EM-Wunderknaben - Christian Eriksen:Kleiner Held aus Smørrebrød-Land

Alle wollten ihn, Ajax Amsterdam bekam ihn: Schon als Teenager weckte der dänische Mittelfeldspieler Christian Eriksen das Interesse der Großklubs. Jetzt ist der 20-jährige Jüngling die EM-Hoffnung seines Heimatlandes und wird schon mit den großen Laudrup-Brüdern verglichen. Danish Dynamite ist erloschen? Von wegen!

Katharina Sorg und Jonas Beckenkamp

"EM-Wunderknaben" ist die Serie von Süddeutsche.de zur Fußball-EM in Polen und der Ukraine. Bis zum Turnierstart stellen wir jeden Tag einen hoffnungsvollen Kicker vor, der ein Gesicht dieser EM werden könnte.

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Dänischer Jubel: Christian Eriksen ist die Hoffnung des deutschen Gruppengegners bei der EM.

(Foto: dapd)

Es ist schon ein Weilchen her, dass der dänische Fußball sein kleines Land in Nordeuropa zum Ausflippen brachte. Die Geschichte ist bekannt, als 1992 ein Team, das eigentlich schon im Urlaub war, als Nachrücker für die suspendierten Jugoslawen nach Schweden reiste und dort den EM-Titel gewann. Peter Schmeichel, Kim Vilfort, Flemming Povlsen, John Jensen - so hießen die Helden, deren bevorzugtes Nahrungsmittel der Legende nach Bulettenbrötchen waren. 20 Jahre sind seitdem vergangen und irgendwie scheint der Funken bei "Danish Dynamite" nie ganz erloschen zu sein.

Die Dänen lieben den "Fodbold", nur mit dem Gewinnen haben sie es eben nicht mehr so. Das soll sich bei dieser EM ändern. Das Problem ist nur: Europäische Topspieler wie einst Povlsen oder Schmeichel gibt es in Dänemark zurzeit nicht. Aber es gibt Christian Dannemann Eriksen. Den schmächtigen Jungen mit der Nummer acht auf dem Rücken vergleichen sie in seiner Heimat mit den legendären Laudrup-Brüdern - für einen Dänen in etwa so, als würde ein Argentinier zum neuen Maradona erklärt werden.

Eriksen ist erst 20 Jahre alt und wenn es nach der Mehrheit im Smørrebrød-Land ginge, wäre die Rolle des dänischen EM-Helden schon jetzt vergeben. "Er hat das Potential, ein Weltklasse-Spieler zu werden. Er ist vielleicht ein bisschen zu schüchtern, es würde ihm nicht schaden, dominanter und aggressiver zu werden. Es gibt keine Grenzen bei dem, was der Junge erreichen kann", sagt beispielsweise Mitspieler Daniel Agger.

Aber wer ist dieser Christian Eriksen überhaupt? Seine Position ist das offensive Mittelfeld, wo er mit seiner Schnelligkeit gerne losmarschiert und den Abschluss sucht. Noch spielt er bei Ajax Amsterdam, wo man Talente wie ihn schätzt und gedeihen lässt - doch längst hat sich in ganz Europa rumgesprochen, was für ein außergewöhnlicher Spieler er ist. Wettbewerbsübergreifend schaffte der 20fache Nationalspieler in der abgelaufenen Saison neun Treffer und 22 Vorlagen.

Dass der 1,77 Meter große Artist begehrt ist, zeigt beispielsweise die Wunschvorstellung von Manchester-United-Coach Sir Alex Ferguson. Er gibt zu, dass er den Jungen aus der Kleinstadt Middelfart am liebsten im Old Trafford spielen sehen würde. "Er ist ein sehr guter Spieler - ein typischer Kerl aus der Ajax-Schule, der stark am Ball ist," so der Schotte. Aber auch Arsenal London und der FC Barcelona sollen bereits in Amsterdam angefragt haben.

Johan Cruyff schwärmt

Eriksen hat sich vor vier Jahren, damals gerade 16 Jahre jung, bewusst für den niederländischen Traditionsverein entschieden. Vorgespielt hatte der Teenager damals bei fast allen Großklubs, doch er wählte bewusst den holländischen Verein mit der berühmten Jugendakademie und dem großen Erbe an exzellenten Technikern.

Eriksen ging es damals nicht um Ruhm und Ehre oder ein prall gefülltes Geldkonto - er ist ein Zocker, einer der spielen will und das möglichst immer von Beginn an. Mit 17 steht er das erste Mal im Kader der Ajax-Profimannschaft und überzeugt sofort, seither ist er gesetzt und einer der großen Lieblinge von Größen wie Johan Cruyff. Der schwärmt: "Eriksen ist ein Spieler, den ich wirklich von ganzem Herzen mag. Nur die Zeit wird entscheiden, ob er einmal das Level der Laudrups erreichen kann."

2010 holt ihn Dänemarks Trainer Morten Olsen zum ersten Mal in die Nationalmannschaft, gegen Österreich spielt er als jüngster Debütant aller Zeiten und wen löst er in dieser Rolle in seinem Heimatland ab? Klar, Dänemarks Idol Brian Laudrup.

Doch nicht nur in Dänemark machen große Vergleiche die Runde: Ähnlichkeiten zu Dortmunds Mario Götze und Chelseas Juan Mata werden gerne gezogen - auch sie sind eher klein gewachsen, wendig und technisch fast perfekt. "Er ist sehr wichtig für die Nationalmannschaft, er kann den Unterschied ausmachen," sagt, na klar, niemand Geringerer als Brian Laudrup.

Im Jahr 2008 wird Eriksen zum besten U-17-Spieler in Dänemark gewählt, im vergangenen Jahr dann zum größten Talent der holländischen Liga. Zeitgleich wird er Meister mit Ajax Amsterdam - und jetzt folgt also die EM in Polen und der Ukraine. Es könnte nun sein erstes großes Turnier werden, viele Dänen glauben sogar, dass mit Offensivgehirn Eriksen und den torgefährlichen Stürmern Dennis Rommedahl und Nicklas Bendtner auch das Viertelfinale drin ist.

Dass die Gegner in der Vorrunde Holland, Portugal und Deutschland heißen, schmälert im angeblich optimistischsten Land der Welt nicht die Ambitionen - schließlich gewann man vor 20 Jahren mit Burgern und Pommes im Bauch den Titel.

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