Lukas Podolski war nach dem Viertelfinalsieg gegen Argentinien bei der WM 2006 nicht mehr zu halten. Während der Ehrenrunde setzte der Stürmer zu einem Sprint in Richtung Haupttribüne an. Wer glaubte, er würde nun seine Freundin oder wenigstens die von Bastian Schweinsteiger umarmen, der wurde enttäuscht. Der oberkörperfreie Podolski herzte den oberkörperfreien Oliver Pocher, aus den Lautsprechern dröhnte Pochers Lied "Schwarz und Weiß". Spätestens von diesem Zeitpunkt an war der Pocher ein Mitglied der Nationalelf - er war das Maskottchen, noch vor Paule, den nicht einmal der oberkörperbedeckte Thomas Hitzlsperger umarmen wollte.
Oliver Pocher ist nur einer von vielen, die über die EM Witze reißen werden.
(Foto: Foto: AP)Pochers Lied war ein Remake des Songs "Black & White", den die britische Band Flameless anlässlich der EM 2004 eingespielt hatte. Und weil das so gut geklappt hat, zweitverwertet Pocher für dieses Turnier "Bring en hei" des Schweizer Soap-Stars Baschi. "Bringt ihn heim" heißt das Machwerk Pochers, das Textzeilen enthält wie "Bitte lieber Fußballgott, lass uns heute nicht im Stich, denn wir wollen den Pokal, alles and're wollen wir nicht."
Guerilla-Spaß-Reporter
Pocher selbst ist während der EM als Guerilla-Spaß-Reporter der ARD unterwegs und parodiert von deutschen Nationalspielern über österreichische Stadien bis hin zu holländischen Fans alles, was ihm vor die Kamera läuft. "Ich bin akkreditiert, habe eine Kamera und viel Zeit. Das ist eine tödliche Kombination", sagt Pocher mehr drohend denn ankündigend.
Überhaupt haben Comedians - so die neudeutsche Bezeichnung für nicht ganz so witzige Komiker - entdeckt, dass ein großes Fußballturnier und Comedy irgendwie zusammenpassen könnten. Und so tingeln die selbsternannten Spaßmacher durch Fernsehsender, Radiostationen und Internetportale und veralbern alles, was irgendwie mit der EM zu tun hat.
Stoff gibt es genug: eine jubelnde Bundeskanzlerin, tanzende Promis auf der Tribüne und natürlich die kryptischen Spielanalysen von Franz Beckenbauer. Deren Verkohlung übernimmt das selbsternannte Kaiser-Double Matze Knop, von dem bild.de eine tägliche Video-Kolumne sendet mit Witzen wie "Tja, die Polen haben ja Smolarek, Krzynówek, Ed von Schleck".
Die ARD setzt da lieber auf eine Mischung aus dem Hau-drauf-und-Schluss-Witz Oliver Pochers und launigem Fußballtalk. Nach Pochers Sendung soll an ARD-Sendetagen von 23.30 Uhr an "Waldis EM-Club" laufen und eine halbe Stunde lang die Geschehnisse des Tages abarbeiten. Die Gästeliste liest sich wie das Inhaltsverzeichnis eines Boulevard-Magazins: Ehemalige Fußballer wie Hansi Müller und Michael Rummenigge kommen ebenso zu Wort wie Veronica Ferres und Frank Elstner. Zur Auflockerung des ohnehin lockeren Talks sollen Spaßmacher wie Bodo Bach, Django Asül und Atze Schröder ihr geballtes Fußballwissen in den Club mitbringen. Natürlich werden auch Oliver Pocher und Matze Knop einen Auftritt haben.
Comedy im Überfluss
Das ZDF kontert komödiantisch erneut mit "Nachgetreten!", der inoffiziell unlustigsten Sendung der WM 2006. Im "7-Tage-7-Köpfe"-Stil werden Moderator Ingolf Lück und seine Gäste die Gags zum Spieltag von Zetteln ablesen und meist über sich selbst lachen. Lücks Mitstreiter für dieses Turnier sind noch nicht bekannt, es wird jedoch erwartet, dass auch diesmal wieder Mike Krüger, Janine Kunze und Lou Richter dabei sein werden - und natürlich Matze Knopp alias Franz Beckenbauer.
Die Comedy-Berichterstattung hat den Vorteil, dass man keinerlei Übertragungsrechte braucht und trotzdem etwas über die EM senden kann. In Nordrhein-Westfalen gibt es auf verschiedenen Radiosendern das tägliche Programm "Jogis S-EM-MS", in dem ein fiktiver Bundestrainer seine Sicht der Dinge schildert. Der Sender You FM kontert mit "Poldis WM-Tagebuch" und lustigen Sprüchen des Stürmers.
Und auch der TV-Sender Comedy Central will ein Stück vom EM-Kuchen haben und zeigte bereits Ende Mai ein Fußball-Special. Peter Nottmeier verkleidete sich als Monica Lierhaus und interviewte, ja, Matze Knop, der erneut den Beckenbauer gab. Danach gab es die Sendung "Deutsche 11 Backstage", bei der die deutschen Fußballer mit Animationspuppen parodiert wurden. Im Anschluss daran konnte man die "Die dümmsten Sportler" bewundern, sie wurden anmoderiert von Matze Knop.
Bei diesem Comedy-Überfluss dürfte sich der wahre Fußballfan auf den nächsten Tag freuen, wenn endlich wieder nur Fußball zu sehen sein wird. Sicher ist jedoch: Gewinnt die deutsche Elf das Viertelfinale, wird Lukas Podolski nicht nur Oliver Pocher, sondern auch Matze Knop umarmen müssen.