EM im American Football:Ein Hauch von Córdoba

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Danny Washington (rechts) mit dem Ball im Auftaktmatch gegen Finnland. (Foto: imago sportfotodienst)

Deutschland wird Europameister und niemand merkt es. Dieses Szenario droht der deutschen Nationalmannschaft im American Football. Die EM unterstreicht die fehlende Aufmerksamkeit einer Sportart, die mal wesentlich populärer war. Ob das ein Duell mit Österreich ändert?

Von Moritz Dietrich

Peter Springwald war zufrieden mit seiner Mannschaft. "Man kann tief durchatmen. Es ist immer eine Ungewissheit im ersten Spiel da", erklärte der Teamchef der deutschen Nationalmannschaft. Die hatte soeben Finnland deutlich mit 47:7 geschlagen.

Der Auftakt zur Europameisterschaft im American Football, die derzeit in Österreich stattfindet, ist durchaus gelungen. Eigentlich war das auch nicht anders zu erwarten. Deutschland ist Titelverteidiger und zählt bei diesem Turnier zusammen mit Österreich und Frankreich zu den Favoriten - Finnland gilt eher als Football-Entwicklungsland.

Vor vier Jahren gewann die deutsche Auswahl die EM im eigenen Land. Das Finale fand damals in der Frankfurter Fußball-Arena statt, wo sonst die Profis der Eintracht über den Rasen rennen. Rund 8500 Zuschauer kamen seinerzeit vorbei, immerhin. Wenige Tage später, als die Fußballer von Real Madrid zu einem Freundschaftsspiel antraten, war das Stadion ausverkauft.

American Football befindet sich hierzulande vier Jahre nach dem EM-Titel in einer komplizierten Phase. Die Sportart erlebt gerade eine Renaissance im kleinen Stil. In den Neunzigern und frühen Nullerjahren entfachte Football mit Formaten wie der NFL Europe einen Boom in Deutschland. Düsseldorf Rhein Fire oder Frankfurt Galaxy zogen regelmäßig bis zu 30.000 Zuschauer in die Stadien.

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Mit ehemaligen Fußballern wie Manfred Burgsmüller oder Axel Kruse als Kicker und publikumswirksamen Fernsehübertragungen gewann der Sport an Bekanntheit. Der Trend flachte allerdings ab, 2007 wurde die NFL Europe eingestellt, das TV wandte sich ab, es blieb wenig übrig vom Glanz. Das bekamen auch die Klubs der German Football League (GFL) zu spüren, die im Windschatten der völlig eigenständigen NFL Europe vom Aufschwung profitiert hatten.

Doch ganz tot war der Sport nie. Zuletzt etablierte sich Football zu einem Breitensport, der vor allem bei Jugendlichen an Relevanz gewinnt. "Die Breite wird immer besser, die Athleten schon früh an den Sport herangeführt", sagt Teamchef Springwald. "Heute spielen die 20-Jährigen zum Teil schon zehn Jahre Football."

Knapp 50.000 Mitglieder hat der Verband - eine ordentliche Zahl, wenn man bedenkt, dass es den Sport in Deutschland erst etwa 25 Jahre gibt. Zum Vergleich: In Basketballvereinen tummeln sich landesweit 190.000 Mitglieder, Streetball spielen noch viel mehr Deutsche. Erste Kooperationen mit Schulen sorgen nun dafür, dass Jugendliche mit Football eine Alternative neben den Klassikern Fußball, Tennis oder Handball kennen lernen. In den unteren Ligen steigen die Zuschauerzahlen, bisweilen besuchen mehrere hundert Menschen die Partien.

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Doch auf höchster Ebene stagniert das Interesse. Gerade die Vereine der GFL haben mit mangelndem Interesse zu kämpfen. Das gibt auch Springwald zu: "In der Spitze könnten wir populärer sein." Vor allem die fehlende Präsenz im Fernsehen bremst den Bekanntheitsgrad der Klubs. Nur gelegentlich werden Spiele auf lokalen Sendern übertragen, die Länderspiele sind nur sehr selten empfangbar. Dabei wäre gerade das für die Verbreitung enorm wichtig.

Hinzu kommt, dass der Sport nicht immer die nötige Klasse erreicht, um mehr Fans zu generieren. "Die Leistungsstärke muss ausgebaut werden, um aus der Masse herauszustechen", sagt Springwald - und trifft damit einen entscheidenden Punkt. Längst sind die deutschen Teams nicht mehr führend im europäischen Football. Vor allem die österreichischen Klubs haben in den vergangenen zehn Jahren einen großen Sprung gemacht und sind vorbeigezogen.

Der Eurobowl, vergleichbar mit der Champions League im Fußball, ging zuletzt fast immer an die Vienna Vikings oder die Swarco Raiders aus Innsbruck. Das sah vor zwanzig Jahren noch anders aus, als deutsche Mannschaften wie die Hamburg Blue Devils Europa dominierten. "Österreich hat eine gute Liga, einen gut geführten Verband und erhält finanzielle Unterstützung", erklärt Peter Springwald. In Deutschland hingegen gebe es außerhalb von Fußball und olympischen Sportarten kaum Förderung.

Das Potenzial, den Sport populärer zu machen, wäre vorhanden. Die nordamerikanische Footballliga NFL kennen die Fans, die Bekanntheiten aus Übersee auch. Den Super Bowl zwischen den Seattle Seahawks und den Denver Broncos verfolgten im Februar 1,59 Millionen Zuschauer vor dem Fernsehgerät, 300.000 mehr als im Vorjahr. "Wir haben den Vorteil, dass einige deutsche Spieler in Colleges in den USA und in der NFL spielen", so Springwald. Die NFL als Zündfunke?

Dazu fehlt noch einiges. Um den heimischen Football-Sport bekannter zu machen, müssen vor allem Events wie die EM intensiver genutzt werden, deutet auch Springwald an: "Livestreams und Internet helfen uns natürlich bei Großereignissen wie der EM."

Wer sich US-Sport im Fernsehen anschaut, kommt potenziell auch als Interessierter für Football in Europa in Frage. Doch um mehr Fans anzulocken, muss eine bessere Vermarktung her. Social-Media-Kanäle und Netz-TV bieten eigentlich allerhand Möglichkeiten, damit nationale und internationale Wettbewerbe in den Wohnzimmern landen. Genutzt hat das bisher nichts.

"Die Vereine machen gute Arbeit, finanziell sind bei Teams mit dieser Größe aber keine großen Sprünge drin", erklärt Teamchef Springwald. So ist es zum Beispiel für Basketballvereine vergleichsweise einfach, ein Auswärtsspiel zu organisieren. Rund zehn Spieler, ein paar Trainer und Ausrüstung wie Trikots müssen zum Spielort transportiert werden. Da tun es zur Not auch zwei Kleinbusse. Ein Footballteam mit mehr als 60 Spielern und sämtlichen Schutzausrüstungen braucht Platz - Kleinbusse reichen da kaum.

In Österreich trifft das deutsche Team nun im zweiten und letzten Gruppenspiel am Dienstagabend (18.55 Uhr) auf Schweden. Der Finaleinzug ist der Mannschaft fast nicht mehr zu nehmen. Diese entspannte Ausgangslage ergibt sich aus dem Modus mit zwei Gruppen à drei Teams. Im Finale warten Frankreich oder Österreich - und vielleicht eine feierliche Kulisse.

Das Endspiel der WM vor drei Jahren zwischen den USA und Kanada im Wiener Ernst-Happel-Stadion verfolgten 20.000 Zuschauer. Sollte es 2014 zum Duell Österreich gegen Deutschland kommen, wird diese Marke wohl übertroffen. Möglicherweise kommen dann bis zu 30.000 Zuschauer. Wie in besten NFL-Europe-Zeiten.

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