EM-Qualifikation der Schweden:Ibrahimovic als letzter Farbtupfer

Denmark v Sweden - UEFA EURO 2016 Qualifier: Play-Off Second Leg

Hoch auf den Retter: Zlatan Ibrahimovic wird von seinen Kollegen gefeiert.

(Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)
  • Neben Island ist Schweden das einzige nordische Land bei der Fußball-EM.
  • Beim entscheidenden Spiel in Dänemark (2:2) zeigt sich, warum der skandinavische Fußball derzeit hinterherhinkt.
  • Dänemarks Trainer Morten Olsen tritt zurück - Schweden feiert Zlatan Ibrahimovic.

Von Thomas Hahn, Kopenhagen

Bald nach dem Spiel trat der dänische Nationaltrainer Morten Olsen vor die Presse. Er hatte sein schweres Herz dabei. Er wirkte matt und traurig, allerdings auch gefasst und versöhnlich. Mit leiser, fester Stimme hielt er eine Rede, in der es um Scheitern und Abschied ging. Um das 2:2 gegen Schweden an diesem feuchten November-Abend in Kopenhagen.

Um die verpasste EM-Qualifikation der Dänen. Die Journalisten schrieben andächtig mit. Ihre Finger auf den Laptop-Tasten klangen wie Regen, der gegen Scheiben trommelt. Olsen sagte, dass er seinen Vertrag bis Sommer 2016 nicht erfüllen werde, sondern gleich Platz mache für einen neuen Trainer, eine neue Ära.

Olsen lächelte gequält. Er sagte: "Es tut dem Trainer weh, wenn es auf diese Art zu Ende geht. Aber das ist das Risiko des Trainers, also muss man es akzeptieren." Er dankte seinen Leuten, er schwärmte von seinen 15 Jahren im Amt. Es war der Abschiedsmonolog eines gerührten Mannes, der bei allem Fußballer-Schmerz nicht vergessen hat, dass es Schlimmeres gibt, als eine EM-Qualifikation verpasst zu haben.

Die Trauer vor den weltlichen Dingen gibt es also auch noch - diese Botschaft hat man von dem Auftritt des scheidenden Trainers Olsen, 66, mitnehmen können. Das ist tröstlich in diesen Tagen, in denen alles voll zu sein scheint mit der Angst und der Ohnmacht, die auf Tod und Terror folgen. Der ganze Fußballabend in Kopenhagen ist in dieser Hinsicht eine Ablenkung gewesen, auch wenn ein Banner an die schreckliche Freitagnacht von Paris erinnerte, die Spieler Trauerflor trugen und es vor dem Anpfiff eine Schweigeminute gab. Während die Leute in Hannover damit klar kommen mussten, dass die Terrorgefahr ihre Freude an der Nebensache fortgespült hatte, waren in Dänemarks Hauptstadt die kleinen Fragen des Fußballs groß.

Warum sind die Dänen raus? Warum konnten sie das 1:2 aus dem Hinspiel trotz beherzter Anfangsphase nicht wettmachen? Warum trafen sie erst, als die Schweden 2:0 führten?

Dieser Skandinavien-Gipfel ist ein bewegtes Match gewesen, das aber auch daran erinnerte, dass der nordische Fußball nicht mehr so richtig vom Fleck kommt. Bei der EM 2016 in Frankreich dürfen zum ersten Mal 24 statt 16 Mannschaften antreten. Die zusätzlichen Plätze wirkten fast wie eine Einladung an die gut sortierten Skandinavier. Aber wahrgenommen haben sie am Ende Außenseiter wie Wales, Island oder Nordirland. Norwegen ist im Playoff an Ungarns Renaissance gescheitert. Schweden ließ sich in der Gruppenphase vom langjährigen Fußball-Krisenland Österreich überholen, Dänemark von Albanien. Und beim Showdown warfen sie sich gegenseitig aus dem Wettbewerb.

Olsen tritt enttäuscht zurück

Dänemark war mal eine Fußball-Sensation, ein Farbtupfer im Establishment. EM-Halbfinalist 1984, WM-Geheimfavorit 1986 - damals war Morten Olsen noch der Anführer auf dem Platz als Libero und Musterprofi. 1992 wurden die Dänen sogar Europameister. Heute ist der Zauber vorbei. 2000 wurde Olsen Nationaltrainer. Seine Idee von einem Offensivfußball mit ausgeprägtem Flügelspiel ist zum Maßstab für die Fußballschule der Dänen geworden.

Er hat sie damit auch zu einigen großen Turnieren geführt. So sehr schätzte der Verband seinen Olsen, dass er ihm Abschiedsgedanken immer wieder ausredete. Und als am Dienstag klar war, dass die Ära Olsen nach 15 Jahren zu Ende ist, waren alle des Lobes voll. "Er ist eine Ikone", sagte Yussuf Poulsen, der Torschütze zum späten 1:2. "Er war eine Inspiration", sagte Nicklas Bendtner vom VfL Wolfsburg. Aber wahr ist auch, dass Dänemark unter Olsen keine Fußball-Sensation mehr war.

Und die Schweden? Die haben Zlatan Ibrahimovic, das reicht manchmal schon. Dänemarks Kapitän Daniel Agger reagierte etwas unwirsch, als er sagen sollte, ob sein Team wirklich gegen Schweden oder nicht doch eher gegen Ibrahimovic ausgeschieden sei: "Dumme Frage. Niemand kann ein Spiel alleine gewinnen." Tatsächlich wäre Ibrahimovic in Turbulenzen geraten, wenn er neben der Offensive auch Abwehr und Mittelfeld hätte übernehmen müssen. Das Handwerker-Kollektiv des onkelhaften Nationaltrainers Erik Hamrén hielt dem Künstler den Rücken frei.

Andererseits nahm Ibrahimovic seine Verantwortung fürs Zählbare schon sehr wörtlich: Das 1:0 erzielte er per Direkt-Drehschuss nach einer halbhohen Eckstoßflanke, die andere Profistürmer zu einer schwungvollen Luftloch-Pirouette genutzt hätten (19.). Das 2:0 bewerkstelligte er mit einem direkt verwandelten Freistoß (76.). Mit seiner körperlichen Präsenz ließ Ibrahimovic die dänischen Verteidiger teilweise wie Schuljungen an sich abtropfen.

Außerdem hatte er schon im Hinspiel getroffen. Ibrahimovic selbst neigte jedenfalls nicht dazu, seine Leistung unnötig herunterzuspielen. "Ich habe meine Füße sprechen lassen", sagte er: "Die Dänen wollten mich in den Ruhestand schicken, ich habe das ganze Land in den Ruhestand geschickt."

So jubelte ein skandinavisches Idol auf Kosten des anderen. Schwedens Siegbringer Ibrahimovic, 34, kann seine Kunst im nächsten Sommer noch einmal bei einem großen Turnier aufführen. "Es fühlt sich irre an", sagte er im Ton des lässigen Spiele-Entscheiders, "mehr als irre." Dafür ist Dänemarks Lichtgestalt raus aus dem Theater, und Morten Olsen konnte jetzt nicht lässig sein. "Man ist leer", sagte er freundlich in den Nebel seiner Traurigkeit hinein.

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