EM 2008:Böse Deutsche, gute Deutsche

Ein umstrittenes Werbefilmchen hier, ein geköpfter Ballack dort: Zwischen deutschen und polnischen Medien ist ein "Krieg" entbrannt. Doch in die große Aufregung mischen sich auch zurückhaltende Stimmen.

Thomas Urban, Warschau

"Unsere Boulevardmedien überschreiten die Grenze". So hieß es am Donnerstag im Leitartikel der seriösen nationalkonservativen Rzeczpospolita. Und in der linksliberalen Gazeta Wyborcza goss der prominente Fernsehmoderator Tomasz Lis Spott aus über den "Krieg mit den Deutschen", den die polnische Regenbogenpresse vor dem Spiel beider Nationalmannschaften bei der Fußball-Europameisterschaft am Sonntag führt.

EM 2008: Mit diesem Titel sorgte ein polnisches Boulevardmedium für einen "Medienkrieg".

Mit diesem Titel sorgte ein polnisches Boulevardmedium für einen "Medienkrieg".

(Foto: Foto: Titelseite der polnischen Zeitung "Super Express".)

Den Anfang hatte das vom Axel-Springer-Verlag herausgegebene Revolverblatt Fakt gemacht: Es zeigte am Dienstag auf seiner Titelseite den polnischen Nationaltrainer Leo Beenhakker in Ritterrüstung, der gerade zum Schwerthieb ausholt. Vor dem aus Holland stammenden Trainer kniet mit angstvoller Miene im weißen Mantel der Ordensritter Michael Ballack, auf dem Kopf eine Pickelhaube. Am folgenden Tag spann der Super-Express, der große Konkurrent von Fakt, die Geschichte, die auf den polnischen Sieg über den Deutschen Orden im Jahr 1410 erinnern sollte, auf seine Art weiter: Nun zeigt Beenhakker triumphierend die abgeschlagenen Köpfe von Ballack und Bundestrainer Joachim Löw.

Bild regt sich über böse Polen auf

Und am Donnerstag regte sich die Bild-Zeitung über die bösen Polen auf, die "durchballern". Diese Art der Angriffe sei einfach "geschmacklos". Und brachte auf der Titelseite einen großen Ausriss aus dem Super-Express. Dass dieser eine Geschichte des Springer-Blattes Fakt weitergedreht hatte, erfuhren die Leser aber nicht. In der Tat sah es wieder einmal so aus, als schürten die Axel-Springer-Blätter beiderseits von Oder und Neiße einen deutsch-polnischen Konflikt, wie es ja früher ab und an vorkam. Das Spielen mit Vorurteilen, das bei der Stammleserschaft leicht zur kollektiven Erregung führt, zahlt sich ja gewöhnlich auch aus.

Allerdings lassen verantwortliche Redakteure der drei polnischen Springer-Blätter immer wieder durchblicken, dass sie strenge Anweisung haben, deutsch-polnische Spannungen nicht weiter anzuheizen. In der Tat halten sich die Tageszeitung Dziennik sowie das Wochenmagazin Newsweek durchaus an diese Vorgabe. Beide Redaktionen gelten als seriös und vertreten eine proeuropäische Linie.

Bei Fakt, so berichtet nun einer der verantwortlichen Redakteure, sei man ein wenig erschrocken über die heftige Reaktion auf die Fotomontage mit dem knienden Ballack und dem schwertschwingenden Beenhakker. Die Inszenierung aus dem Mittelalter, die mit polnischen Heldenmythen spiele, sei eigentlich ironisch gemeint gewesen. Schließlich rege sich ja auch niemand auf, wenn die englischen Boulevardblätter vor einem Länderspiel gegen die Deutschen in ihren Karikaturen den Gegner als Panzer oder Stukas darstellten. Nun erwartet man bei Fakt ein Donnerwetter.

Böse Deutsche, gute Deutsche

Auch die Bild-Zeitung hat ihre scheinheilige Aufregung, zu der ja das Schwesterblatt beigetragen hatte, schnell zurückgefahren. Schon nach wenigen Stunden war die heftige Attacke auf die "unverschämten Polen" von der Internetseite verschwunden. Dziennik brachte gar unter Berufung auf Bild eine Geschichte über einen "guten Deutschen": den ehemaligen Hamburger Nationalspieler Charly Dörfel. Der ist mit einer Polin verheiratet und gab nun im weiß-roten Leibchen und mit Fan-Schal zu, dass diese ihn dazu "zwingt, den Polen die Daumen zu drücken".

Doch ließ das Blatt auch den ehemaligen polnischen Star Zbigniew Boniek, der bei der WM 1982 die Weiß-Roten zum dritten Platz getrieben hatte, zu Wort kommen. Für den legendären Rotschopf, der ein paar Monate lang auch polnischer Nationaltrainer war, steht fest: "Die Deutschen haben mit dem Medienkrieg angefangen!" Sie hätten nämlich die Polen beleidigt. Er meinte damit ein Internetfilmchen eines privaten Wettanbieters. Darin ist eine Gruppe grell aufgemachter deutscher Fans auf dem Weg nach Österreich. Nach der Pinkelpause stellen sie fest, dass ihr in schwarzrotgolden bemalter Minibus gestohlen ist. Danach wird eingeblendet: "Wetten Sie: Deutschland - Polen."

Kritik von anderen polnischen Zeitungen: "Beschämend"

In der Bundesrepublik wurde dieser kurze Streifen kaum bemerkt. In Polen aber fand er seinen Weg in die Nachrichten des staatlichen Fernsehens, Tenor: Die Deutschen verspotten uns. Nachrichtenchef ist Krzysztof Rak, einer der Deutschland-Experten des nationalkonservativen Lagers, bekannt als Autor giftiger Feuilletons, die er mit Professor Mariusz Muszynski, dem Deutschand-Experten der Kaczynski-Zwillinge, verfasst. Beide haben es sich seit langem zur Aufgabe gemacht, ihre Landsleute vor den Deutschen zu warnen. Und deshalb ist es an der Zeit, ihnen wieder einmal, wie in der Schlacht bei Grunwald und Tannenberg vor fast sechshundert Jahren, zu zeigen, wo der Hammer hängt.

Die nationalkonservative Rzeczpospolita, die sonst gern in der Deutschland-Berichterstattung übertreibt und zuspitzt, meinte dagegen, dass eine solche Stimmungsmache "beschämend" für Polen sei. Sie ließ sogar Psychologen und einen katholischen Geistlichen zu Worte kommen, die sich über korrektes Fan-Verhalten ausließen. So hieß es in einer der Stellungnahmen, verbale Aggression sei Symptom für die "historischen Komplexe der Polen gegenüber den Deutschen". Und Kaplan Krzysztof Pelczar, abgestellt zur Betreuung der polnischen Nationalmannschaft, sagte: "Ich hoffe und bete, dass sich die Fans würdig verhalten! So helfen sie unserer Mannschaft am meisten!"

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