."

Es wurde also nichts mit der Rehabilitation des Weltmeisters von 2003, der bei der letzten WM in Neuseeland unehrenhaft im Viertelfinale ausgeschieden war. 2011 hatte sich Englands Team am anderen Ende der Welt durch Eskapaden außerhalb des Spielfelds zum Gespött gemacht. Nach diesem historisch frühen Aus wird in Englands Rugby nun alles hinterfragt werden. Und der Spott ist nicht kleiner als nach dem peinlichen Aus in Neuseeland vor vier Jahren. Dabei ist die Wahrheit einfach: Australien und Wales waren schlicht besser. Aber sich das einzugestehen, fällt den Engländern wie im Fußball nach ähnlichen Pleiten ziemlich schwer.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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