England bei der Fußball-EM:Aus der Mitte entspringt ein Roo

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Früher Stürmer, jetzt Spielmacher: Wayne Rooney. (Foto: REUTERS)
  • Wayne Rooney, zurückgeworfen von vielen Verletzungen und fortschreitendem Alter Tribut zollend, besitzt nicht mehr die Geschwindigkeit früherer Tage.
  • Louis van Gaal, sein Trainer bei Manchester United, hat ihm eine neue Rolle zugeteilt. Die füllt Rooney jetzt auch im Nationalteam aus. Und tut das hervorragend.
  • Hier gibt es alle Tabellen und Ergebnisse zum Turnier in Frankreich.

Von Filippo Cataldo

Das Lob gebührt wieder einmal Louis van Gaal. Der nicht gerade zum Understatement neigende Fußballlehrer hatte in seiner Karriere schon einige überraschende und vorzügliche Ideen. Den etwas langsamen Flügelspieler Bastian Schweinsteiger machte er beim FC Bayern einst zum zentralen Mittelfeldspieler. Dort entwickelte sich Schweinsteiger ab 2009 zum Inbegriff des nicht allzu schnellen, aber strategisch denkenden und führungsstarken Sechsers. Ohne van Gaal wäre der Triumph von Rio der DFB-Elf wohl nicht möglich gewesen.

"Ich sehe meine Zukunft im Mittelfeld", sagt Rooney

In seinen letzten Wochen als Trainer von Manchester United hatte van Gaal wieder eine Eingebung. Weil Wayne Rooney, zurückgeworfen von vielen Verletzungen und außerdem dem fortschreitenden Alter Tribut zollend, nicht mehr die Geschwindigkeit früherer Tage besitzt, und sich bei United außerdem in der Offensive die jungen Himmelsstürmer Anthony Martial, 20, und Marcus Rashford, 18, in den Vordergrund gespielt hatten, zog er Rooney, 30, zurück. Aus Rooney, dem Inbegriff des bulligen Mittelstürmers englischer Prägung, wurde Wayne, der Spielmacher. Und siehe da: Rooney spielte gut, Rooney wollte nicht mehr nach vorne weg. "Ich sehe meine Zukunft im Mittelfeld", sagte er.

Von van Gaals Eingebung profitieren nun auch Roy Hodgson und die englische Nationalelf bei der EM. Die Three Lions haben ja in Frankreich eine ganze Armada an höchst tauglichen Mittelstürmern dabei, darunter in Harry Kane, 22, und Jamie Vardy, 29, den Ersten und Zweiten der Torschützenliste der Premier League. Dazu noch Daniel Sturridge, 26, den gefeierten Siegtorschützen beim 2:1 gegen Wales, und Rashford.

"Er spielt unglaublich auf der Position"

Auf Rooney in der Startelf wollte Hodgson aber nicht verzichten, also setzte er seinen Kapitän im linken offensiven Mittelfeld ein. Rooney überzeugte in beiden Spielen. "Es schmerzt, das sagen zu müssen. Aber er spielt unglaublich auf der Position. Ich liebe es, ihm beim Spielen zuzuschauen", sagte sogar Jack Wilshere, 24, dessen Position in der englischen Mannschaft nun von Rooney blockiert wird. Der Kapitän hat seine Rolle gefunden.

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Der bleiche Regisseur des FC Barcelona ist mittlerweile 32 Jahre alt, aber weiterhin das Hirn der spanischen Nationalelf. Nun hat er auch noch zwei Stürmer, die seine Pässe veredeln.

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Im Gegensatz übrigens zum neuen Three-Lions-Stamm-Mittelstürmer Kane, der deutlich überspielt wirkt. Und auch Vardy machte in der ersten EM-Woche trotz seines Treffers zum 1:1 gegen Wales vor allem mit Schlagzeilen abseits des Platzes von sich reden. Erst wurde seine Frau Rebekah Opfer eines Tränengas-Einsatzes der Polizei, dann wurde er von Fotografen mit einer Dose Kautabak in der einen und einem Energy-Drink in der anderen Hand erwischt. Am Samstag bekannte er noch freimütig, Krafttraining nicht für nötig zu erachten. "Das würde mich langsamer machen", sagte er und scherzte: Das letzte Gewicht, dass er gehoben habe, sei wahrscheinlich die Dose Energy-Drink gewesen.

Wildbieseln mit weißen Handschuhen

Nun ist es nicht so, dass auch Rooney den gepflegten Tritt ins Fettnäpfchen nicht mehr beherrschen würde. Vor ein paar Tagen wurde er vom Boulevard dabei erwischt, wie er während einer Golfrunde in die Büsche pinkelte. Doch solche Episoden dürften eher die Moral der Truppe heben. Zumal Rooney, ganz der neue Mann von Welt, beim Wildbieseln weiße Handschuhe trug. Viele Experten auf der Insel hatten vor Turnierbeginn Rooneys Nominierung eher skeptisch gesehen. Der einzige wirkliche Star der Mannschaft könnte das Gefüge in der jungen Mannschaft durcheinanderbringen. Die unerfahrenen Samtfüße könnten sich zudem zu sehr auf den nicht mehr ganz fitten Rooney verlassen.

Das Gegenteil ist der Fall. Rooney benimmt sich eher wie einer, der mit seinen jüngeren Geschwistern und ihren Freunden als Aufpasser mit auf die Sommerfreizeit geschickt wurde, und mit ihnen nun mächtig viel Spaß hat. Als Rashford ihm am Donnerstag den Rekord als bisher jüngster englischer EM-Teilnehmer wegschnappte, knuddelte er den Mannschaftskollegen und freute sich auch öffentlich mit ihm. Als die Engländer wieder ihr Team-Quartier erreichten, stieg Rooney mit einem Plüschlöwen unter dem Arm aus dem Teambus. Leo, der Löwe, ist das Maskottchen der Engländer bei der EM. Und auf den passt auch der Älteste Lion auf.

© SZ vom 19.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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