Endlich Europa League:Ring frei für den Pöbel

A church and stands on a hill above the town of Vik, Iceland

Auch in Island wird wieder gespielt - zum Beispiel bei der Partie zwischen FH Hafnarfjördur und Njoman Hrodna (Weißrussland).

(Foto: REUTERS)

Klein ist nur, wer klein denkt: Mit dem Ende der WM in Brasilien beginnt die Qualifikation zur Europa League - und der Fußball öffnet sich wieder für jene Zwerge, die es auch noch gibt. Das ist unbedingt zu begrüßen.

Eine Glosse von Jonas Beckenkamp

Zur Erkenntnistheorie des Philosophen und Fußballriesen Hans-Hubert Vogts (Körpergröße 1,68 Meter) zählt die Einsicht, dass es keine Kleinen mehr gibt. Die Beweislage für diese These scheint erdrückend, schließlich treiben die ehemaligen Winzlinge des Spiels seit geraumer Zeit ihr Unwesen auf den Plätzen dieses Planeten. Algerienhafte Aufstände, wie sie bei einem gewissen Weltturnier soeben Joachim Löws Eliteelf erleben musste, gehören mittlerweile genauso dazu wie ein Bundesligist namens SC Paderborn.

Die Provinz hat aufgerüstet! Die Bravehearts des Fußballs wehren sich, und wer hat's kommen sehen? Der liebe Berti, der schon damals als Bundestrainer liechtensteinische und luxemburgische Rebellionen heraufbeschwörte. Die sind zwar bisher ausgeblieben, aber es gilt ja: Wehret den Anfängen!

Klein ist heute allenfalls noch Gibraltar, das gerade nach elf Menschen fahndet, die im November EM-Qualifikation gegen Deutschland spielen. Qualifizieren möchten sich übrigens nicht nur die Gibraltarer, sondern eine Vielzahl anderer vermeintlicher Zwerge - und die Uefa liefert dazu den passenden Wettbewerb.

Wer sich die zweite Ausscheidungsrunde der Quali zur Europa League zu Gemüte führt, entdeckt dort in diesen Tagen eine Fülle an gar nicht so kleinen Kleinen. Ein besonderes Schmankerl verspricht der Nordmeer-Klassiker zwischen den Färöer-Kickern von Vikingur Göta und den Norwegern von Tromsö IL. Das Hinspiel endete 0:0 - noch ist für die Götaer also alles drin. Ein paar Seemeilen weiter steigt in der kommenden Woche das Rückspiel des Kontinentalvergleichs FH Hafnarfjördur (Island) gegen Njoman Hrodna (Weißrussland). Auch hier deutet sich nach dem 1:1 in der ersten Partie ein vulkanischer Fight ums Weiterkommen an.

Das Welt-Spektakel in Brasilien ist vorbei

Die Rumänen von Petrolul Ploiesti bringen dagegen im Duell mit Flamurtari Vlore einen beruhigenden 2:0-Vorsprung mit nach Albanien. Geschmückt wird das Tableau zudem durch Klubs wie Schachter Qaraghandy, Diosgyöri VTK, UMF Stjarnan Gardabaer oder Kalev Sillamäe - wobei letzterem nach einem 0:4 gegen FK Krasnodar nur noch ein estnisches Fußballwunder helfen würde. All diese wackeren Mannschaften sind nach der Vogts'schen Lehre natürlich keine "Kleinen". Sie sind vielmehr gefährliche, unberechenbare, unbeugsame Scheingnome, die den "Großen" nur allzu gerne ein Schnippchen schlagen würden.

Weil das Welt-Spektakel in Brasilien nun dem Vernehmen nach endgültig vorbei ist, rücken andere in den Vordergrund. Der Fußball öffnet sich wieder für jene, die es auch noch gibt. Das ist unbedingt zu begrüßen, schließlich darf es nicht mehr zu solchen Zuständen kommen wie am vergangenen Samstag in Peru. Dort verfolgten das WM-Spiel um Platz drei so viele Menschen vor dem Fernseher, dass sich zur Erstligapartie zwischen Los Caimanes und Real Garcilaso (0:1) lediglich 78 Unerschrockene in der Arena einfanden. 74 davon betraten das Estadio Elias Aguirre mit Freikarten, nur vier zahlten überhaupt Eintritt. Dabei hätte es großen Sport zu sehen gegeben. Klein ist nur, wer klein denkt.

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