England:AFC Wimbledon - das "Beast" schreibt das nächste englische Fußballmärchen

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Und er kann es doch: Adebayo Akinfenwa, rechts, tänzelt nach seinem Treffer im entscheidenden Spiel. (Foto: AP)

So überraschend wie der Titel von Leicester City: 108-Kilo-Mann Akinfenwa und sein von Fans gegründeter Verein sind zum sechsten Mal aufgestiegen. Nächste Saison wartet ein besonderes Duell.

Von Johannes Kirchmeier

Adebayo Akinfenwa ist ein Koloss. Er wiegt 108 Kilogramm - bei einer Größe von 1,80 Metern. Rechnet man seinen BMI aus, landet man bei 33,3: Adipositas. Dass er Profifußballer ist, trauen ihm bei seiner Statur die wenigsten zu. Wenn er eingewechselt wird, lächeln einige Zuschauer, andere singen "Who ate all the pies?" - Wer hat all die Kuchen aufgegessen? Womit sie ihm natürlich Unrecht tun, denn Akinfenwa trägt einen ordentlichen Berg Muskeln übers Spielfeld. Auch am Montagabend raunte es auf den Rängen, als er den "heiligen Rasen" von Wembley betrat.

Dort trug sich eine Geschichte zu, die man ruhig mit dem englischen Meisterwunder von Leicester City vergleichen darf. Der AFC Wimbledon führte ein Stück Fußballromantik auf - und Akinfenwa war der Hauptdarsteller. Es lief die 75. Minute, Wimbledon spielte gegen Plymouth Argyle um den Aufstieg in die League One, die dritte Liga in England. AFC-Stürmer Akinfenwa wartete wieder einmal an der Seitenlinie. Coach Neal Ardley schickte ihn für den glücklosen Tom Elliott aufs Feld, es stand 0:0. Der Sturm-Koloss war Ardleys letzte Hoffnung. Akinfenwa enttäuschte ihn nicht: Zwei Minuten nach seiner Einwechslung holte er die Ecke heraus, die zum 1:0 führte.

Nach dem Spiel reißt Akinfenwa sich das Trikot vom Leib

Und auch das Sahnehäubchen durfte Akinfenwa dem Spiel aufsetzen: In der letzten Minute der Nachspielzeit bekam Wimbledon einen Elfmeter, nach kurzer Diskussion mit dem eigentlich eingeteilten Mitspieler Callum Kennedy schnappte er sich den Ball, verlud den Torwart, riss sich das Trikot vom Stahlkörper und feierte mit den Fans den 2:0-Sieg. Wimbledon ist aufgestiegen - das Happy End in diesem überaus kitschigen Fußballspiel. Danach schrie der 34-Jährige glückselig ins Mikrofon des englischen Senders Sky Sports: "All die Leute, die gesagt haben, ich sei zu dick für Fußball, come on - ha ha!"

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Akinfenwa steht für das Wunder von Wimbledon: So wie sie in England dem starken Mann, der schon mal 200 Kilogramm beim Bankdrücken stemmt, nicht zutrauten, dass er Fußball spielen kann, so trauten sie seinem Verein nicht zu, dass er einmal im Profifußball mitspielen würde.

2002 gründeten Fans den AFC Wimbledon, nachdem ihr Klub FC Wimbledon Konkurs angemeldet hatte und von London aus ins 100 Kilometer entfernte Milton Keynes umzog. Eine Retortenstadt, die in den 1960er Jahren gebaut wurde. Man kann sich vorstellen, wie sich die Fußballfans damals fühlten, zumal es den FC Wimbledon seit 1889 gab.

Bis heute ist der Nachfolgeklub AFC ein Fan-Verein. Anfangs spielte er in der neunten Liga, dennoch sahen sich 5000 Zuschauer die Spiele an. Von der Seagrave Haulage Premier Division aus stieg Wimbledon fünfmal auf, bis es 2011 die League Two, und damit den Profifußball, erreichte.

Der Rückhalt der Fans ist ungebrochen: Mehr als 55 000 Zuschauer sahen sich am Montag das Aufstiegsfinale der vierten Liga im Wembleystadion an. Nachahmer fand der von Fans gegründete Verein bereits in Austria Salzburg, FC United of Manchester oder HFC Falke Hamburg. Nun also der sechste Aufstieg, der den AFC in eine Liga mit den Milton Keynes Dons hievt - dem FC-Wimbledon-Nachfolger aus der Retortenstadt. Das Spiel des Jahres dürfte damit schon klar sein.

Auf ihren Stürmer Adebayo Akinfenwa müssen die Anhänger dabei allerdings verzichten. So romantisch die Geschichte vom kräftigen Torjäger im Fan-Verein ist, sie endete mit ihrem Höhepunkt: Akinfenwas auslaufender Vertrag wird nicht verlängert. Im Interview brüllte er neben Coach Ardley: "Er hat mich entlassen, er hat mich entlassen!", bevor sich die beiden Aufstiegshelden heftig umarmten. Böse scheint er ihm nicht zu sein. Dennoch schickte er schon einmal eine Bewerbung hinterher: "An alle Trainer da draußen - trefft mich auf Whatsapp!" Das "Beast", wie Akinfenwa von seinen Fans genannt wird, hat noch nicht genug. Erst einmal wird er sich aber mit dem einen oder anderen Kuchenstückchen für den Aufstieg belohnen.

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