Emre Can bei der U-21-EM:Der Nächste auf Löws Liste

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Stark bereits gegen Serbien: Emre Can (rechts). (Foto: dpa)

Emre Can überzeugt bei der U-21-EM und dürfte als Nächster eine Einladung von Bundestrainer Löw erhalten. Auch DFB-Sportdirektor Flick ist begeistert. Er erwartet von den Junioren einen "Riesenschub".

Von Matthias Schmid, Prag

Eine seiner vielen Dienstreisen brachte Hansi Flick vor ein paar Wochen nach Bulgarien. In Burgas schaute sich der DFB-Sportdirektor das Endspiel der U-17-Europameisterschaft zwischen der deutschen und der französischen Nationalmannschaft an. Nach der 1:4-Niederlage der DFB-Junioren musste Flick weinende Spieler trösten, er nahm sie väterlich in den Arm. "Ich habe richtig gespürt, wie sie bei mir Halt gesucht haben", erzählte Flick am Freitag in Prag.

Diese kleine Episode hat Flick darin bestätigt, bei den jüngeren Jahrgängen verstärkt an der Teampsychologie zu arbeiten. Niederlagen gehören zum Sport, auch zum Leben, das sollen die jungen Kicker frühzeutig lernen. "Wir müssen ihnen den Spaß am Wettkampf vermitteln und ihnen die Angst vor Niederlagen nehmen", sagt Flick. Das hat er an diesem Tag in Burgas gelernt.

Seit ein paar Tagen liegen die Koffer des 50-Jährigen nun in der tschechischen Hauptstadt. Bei der U-21-EM macht er sich ein Bild vom ältesten Junioren-Jahrgang, von der Vorzeigeklasse, vom Lieblingsprojekt. An der Mannschaft von Horst Hrubesch lässt sich erkennen, wie viel im deutschen Fußball in den vergangenen Jahren richtig gemacht wurde: Das Team ist keine Junioren-Auswahl mehr im herkömmlichen Sinne. Früher waren hauptsächlich Spieler nominiert, die bei den Bundesligavereinen mal mittrainieren durften, doch das ist lange her.

Heute sind bei der U-21-EM in Marc-André ter Stegen ein Champions-League-Sieger dabei, in Matthias Ginter ein Weltmeister und sonst fast ausschließlich Spieler, die in Bundesliga zu den auffälligsten Akteuren gehören. Dieser Trend wird sich weiter verfestigen, glaubt Flick, "weil die Talente in der Bundesliga spielen dürfen und sich so rasant entwickeln werden".

Es gibt ja die populäre Theorie, dass der WM-Titel 2014 nicht nur am 13. Juli in Rio de Janeiro gewonnen wurde, sondern auch in der schwedischen Stadt Malmö. Im Svedbank-Stadion besiegte am 29. Juni 2009 die U-21-Auswahl die Mannschaft Englands mit 4:0. Im Tor stand damals das Talent Manuel Neuer, vor ihm verteidigten unbekümmerte und furchtlose Spieler wie Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes und Mats Hummels, junge Abwehrspieler, die fünf Jahre später unter dem Fachbegriff "Ochsen-Abwehr" die Erwachsenen-WM prägten. Vor den Jungochsen schuftete Sami Khedira, eine Reihe weiter zauberte Mesut Özil.

Khedira erzählt gern, wie er in Schweden zum Mann geworden ist, wie er lernen musste, mit internen Widerständen umzugehen und sie zu brechen, um als Führungskraft akzeptiert zu werden. Mindestens ein halbes Dutzend der Weltmeister von 2014 haben 2009 ihre erste Lektion in Wettbewerbshärte gelernt. "Unser Anspruch muss deswegen sein, dass wir bei allen wichtigen internationalen Jugendturnieren immer vertreten sind", sagt Flick. Er hat gerade eine Studie in Auftrag gegeben, die herausfinden soll, wie Talentförderung in anderen Ländern in Einklang mit der schulischen Ausbildung gebracht wird.

Von der gehobenen Wichtigkeit für die DFB-Junioren hat auch Hrubesch profitiert. Er musste in diesem Jahr keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten von Bundestrainer Joachim Löw nehmen und durfte für das Turnier in Tschechien einen Kader zusammenstellen, mit dem er gute Aussichten hat, ein zweites Mal das Endspiel einer U-21-EM zu erreichen, auch wenn beim 1:1 zum Auftakt gegen Serbien noch manches nicht funktionierte.

Beim DFB haben sie schon vor Monaten die Grundsatzentscheidung getroffen, dass es den bereits A-Elf-erprobten Spielern wie ter Stegen, Ginter, Kevin Volland und Max Meyer im Zweifel mehr bringt, bei einem U-Turnier Verantwortung zu übernehmen, als bei der A-Nationalmannschaft nur Mitläufer zu sein. Auch deshalb hat Löw in diesem Sommer darauf verzichtet, Spieler aufzubieten, die ihn schon länger interessieren. Spieler wie der Liverpooler Emre Can oder der Mainzer Johannes Geis sollen sich bei der EM austoben, unverzichtbare Erfahrungen sammeln. "Bei solchen Turnieren bekommen die jungen Spieler noch mal einen Riesenschub", sagt Flick.

U-21-Torwart ter Stegen
:Sieger im Weltklasse-Duell

Am Ende stört ihn nur die Kabinenmusik: Champions-League-Sieger Marc-André ter Stegen setzt sich gegen die starke Konkurrenz im deutschen U-21-Tor durch. Einen alten Streit mit Bernd Leno will er vergessen.

Von Matthias Schmid

Vor allem Can hat es ihm angetan, der im ersten Spiel gegen Serbien den 1:1-Ausgleich erzielte. "Welche Präsenz er auf dem Platz hat, ist schon beeindruckend", lobt der Sportdirektor den 21-Jährigen. Der Mittelfeldspieler verbindet Dynamik, Durchsetzungsvermögen und Technik, "um sich im Eins-gegen-eins durchzusetzen", wie Flick hervorhebt.

Can dürfte der nächste sein, der eine Einladung für die A-Mannschaft erhält, weil er eine Anforderung mitbringt, die Löw derzeit im letzten Drittel bei seinem Team vermisst: den Punch im Abschluss. Doch bevor es so weit ist, soll er die U-21-Mannschaft zum Titel führen. Hansi Flick hätte dann wieder eine neue spannende Geschichte zu erzählen.

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