Emotionen im Sport:Wider die himmelschreiende Ungerechtigkeit

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Aus Ärger über eine Schiedsrichterentscheidung bei den French Open hat der ukrainische Tennisprofi Sergej Stachowski sein Handy gezückt - und zur Beweissicherung den Ballabdruck fotografiert. In der Ukraine entlässt der Präsident eines Erstligisten nach einer enttäuschenden Saison 19 von 23 Spielern. Wohin soll das führen?

Eine Glosse von Jürgen Schmieder

War der Ball im Aus oder nicht? Stachowski konnte nur noch den Abdruck fotografieren. (Foto: REUTERS)

Chrysippos von Soloi hat seine Lehre dereinst auf 705 Buchrollen festgehalten. Der griechische Philosoph war einer der wichtigsten Vertreter der Stoa und formulierte als einer der ersten das Ideal des stoischen Menschen, der frei von Affekten wie Hass, Liebe oder Lust lebt. Diese Affekte seien eine "Krankheit der Seele", denen man im Gebäude derselben nur einen niederen Rang einräumen sollte.

Natürlich hatte Chrysippos leicht reden, wenn er da gemeinsam mit seinem Lehrer Kleanthes oder seinem Schüler Diogenes in Athen herumsaß und über Axiome der Logik debattierte - denn natürlich wurde im dritten Jahrhundert vor Christus in Athen weder Tennis noch Fußball gespielt. Es gab keine nervenaufreibende Saison voller Enttäuschungen, es gab keine fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen und keine windigen Spielerberater.

Sonst hätte Chrysippos natürlich Verständnis gehabt für den ukrainischen Tennisprofi Sergej Stachowski. Der war ohnehin wütend, weil er in seiner Erstrundenpartie bei den French Open gegen Richard Gasquet deutlich zurücklag. Dann kam auch noch Schiedsrichter Carlos Ramos daher und behauptete, eine gar wunderbar geschlagene Vorhand sei im Aus gelandet - wo doch Stachowski deutlich beobachtet hatte, dass die Filzkugel die Linie noch berührt hatte.

Es folgte ein Disput über Logik, Gerechtigkeit und Augenmaß, doch der Schiedsrichter saß stoisch auf seinem Stuhl und ließ sich nicht umstimmen. Da griff Stachowski zu einem Mittel, das selbst Chrysippos verblüfft hätte: Er zückte sein Mobiltelefon und fotografierte den Ballabdruck im Sand, um einen Beweis zu haben dafür, dass sein Schlag mitnichten im Aus gelandet war. Er wolle damit zum Oberschiedsrichter marschieren und sich beschweren, verkündete der Tennisspieler.

So kann es gehen, wenn man Technologie für sich zu nutzen weiß. Das tat übrigens auch ein Landsmann von Stachowski: Petro Dyminskyj, Präsident beim ukrainischen Erstligisten Karpaty Lviv. Weil der Verein in der abgelaufenen Saison nur auf dem 14. Platz landete, loggte sich Dyminskyj ins Internet ein und setzte 19 von 23 Spielern auf die Transferliste. Auf der Homepage des Vereins kündigte er an, er werde bis Ende Juni ein neues Team zusammenstellen.

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Von Christopher Köster

Dieses Datum führt direkt zurück zum Tennisspieler Stachowski: Ende Juni beginnen in Wimbledon die All England Championships, freilich ist Stachowski dabei. Und natürlich hat er bereits angekündigt, weiter gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit falscher Schiedsrichterentscheidungen kämpfen zu wollen. Er habe bereits beim Turnier in München ein Foto gemacht, nun in Paris wieder - und wahrscheinlich wird er auch auf dem Rasen von Wimbledon wieder sein Mobiltelefon zücken.

Chrysippos von Soloi wäre wahrscheinlich stolz auf Stachowski, denn schließlich gehört zur Lehre der Stoa, auch bei geringer Aussicht auf Erfolg in aller Seelenruhe und Gelassenheit nach Weisheit und Erkenntnis zu streben.

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