EM-Viertelfinale:Wegzappen geht nicht

Wie stoppt man Christiano Ronaldo? Für die deutschen Pläne der deutschen Nationalelf wäre der Ausfall von Torsten Frings ein schwerer Schlag.

Christof Kneer

Manchmal gibt es das, dass auf klare Fragen unklare Antworten folgen, wobei die unklare Antwort an Klarheit nicht zu überbieten ist. Ob ein angeschlagener Frings den Trainern wichtiger sei als ein gesunder Hitzlsperger, so lautete die Frage, und Oliver Bierhoff sagte, dass man natürlich jedes medizinische Risiko ausschließen werde und dass er die Chance auf einen Einsatz als "nicht ganz so groß" ansehe und dass man aber trotzdem alles versuchen werde. Er hätte auch sagen können: ja.

EM-Viertelfinale: Christiano Ronaldo wirbelte bereits die komplette türkische Mannschaft durcheinander.

Christiano Ronaldo wirbelte bereits die komplette türkische Mannschaft durcheinander.

(Foto: Foto: AP)

Das Training der Nationalspieler hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen, aber man darf guter Hoffnung sein, dass sich Thomas Hitzlsperger in seinem rührenden Fleiß schon auf dieses Training vorbereitete. Man darf also auch hoffen, dass er die Pressekonferenz nicht im Fernsehen sah, dass er nicht mitbekam, dass ein halber Frings im DFB-Trainerstab offenbar höher bewertet wird als ein ganzer Hitzlsperger. Deutschland braucht nämlich einen gut gelaunten Hitzlsperger, denn dieser Hitzlsperger könnte noch ganz schön wichtig werden gegen Portugal.

Schmerztabletten und Karbonpanzer

Noch immer kämpfen sie beim DFB heftig um einen Einsatz von Torsten Frings (Rippenbruch), dessen Ausfall im EM-Viertelfinale die Planungen des Bundestrainers erheblich beschädigen würde. Am Mittwoch hat Frings unter Zuhilfenahme einer Schmerztablette schon mal das Mannschaftstraining durchgestanden, und womöglich werden sie für ihn auch einen jener schicken Karbonpanzer fertigen lassen, mit dessen Hilfe etwa der Schalker Mladen Krstaijc im März 2006 spielfähig gemacht wurde - allerdings fünf Tage nach einem Rippenbruch, nicht drei.

Erst kurz vor Spielbeginn soll die Entscheidung über Frings' Einsatz fallen, und sollte er passen müssen, würde wohl Hitzlsperger diese strategisch wichtige Stelle besetzen. In dieser Rolle wird nichts Geringeres verlangt, als dass man erstens mit Ballack das Zentrum abdichtet, dass man zweitens Ballack beschützt, wenn es den nach vorne zieht, und dass man drittens nach rechts, links oder sonstwohin rutscht, wenn man Löcher sieht, die da nicht hingehören.

Wenn man dann viertens noch ein paar Pässe spielt, von denen fünftens vielleicht noch der eine oder andere ankommt, dann darf man sich offiziell in die Familie der eierlegenden Wollmilchsäue aufnehmen lassen. Und im Spiel gegen Portugal wird der Wollmilchjob jetzt sogar noch um einen sechsten Punkt erweitert. Er heißt: Ronaldo!

"Es wird nicht genügen, wenn wir glauben, dass einer allein das schaffen kann", antwortet Joachim Löw, wenn man ihn fragt, welcher seiner Spieler den besten Fußballer der Welt stoppen soll. Der arme Arne Friedrich muss sich zurzeit ja dauernd Fragen nach Ronaldo anhören, und er sagt dann brav, dass er die Champions League im Fernsehen gesehen hat. Das Blöde ist bloß, dass man Ronaldo im Fernsehen zur Not wegzappen kann, während die Fernbedienung auf dem Rasen eher nutzlos ist.

Man könnte ihn vielleicht stolpern lassen damit, vorausgesetzt, man würde sich schnell genug bücken, was unwahrscheinlich ist. Das Grundproblem an der Debatte ist jedoch, dass Friedrich nur ein bisschen der richtige Ansprechpartner ist. "In der Nationalelf kommt Ronaldo oft über rechts und nicht wie bei ManU über links", sagt Löw, "und er wechselt oft die Position."

Die Verhinderungsstrategie

Er wird also mindestens genauso oft Philipp Lahm begegnen, weshalb die Deutschen diesen Ronaldo als Gemeinschaftsaufgabe betrachten - zumal er, wie die SZ aus sicherer Quelle erfuhr, nicht allein auflaufen, sondern neun Feldspielerkollegen mitbringen wird. "Wir werden als Team insgesamt gut stehen müssen", sagt Torwart Lehmann, der den Monsterdribbler aus England kennt, "wir dürfen nicht zu weit öffnen und müssen am besten schon die Pässe unterbinden."

An diesem Punkt nun wird wieder begreiflich, warum die DFB-Trainer so sehr auf Torsten Frings hoffen, obwohl dessen schwerfälliges Spiel gegen Österreich auf der Wollmilchskala eher im unteren Bereich angesiedelt war. Womöglich ist Hitzlsperger der bessere Passgeber und mit Sicherheit der bessere Distanzschütze, aber die feinfüßigen Portugiesen glauben die Deutschen eher mit Frings' knurriger Autorität schrecken zu können. Zumal sich im deutschen Lager noch immer die (zumindest nicht widerlegbare) Legende hält, wonach die DFB-Elf die Italiener im WM-Halbfinale 2006 vielleicht besiegt hätte, wäre Frings nicht gesperrt gewesen; ihn ersetzte damals Sebastian Kehl, der gefällig spielte, aber vor dem ersten Tor den Ball verlor.

Im deutschen Lager sind sie nach wie vor überzeugt davon, dass sie am besten sind, wenn sie die spielerische Lösung suchen, aber gegen Portugal werden sie als Basis wohl zunächst einmal auf Verhinderungsstrategien vertrauen. Sie werden versuchen, die Flügel zu verbarrikadieren, um Ronaldo und dem kaum weniger gefährlichen Simao die Lust am Spiel zu nehmen, und gleichzeitig werden sie versuchen, Deco und Moutinho im Zentrum das Passspiel zu verderben.

Und im Hinterstübchen hüten die Deutschen die Erkenntnis, dass die Flügelspieler Ronaldo und Simao die Außenverteidiger mit der Abwehrarbeit gerne mal allein lassen, wie der DFB-Scoutingstab recherchierte. Von "Lücken zwischen den Mannschaftsteilen" war die Rede, weil sich die Offensivspieler "nur etwas zurückfallen lassen". Raum, den Wollmilchsäue nutzen könnten.

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